EU-Ratschef Tusk in Prag: Europäische Lösung geht nur mit Griechenland

Donald Tusk (Foto: ČTK)

Vor dem EU-Gipfel am Donnerstag und Freitag in Brüssel, bei dem die Flüchtlingskrise sowie die Abwendung eines sogenannten Brexit ganz oben auf der Agenda stehen, steigt die Nervosität. Spitzenpolitiker warnen vor einem Scheitern des Gipfels, und EU-Ratspräsident Donald Tusk versucht alles, um die unterschiedlichen Positionen vieler Mitglieder oder auch Bündnisgruppen auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. In dieser Mission war Tusk am Dienstag auch in Prag.

Am Montag trafen sich die Regierungschefs der vier Visegrád-Staaten  (Foto: ČTK)
Die tschechische Hauptstadt ist dieser Tage ein Brennpunkt der europäischen Diplomatie. Am Montag trafen sich die Regierungschefs der vier Visegrád-Staaten (Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn) zum 25-jährigen Jubiläumsgipfel des V4-Bündnisses, zum Thema Migration in Europa wurde zudem je ein Spitzenpolitiker aus Bulgarien und Mazedonien hinzugezogen. Vor einer imposanten Medienschar machten die sechs Länder deutlich, dass in Sachen Flüchtlingskrise einfach mehr getan werden müsse. Zum Beispiel durch einen Plan B, der vorsieht, an der Nordgrenze von Griechenland eine „zweite Verteidigungslinie“ zu schaffen, sollten Griechenland und die Türkei den Zustrom von Migranten nicht begrenzen können. Dann würden Bulgarien und Mazedonien, die nördlich an Griechenland grenzen, den Schutz der Schengen-Außengrenze in Südosteuropa gewährleisten, wenn sie von Seiten der EU entsprechend unterstützt würden, hieß es.

Donald Tusk  (Foto: ČTK)
Der sogenannte Plan B stößt jedoch auf großen Widerstand in anderen Staaten, besonders aber in den EU-Gründungsländern. Weil er ihrer Meinung nach ein wichtiges Grundprinzip verletze: die Solidarität unter den Mitgliedsstaaten. In die gleiche Kerbe schlug auch Donald Tusk bei seinem Besuch in Prag:

„Wir dürfen nicht die EU-Mitgliedsstaaten vergessen, die am meisten von der Krise betroffen sind. Zum Beispiel Griechenland. Diese Länder brauchen unsere ständig wachsende Unterstützung.“

Bohuslav Sobotka  (Foto: ČT24)
In den Gesprächen mit Tusk hat der tschechische Premier Bohuslav Sobotka (Sozialdemokraten) zuvor noch einmal betont, dass Plan B nur eine Zweitlösung sei, sollte Plan A – die Begrenzung und Kontrolle des Flüchtlingsstroms an der Grenzlinie zwischen der Türkei und Griechenland – nicht funktionieren. Sobotka brachte Tusk gegenüber aber auch zum Ausdruck, dass die Visegrád-Staaten auf sehr baldige Maßnahmen zur Lösung des Problems drängen:

„Ich habe den Ratspräsidenten Tusk gebeten, ein Maximum für die schnellstmögliche Entstehung einer gemeinsamen europäischen Grenzwache zu tun. Das ist auch die gemeinsame Meinung der V4-Staaten.“

Angela Merkel  (Foto: ČTK)
In Brüssel informierte derweil Tschechiens Außenminister Lubomír Zaorálek seine europäischen Ministerkollegen über die Ergebnisse des Treffens der V4-Staaten am Montag in Prag. In der belgischen Presse aber wurden diese Resultate mit den Worten kommentiert, die Visegrád-Staaten würden der gesamten EU die Stirn bieten, indem sie eine „antiliberale Front“ gebildet hätten mit dem Ziel, die Migrationspolitik von Angela Merkel zu schwächen. Darauf erwiderte Außenminister Zaorálek:

„Dass hier nicht alles völlig ideal ist, dass ab und zu jemand mit irgendetwas nicht einverstanden ist, oder aber es so aussieht, als ob jemand ziemlich kräftige Akzente setzt – das alles entspricht der Lage, in der wir uns befinden. Und diese Lage ist wirklich ernst.“

Pavel Telička  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
Weil dem so sei, wollen die Visegrád-Staaten nun etwas mehr aufs Gaspedal drücken und auch ein Motor sein in der Migrationskrise, sagte der tschechische Europa-Abgeordnete Pavel Telička (Ano-Partei). Er vergaß aber nicht zu betonen, dass dieser Motor nur einer von vielen sein kann in der EU, weil man die Flüchtlingsproblematik nur mit vereinten Kräften lösen könne.