Bierdiplomatie: Wie Tschechien in Brüssel gegen eine strengere Regulierung des Gerstensaftes kämpft
In Brüssel gibt es eine Gruppierung von EU-Parlamentariern, die sich den Kampf gegen die strengere Regulierung von Bier auf die Fahnen geschrieben haben. Vorsitzender der „European Beer Group“ ist seit 2024 ein Tscheche. Derzeit planen er und die Gleichgesinnten eine besondere Initiative: So soll der Oktober europaweit zum Monat des Bieres erklärt werden.
Seit 1995 gibt es in Brüssel den „European Parliament Beer Club“. Vergangenes Jahr wurde er in „European Beer Group“ umbenannt, also in „Europäische Biergruppe“. Ziel des Zusammenschlusses der Parlamentarier ist es, die Stellung des Bieres als Kulturgut zu stärken und für einen starken Brauereisektor in den Mitgliedsländern zu sorgen.
Nach den Wahlen zum EU-Parlament im vergangenen Jahr wurde ein neuer Vorsitz der Biergruppe gewählt. An der Spitze stehen seitdem der österreichische Sozialdemokrat Hannes Heide und Tomáš Zdechovský. Er ist für die tschechischen Christdemokraten ins Parlament eingezogen und sitzt dort in der Fraktion der Europäischen Volkspartei. Im Interview für die Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte Zdechovský den Sinn der Beer Group:
„In der Organisation kommen EU-Abgeordnete zusammen, die die europäische Bierkultur langfristig unterstützen wollen. Denn diese Kultur ist Teil unserer Geschichte, und wir wollen, dass dieses historische Erbe weiterentwickelt und an unsere Kinder und Enkel weitergegeben wird.“
Laut der Website wird das Büro der European Beer Group vom europäischen Brauereiverband Brewers of Europe betrieben.
„Wir wollen aber kein geschlossener Lobbyverband sein, sondern uns für alle öffnen, die interessiert sind“, sagt Zdechovský.
Bei den Treffen der Beer Group wird dabei natürlich auch die eine oder andere Hopfenkaltschale getrunken.
Von den 21 Tschechen, die derzeit im Europaparlament sitzen, gehören fünf der Biergruppe an. Warum aber ist ihre Zahl nicht größer, obwohl Tschechien ja die Biernation schlechthin ist? Tomáš Zdechovský sagt:
„In Tschechien gab es bisher noch keinen Bedarf, das Brauereiwesen zu schützen. Das kann sich aber bald ändern, wenn dem Biersektor Hürden in den Weg gestellt werden.“
Doch auch in der derzeitigen Legislaturperiode könnte die Zahl der Tschechen in der Gruppe noch steigen, meint Zdechovský.
Angst vor Restriktionen aus Brüssel
Die Angst vor Restriktionen, was die Produktion und den Konsum von Bier angeht, scheint in der Beer Group nicht nur Tomáš Zdechovský zu beschäftigen. Bei einer Zusammenkunft im Dezember war auch Krishan Maudgal zugegen, der Chef des belgischen Brauereiverbandes. Im Interview für den Tschechischen Rundfunk beklagte er, dass Bier in Europa künftig teurer werden könnte. Es würden auch Warnaufkleber wie auf Zigarettenschachteln drohen, und das Getränk könnte in Zukunft weniger leicht verfügbar sein – etwa durch Einschränkungen, was den Verkauf in Supermärkten angeht.
Diese Befürchtungen teilt auch Tomáš Slunečko. Er leitet den tschechischen Verband der Brauereien und Mälzereien (ČSPS) und sagt:
„Bier wird als niedrigalkoholisches Schaumgetränk definiert. Das sage ich, um klarzustellen, dass man Bier nicht mit hartem Alkohol vergleichen kann. Die Weltgesundheitsorganisation und weitere Institutionen tun jedoch genau dies.“
Slunečko fordert dazu auf, gegen die Stigmatisierung des Gerstensaftes zu kämpfen. Denn Bierkonsum führe keineswegs zu Alkoholismus und schade auch den jungen Menschen nicht, findet er.
Seiner Argumentation ist allerdings entgegenzuhalten, dass ein kleines Bier mehr Reinalkohol enthält als ein kleiner Schnaps. Laut der Weltgesundheitsorganisation sterben jährlich 2,6 Millionen Menschen an den Folgen von Alkohol, und Tschechien gehört schon seit Jahren zu den Spitzenreitern, was den Konsum pro Kopf anbelangt. Die hiesige Zentrale für das Monitoring von Drogen und Sucht (NMS) geht davon aus, das 15 bis 19 Prozent aller erwachsenen Tschechen ein riskantes Trinkverhalten aufweisen.
Wie Tschechiens Präsident zum belgischen Bier-Ritter wurde
Doch schädliche Folgen hin oder her – dass sich im Europaparlament dem Bier zugeneigte Abgeordnete organisieren, begrüßt Slunečko:
„Wir sollten eine Koalition an Ländern bilden, in denen es eine starke und gut entwickelte Bierkultur gibt“, sagt der Verbandschef.
Als Länder, die in einer solchen Koalition eine führende Rolle übernehmen könnten, nennt Slunečko Deutschland und Österreich, aber eben auch Tschechien und Belgien. Gerade die letztgenannten – also Tschechien als Geburtsstätte des klassischen Lagers und Belgien als Land mit einer großen Vielfalt an Braurichtungen – arbeiten bereits intensiv zusammen auf dem Feld der „Bierdiplomatie“, wie Slunečko es nennt.
Auch Krishan Maudgal sagt, dass Tschechien und Belgien früher eher Konkurrenten im Bierbereich waren, nun aber Freunde seien. So wurde im November etwa eine gemeinsame Konferenz zur Bierkultur in Prag veranstaltet. Bei dem Gipfeltreffen der beiden Brauereiverbände gab es hohen Besuch: Zu Gast waren nicht nur die Botschafter der beiden Länder, sondern auch Tschechiens Staatspräsident Petr Pavel. Der wurde bei der Veranstaltung zum Ehrenritter des Maischepaddel-Ordens der belgischen Brauer geschlagen – als erster ausländischer Staatsmann überhaupt.
Tschechiens Traum vom Bier-Unesco-Titel
Während die beiden Biernationen Tschechien und Belgien scheinbar rege kooperieren, um im internationalen Kontext gemeinsame Interessen durchzusetzen, sind die Westeuropäer den Kollegen in Tschechien allerdings einen Schritt voraus. Denn seit 2016 befindet sich die belgische Bierkultur offiziell auf der Liste des immateriellen Weltkulturerbes. Auch die tschechischen Brauer haben mittlerweile Schritte eingeleitet, um von der Unesco anerkannt zu werden. Aber was würde dieser Titel bringen? Verbandschef Tomáš Slunečko sagt:
„Uns kann das zwar nicht komplett, aber immerhin teilweise helfen, das Image abzulegen, dass wir Alkoholismus propagieren wollen. Denn wir wollen uns für eine gesunde Trinkkultur einsetzen. Das meint das Zusammensein an einem Ort, also in der Kneipe oder dem Restaurant, gemeinsam beim Bier – so wie das schon immer war.“
Wird der Oktober zum „Monat des Bieres“?
Um genau dies auch auf der europäischen Ebene zu erreichen, hat man sich in der Beer Group im Übrigen ein besonderes Ziel gesetzt. Man will den Oktober in der Europäischen Union zum Monat des Bieres erklären. EU-Parlamentarier Tomáš Zdechovský erläutert:
„Ursprünglich sollte die Aktion nur in Tschechien eingeführt werden. Dann habe ich aber dem Vorstand des Beer Club davon erzählt, und all die Länder, die ebenfalls Bier produzieren, waren begeistert. Ich glaube deshalb fest daran, dass wir schon 2025 den Monat des Bieres in der ganzen Europäischen Union feiern werden.“
Zdechovský geht dabei davon aus, dass der Themenmonat auch in Tschechien Erfolg haben könnte:
„Wir wollen den Menschen erklären, dass sie nicht nur Bier trinken, sondern auch ein Teil der Bierkultur sind. Damit ist eine besondere Form der Gastlichkeit verbunden, aber auch eine lange Geschichte. Es geht also darum, den Menschen zu zeigen, wie alt Bier eigentlich schon ist, welche unterschiedlichen Stile es gibt und wie reichhaltig die tschechische Bierkultur ist.“