EU-Verfassung: Tschechien zwischen Abwarten und Stopp im Ratifizierungsprozess

Französische Zeitungen (Foto: CTK)
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Der Bau des europäischen Hauses ist vorerst eingestellt, denn das Fundament, auf dem es stehen soll, hat einen gehörigen Riss bekommen. Daher schauen sich dessen Konstrukteure und Bauherren derzeit fragend an, wie es denn nun weitergehen soll. So und nicht anders muss man die Situation interpretieren, in die die Europäische Union nach dem französischen "Nein" zum EU-Verfassungsvertrag geraten ist. Und mit ihr vor allem jene Mitgliedsländer, in denen der Ratifizierungsprozess noch nicht abgeschlossen ist. Unter ihnen auch die Tschechische Republik, deren politische Repräsentanten sich momentan nicht darüber einigen können, welcher Kurs nun einzuschlagen ist. Näheres dazu von Lothar Martin.

Französische Zeitungen  (Foto: CTK)
Das Ergebnis der französischen Volksbefragung zum EU-Verfassungsvertrag verbreitete große Genugtuung bei allen Kritikern des europäischen Konstrukts, wie es sich bis zum heutigen Tag dargestellt hat. Allen voran beim tschechischen Staatspräsidenten Vaclav Klaus, einem der schärfsten Kritiker, der wegen seiner unablässigen Unmutsäußerungen bereits zum EU-Pessimisten abgestempelt wurde. Daher ließ Klaus dem französischen "Non" nun auch ziemlich klare Worte folgen:

"Das französische Referendum bzw. dessen Ergebnis hat deutlich den tiefen Graben aufgezeigt, der zwischen den europäischen Politeliten und den Bürgern der einzelnen europäischen Länder besteht. Das ist die eindeutige Botschaft, die dieser Volksbefragung zu entnehmen ist. Ich denke, das weiß ganz einfach jeder, und zu versuchen, das Ganze anders zu interpretieren, ist nicht möglich."

Vaclav Klaus  (Foto: CTK)
Klaus und die Parteispitzen der oppositionellen Demokratischen Bürgerpartei (ODS), dessen Ehrenvorsitzender das Staatsoberhaupt ist, sprachen sich nunmehr dafür aus, den Ratifizierungsprozess in Tschechien zu stoppen. Und zwar deshalb, weil - so Klaus - "die Europäische Verfassung in ihrem gegenwärtigen Wortlaut eine Sache ist, die der Vergangenheit angehört."

Jiri Paroubek  (Foto: CTK)
Mit dieser Aussage steht Präsident Klaus jedoch im Gegensatz zur tschechischen Regierung, die unter dem neuen Premier Jiri Paroubek angetreten war, die Ratifizierung des EU-Dokuments zu einer ihrer Prioritäten innerhalb der verbleibenden Legislaturperiode zu machen. Das französische "Nein" hat aber schon zu einigen Irritationen innerhalb der Koalition geführt. So schlugen die Christdemokraten vor, dass das Kabinett die Informationskampagne zur europäischen Verfassung solange einstellen solle, bis man in der EU zu einer Entscheidung über den weiteren Ratifizierungsprozess gekommen sei. Auch der bisher noch relativ gelassen auftretende Premier Paroubek will die Entscheidungsfindung über das "Wie weiter?" anderen überlassen:

"Die französische Regierung sollte sagen, wie weiter zu verfahren ist. Selbstverständlich kann ich mir vorstellen, dass es ebenso erforderlich sein wird, die Dinge Mitte Juni während der Sitzung des Europa-Rates zu verhandeln. Ganz zweifelsfrei muss sich dieses Organ dazu äußern."

Trotz dieser abwartenden Haltung war es zwischen Paroubek und Klaus schon zu kräftigen Misstönen gekommen. Der Regierungschef hatte dem Präsidenten nämlich noch vor dem französischen Referendum vorgeworfen, mit seiner zur EU-Verfassung im Ausland geäußerten Kritik nicht den Standpunkt der Tschechischen Republik vertreten zu haben, der nun einmal von der Regierung und der von ihr gemachten Außenpolitik vorgegeben werde. Bei einem Treffen am Dienstag auf der Prager Burg hätten beide Staatsmänner jedoch ihren Streit inzwischen beigelegt, äußerte Paroubek vor Journalisten. Dennoch muss immer noch bezweifelt werden, dass beide Politiker, die für völlig unterschiedliche Standpunkte in der tschechischen Europa-Politik stehen, nun gemeinsam einen Weg finden, wie sich Tschechien zukünftig zum gegenwärtigen EU-Verfassungsvertrag und zu in Brüssel getroffenen Entscheidungen verhalten soll.