EU-Wahl 2024: Tschechische Parteien fast geeint in Ukraine-Hilfe
Eines der Themen, das innerhalb der Europäischen Union erörtert wird, ist die Unterstützung der Ukraine mit verschiedenen Mitteln, vor allem auch mit Waffenlieferungen. Welche Vorstellungen haben die einzelnen Parteien in Tschechien dazu? Das sagen wir Ihnen in den folgenden Minuten. Sie hören den zweiten Teil unserer ersten Serie, die wir im Vorfeld der Europawahlen bringen. In der Serie stellen wir Ihnen die Ansichten der tschechischen Parlamentsparteien zu ausgewählten europäischen Themen vor.
Alle fünf tschechischen Regierungsparteien sowie die stärkste Oppositionspartei Ano einigen sich auf die Notwendigkeit, der Ukraine in verschiedenen Bereichen unter die Arme zu greifen und ihr Waffen zu liefern. Drei der Regierungsparteien sind im Wahlbündnis Spolu zusammengeschlossen. Die Bürgerdemokraten gehören zur Partei der Europäischen Konservativen und Reformisten (ECR), die Christdemokraten und die Top 09 sind Mitglieder der Europäischen Volkspartei. Die Bürgerdemokratin Veronika Vrecionová liegt auf der Kandidatenliste ihrer Partei auf Platz zwei. Die Politikerin sagte im Gespräch für Radio Prag International, es sei notwendig, der Ukraine maximal zu helfen. Sie merkte an, sie sei stolz auf die Regierung, da sie sehr aktiv sei:
„Ich freue mich beispielsweise über die Munitionsinitiative. Die Tschechische Republik steht an der Spitze einer Koalition von Regierungen, die der Ukraine helfen. Wir müssen das angegriffene Land so unterstützen, wie es in unseren Kräften steht. Wir wissen, dass viele Freiwillige aus den Nato-Staaten in der Ukraine kämpfen. Das finde ich auch richtig.“
Auf die Frage, ob sie sich eine direkte Teilnahme der Nato-Länder an den Kampfoperationen vorstellen könnte, antwortete Vrecionová:
„Wir hören alle täglich von Experten, dass dies sehr gefährlich wäre. Denn das wäre ein Schritt hin zum Dritten Weltkrieg, und diesen will niemand. Es ist jedoch in unserem Interesse, dass Russland möglichst weit von unseren Grenzen wegbleibt und dass die Ukraine einen Erfolg feiert. Es wäre nach meiner Meinung am besten, dass sich Russland aus dem Gebiet der Ukraine zurückzieht und sich in seinen Grenzen bleibt. Wir werden sehen, wie das ausgeht. Jeder Krieg endet mit Verhandlungen.“
Auch die Bürgermeisterpartei Stan ist eine der Regierungsparteien. Bei den Europawahlen kandidiert sie diesmal selbständig. Die Nummer eins auf der Kandidatenliste ist Danuše Nerudová. Die ehemalige Rektorin der Mendel-Universität in Brno / Brünn betonte im Gespräch für Radio Prag International, die EU müsse der Ukraine flexibler als bisher helfen.
„Wir müssen die Munition und die Waffen, um die Präsident Selenskyj ersucht, viel schneller liefern. Es hat sich beispielsweise im Falle Israels gezeigt, dass die Hilfe sehr effektiv sein kann, wenn sich mehrere Länder zusammenschließen. Präsident Selenskyj hat sich mit Recht die Frage gestellt, warum der Ukraine nicht genauso wie Israel geholfen wurde. Darüber wurde auch in Brüssel gesprochen. Die Ukraine kämpft auch für uns. Wir können froh sein, dass keine Raketen auf unser Land fallen. Wir müssen der Ukraine so helfen, dass sie in dem Krieg siegt. Das bedeutet in diesem Augenblick, sich wirklich maximal zu bemühen, der Ukraine Waffen zu liefern.“
Nerudová macht auch auf die jüngsten Umfragen aus der Ukraine aufmerksam. Fast 70 Prozent der ukrainischen Bevölkerung sind ihren Worten zufolge davon überzeugt, dass die Ukraine weiter kämpfen müsse. Drei Viertel der Ukrainer sind laut Nerudová der Meinung, dass ihr Land keine territorialen Verluste erleiden dürfe.
„Wir sollten das respektieren, was sich die Ukraine wünscht, was sich Präsident Selenskyj wünscht. Über unseren Köpfen fliegen keine Raketen, es geht wirklich nicht, dass wir jemandem Ratschläge erteilen, wie der Krieg zu beenden sei. Das hängt von Präsident Selenskyj ab, weil sein Volk Blut vergießt, und er muss eine Vorstellung über Friedensgespräche und eine Beendigung des Konflikts zum Ausdruck bringen.“
Die Piraten gehören als die einzige der tschechischen Regierungsparteien im Europäischen Parlament zur Fraktion der Grünen / Freie Europäische Allianz. Marcel Kolaja ist Spitzenkandidat der tschechischen Piratenpartei. Auf die Frage nach den Formen der Hilfe für die Ukraine antwortete er:
„Europa kann in der heutigen Zeit keine bessere Entscheidung treffen, als die Ukraine zu unterstützen. Und zwar aus moralischer und wirtschaftlicher Sicht sowie aus Sicherheits- und geopolitisch-strategischer Sicht. Ich bin ein großer Befürworter der Ukraine-Hilfe. Dies ist wirklich die beste Möglichkeit, die Sicherheit in Europa zu garantieren. Sollte die Ukraine fallen, hätten wir ein großes Problem mit der Sicherheit. Denn die Expansionssucht von Putins Regime ist höchstwahrscheinlich unbegrenzt.“
Einer der Kandidaten der Oppositionspartei Ano bei den Europawahlen ist Jaroslav Bžoch. Derzeit ist er Vizevorsitzender des Auswärtigen Ausschusses im Prager Abgeordnetenhaus. Was die Unterstützung der Ukraine anbelangt, ist er davon überzeugt, dass nicht nur Tschechien, sondern auch alle westlichen Staaten ihre Hilfe genauso wie bisher fortsetzen müssten. Bžoch betonte gegenüber Radio Prag International:
„Die Ukraine braucht vor allem die Artilleriemunition und die Waffen, die sie fordert, um ihr Gebiet verteidigen zu können. Natürlich müssen wir dem Land auch weiterhin humanitäre Hilfe bieten. Es gibt Staaten, die keine Waffen liefern, die jedoch im humanitären Bereich aktiv sind.“
Jaroslav Bžoch erinnerte daran, dass Russland den Vorschlag einer Friedenskonferenz in der Schweiz abgelehnt habe. Seinen Worten zufolge sollte man versuchen, mit jenen Staaten diplomatisch zu verhandeln, die sich bei den Abstimmungen über Resolutionen gegen Russland in der Uno bisher der Stimme enthielten oder dagegen waren. Laut Bžoch könnte versucht werden, durch Verhandlungen mit diesen Staaten Russland allmählich zu isolieren. Der Politiker räumt jedoch ein, dass ein derartiger Versuch scheitern könne:
„Ich denke, es ist die Aufgabe von uns Politikern und vor allem von den Diplomaten, nach einer Möglichkeit zu suchen, die eine Chance auf einen Waffenstillstand bringen könnte. Dann können wir darüber reden, was für die Ukraine ein Sieg wäre oder nicht. Zumindest sollten das Sterben der Menschen und die Zerstörung der Infrastruktur gestoppt werden.“
Das Bündnis der Rechtsaußenparteien „Freiheit und direkte Demokratie“ (SPD) und Trikolora unterscheidet sich in seiner Haltung zur Unterstützung für die Ukraine von den anderen tschechischen Parlamentsparteien darin, dass es jegliche Hilfe für die Ukraine ablehnt. Auf einem der Wahlplakate des Bündnisses steht beispielsweise: „Geld für Tschechen, nicht für die Ukraine“. Der Spitzenkandidat des Bündnisses ist Petr Mach. Auf die Frage nach den Hilfsformen für die Ukraine sagte Mach gegenüber Radio Prag International, dass die Taktik und vor allem die Strategie der Ukraine und des Westens falsch seien:
„Ich denke, dass es zu Änderungen in der Strategie kommen muss. Sollte es das Ziel sein, dass die Ukraine – vereinfacht gesagt – gewinnt, dann führt die jetzige Strategie nicht dazu. Wenn Tschechien Geld sammelt und dafür 300.000 Stück Munition gekauft werden, dann besorgen sich die Russen auch 300.000 Stück Munition.“
Mach zufolge führt dies dazu, dass der Krieg weitergeführt und noch mehr Menschen getötet werden. Diejenigen, die das Ziel haben zu siegen, sollten sich laut Petr Mach bewusst werden, dass ihre Strategie zum Gegenteil führe. Er merkte an:
„Wir fordern Friedensverhandlungen: erstens einen Waffenstillstand und zweitens Verhandlungen über einen dauerhaften Frieden.“
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