Ex-Agent verklagt ehemaligen Dienstherrn wegen Preisgabe seiner Identität
Die tschechischen Geheimdienste lassen dieser Tage kein einziges Fettnäpfchen aus. Kaum wurde am Montag bekannt, dass dem Nachrichtendienst BIS vor einigen Jahren Geheiminformationen aus dem Wirtschafsbereich abhanden gekommen sind, da steht nun auch der militärische Nachrichtendienst am Pranger. Der Hintergrund: Ein ehemaliger Mitarbeiter hat Strafanzeige gegen seinen Ex-Arbeitgeber gestellt, da der Nachrichtendienst dessen Identität unrechtsmäßig preisgegeben habe. Vor dem Prager Stadtgericht wurde dazu am Mittwoch der entsprechende Prozess eröffnet.
Vor drei Jahren, als die polizeilichen Ermittlungen gegen Roman Liener, dem ehemaligen Oberstleutnant des militärischen Geheimdienstes, eröffnet wurden, deutete einiges darauf hin, dass man einem der größten Spionagefälle der tschechischen Geschichte auf de Fersen sei. Liener, der in Weißrussland operierte, wurde verdächtigt, geheime Informationen an Agenten der Länder des ehemaligen Ostblocks weiterzuleiten. Den damaligen Berichten zufolge sollte der Tschechischen Armee aus Lieners "ungesetzlicher Tätigkeit" ein Schaden von rund zwei Millionen Kronen (knapp 70.000 Euro) entstanden sein. Inzwischen aber haben sich die meisten Anschuldigungen gegen Liener nicht nur als haltlos, sondern sogar als Komplott gegen ihn erwiesen. So wurde zum Beispiel durch zweifelsfreie Videoaufnahmen nachgewiesen, dass Geheimdokumente, die im Tresor seiner Deckfirma gefunden wurden, nicht von ihm, sondern von seinen Ex-Kollegen dort hinterlegt wurden. Liener selbst aber fühlte sich durch die Tatsache, dass mit der Veröffentlichung seines Falles auch seine geheimdienstliche Identität preisgegeben wurde, zu Recht als lebensgefährlich bedroht. Ein Vorgang, der nie hätte passieren dürfen, erklärt dazu der ehemalige Militärgeheimdienstchef Andor Sandor:
"Selbstverständlich hätte seine Identität niemals aufgedeckt werden dürfen, und zwar unabhängig davon, dass man strafrechtlich gegen ihn ermittelt hat. Es ist meiner Meinung nach ebenso wenig zu begrüßen, dass man heute von ihm spricht als einer Person, die verdeckt gearbeitet hat. Das ist schlecht und hätte nie an die an die Öffentlichkeit dringen dürfen."
Seit der Offenlegung seiner Identität fürchtet sich der ehemalige Geheimdienstoffizier nicht zu Unrecht vor Racheakten von Personen, auf die er seinerzeit angesetzt war. Deshalb hat er wiederholt versucht, bei seinem Ex-Arbeitgeber die Aufnahme des Prozesses zur Wiedereingliederung in das zivile Leben zu erwirken. Bisher vergeblich. Daher ist Liener nun vor Gericht gezogen. Das Ziel seiner Strafanzeige beschreibt sein Anwalt Petr Valis:
"Das Ziel der Strafanzeige ist die Durchsetzung eines Antrags meines Klienten bei seinem ehemaligen Arbeitgeber. Er fordert von diesem den Beginn des Prozesses zur Wiedereingliederung in das zivile Leben. Dieser Prozess würde gleichzeitig die Sicherstellung des persönlichen Schutzes meines Klienten umfassen. Dessen persönliche Sicherheit ist nämlich seit der Enttarnung seiner Identität durch seinen ehemaligen Arbeitgeber nicht mehr gewährleistet."
Der militärische Geheimdienst hat bislang zu all den Enthüllungen, die bei den polizeilichen Ermittlungen gemacht wurden, und zu den Vorgängen um seinen Ex-Mitarbeiter geschwiegen. Nun ist der Fall im Gerichtssaal gelandet. Aber auch dort will man ihn, den Worten von Gerichtssprecher Martin Velehrach zufolge, unter Ausschluss der Öffentlichkeit behandeln:
"Dazu kann ich nur konstatieren, dass der Prozess wegen des Charakters der Angelegenheit, die verhandelt wird, in der Tat unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführt wird. Weitere Auskünfte kann ich dazu auch nicht geben."