Falk Balzer: Zuzana Hejnová hat es verpasst, eine Legende zu werden

Zuzana Hejnová (Foto: Archiv des Tschechischen Olympischen Komitees)

Die diesjährige Leichtathletik-Saison ist schon vorüber. Auch die der tschechischen Hürdenläuferin Zuzana Hejnová. Ihre Saison war nicht schlecht, die Erwartungen aber waren größer.

Zuzana Hejnová  (Foto: Archiv des Tschechischen Olympischen Komitees)
Zuzana Hejnová ist seit Jahren die tschechische Top-Leichtathletin in den Laufdisziplinen. Die 30-jährige ist Weltmeisterin über 400 Meter Hürden der Jahre 2013 und 2015, und in den genannten zwei Jahren gewann sie ebenso die Gesamtwertung in der Diamond League. An diese Erfolge konnte sie in diesem Jahr jedoch nicht anknüpfen: Im WM-Finale in London wurde sie Vierte, im Finale der Diamond League kam sie mit nur vier Hundertstel Rückstand auf die US-Amerikanerin Dalilah Muhammad als Zweite ins Ziel. Dennoch erklärte Hejnová:

„Insgesamt war es eine gelungene Saison. Natürlich, immer hat etwas gefehlt, bei der WM habe ich die Medaille verpasst, in der Diamond League bin ich am Sieg knapp vorbeigeschrammt. Doch ich kann zufrieden sein.“

Auf einer Pressekonferenz Anfang September sagte sie vor Journalisten aber auch:

Falk Balzer  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Die Saison war sehr anstrengend für mich, sowohl physisch, aber vor allem psychisch. Es ist nämlich nicht ideal, mitten in der Saison den Trainer zu wechseln, doch mir blieb nichts anderes übrig.“

Der Trainer, mit dem Hejnová in die diesjährige Saison gestartet ist, war der Deutsche Falk Balzer. Ihre Zusammenarbeit begann im Oktober vorigen Jahres, und dies auch mit einem klaren Ziel, sagt Balzer:

„Angefangen hat es damit, dass Zuzana sich verändern wollte. Sie hat sich einen anderen Trainer gesucht, da sie schwere Probleme mit ihrer Achillessehne hatte. Zudem lief die letzte Saison nicht so gut für sie, und auch davor gab es schon diverse Ausfälle. Ihre Karriere durchlief also schon riesige Höhen wie auch enorme Tiefen. Auf dieser Grundlage haben wir begonnen. Wir haben uns das gegenseitige Vertrauen ausgesprochen und die Zielsetzung ausgeben, dass wir es gemeinsam schaffen können, den dritten Weltmeistertitel in Folge zu erreichen.“

Falk Balzer: „Wir haben uns das gegenseitige Vertrauen ausgesprochen und die Zielsetzung ausgeben, dass wir es gemeinsam schaffen können, den dritten Weltmeistertitel in Folge zu erreichen.“

Von seinem Vater Karl-Heinz Balzer, der ein sehr erfolgreicher Leichtathletik-Trainer war, und dem in Fachkreisen sehr geschätzten Sportmediziner Dieter Jungmichel hatte Falk Balzer ein ausgezeichnetes Rüstzeug mit auf den Weg bekommen. Sein fundiertes Wissen habe er dann auch in das Training von Zuzana Hejnová eingebracht, so Balzer:

„Von daher ist mir nichts fremd, was die Achillessehne betrifft. So konnte ich genau an dem Punkt in ihrem Körper ansetzen, der sofort angesprungen ist, so dass wir keinerlei Probleme mehr hatten. Es gibt mehrere Trainingssysteme. Ich habe dann eins davon auf sie projiziert. Das hat sofort Wirkung gezeigt. Damals war eigentlich allen schon klar, dass sie einen erstaunlichen Weg vor sich haben würde.“

Und zur Bestätigung seiner Worte ergänzt Balzer:

Zuzana Hejnová beim Training  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Ich habe sie in der Hallensaison immer mal wieder Tests durchführen lassen. Sie ist dabei binnen vier Tagen zwei Mal unter 52 Sekunden gelaufen. Da muss sich jeder Athlet doch fragen: Auf welchem Level bewege ich mich eigentlich? Und: Vielleicht trifft der Trainer ja genau diese Systeme, wo ich als Athlet nicht mehr so viel investieren muss wie früher, aber dennoch ein sehr gutes Ergebnis erziele – eines, was ich so noch nicht hatte.“

Eine Zeit von unter 52 Sekunden in der Halle, das hieße – auf die Freiluftbahn übertragen – neuer Weltrekord. Die aktuelle Bestzeit über 400-Meter-Hürden der Damen steht bei 52,34 Sekunden. Für Hejnová sah es in der winterlichen Vorbereitung auf die diesjährige Saison also sehr hoffnungsvoll aus: Sie lief schmerzfrei, hatte keine Probleme mit der Achillesferse, und sie lief vielversprechende Top-Zeiten. Am 10. Mai aber war die deutsch-tschechische Kooperation dann leider schon beendet. Zur Trennung von Falk Balzer sagte Hejnová vor wenigen Tagen:

Zuzana Hejnová und Falk Balzer  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Wir stimmten bei grundlegenden Dingen einfach nicht überein. Dazu kamen die sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten. Wir haben es oft nicht verstanden, dem anderen unsere Gedanken zu erklären. Deshalb einigten wir uns darauf, die Zusammenarbeit zu beenden. Zudem habe ich gespürt, dass mir das Training nicht wirklich liegt. In der Halle bin ich noch gut gelaufen, doch im Frühjahr setzte sich dieser Weg nicht fort. Deshalb musste ich eine Lösung für diese Situation finden.“

Die Lösung war ihre ehemalige Trainerin im Juniorenalter, Dana Jandová. Mit ihr begann Hejnová ab Juni zu trainieren, und mit ihr absolvierte sie auch ihre unmittelbare Vorbereitung auf die Weltmeisterschaft. Jandová habe aber schon früher ihren Einfluss auf die zweifache Weltmeisterin ausgeübt, behauptet Balzer:

Dana Jandová mit Zuzana Hejnová  (Foto: Ivana Roháčková,  ASC Dukla)
„Ich möchte nicht erklären müssen, dass ich nur zu sechzig Prozent arbeiten konnte, weil jemand anderes einen gewissen Einfluss ausgeübt und das ganze System zu Fall gebracht hat. Wenn der Trainer nicht mehr zu 100 Prozent das Sagen hat, kommt es immer zu Problemen. So gab es viele Änderungen, die schon bei der Hallen-EM angefangen haben. Viele Trainerkollegen oder auch andere Athleten haben zudem die tschechische Hallenmeisterschaft gesehen. Zuzana hat sich dort mit ihrer jetzigen Trainerin quasi um Kopf und Kragen geredet und war nicht mehr wie üblich vorbereitet. Sie hat plötzlich angefangen, sich anders als gewohnt aufzuwärmen. Die Trainerin hat Zuzana so von ihrem eigentlichen Weg abdriften lassen.“

Neben der Einflussnahme von Dana Jandová auf seinen Schützling sei Zuzana Hejnová auch in anderen Dingen nicht mehr offen und ehrlich zu ihm gewesen, schildert Balzer. In Prag habe sie im Frühjahr viele PR-Termine wahrgenommen, ohne ihm den wahren Grund zu nennen. Und auch insgesamt habe ihre Einstellung zum Training nachgelassen, so der 43-Jährige:

Zuzana Hejnová: „Wir stimmten bei grundlegenden Dingen einfach nicht überein. Dazu kamen die sprachlichen Verständigungsschwierigkeiten. Wir haben es oft nicht verstanden, dem anderen unsere Gedanken zu erklären.“

„Ich habe schnell gemerkt, dass die Konzentration bei Zuzana ein gewisses Problem ist. Nur geradeaus zu rennen ist eine einfache Angelegenheit. Aber wenn man Erfolge erzielen möchte, muss man auch mit den Gedanken dabei sein. Auch über diese Schiene wollte ich Effekte erzielen, die für die Sommersaison gut gewesen wären. Aus dem Grund war es schon gut, auf so einer abgelegenen Klitsche zu trainieren.“

Die „Klitsche“, von der Balzer sprach, ist der thüringische Ort Bad Lobenstein. In der Abgeschiedenheit der Kleinstadt trainiert Balzer auch deutsche Athletinnen. Mit Hejnová aber traf er gleich zu Beginn eine Vereinbarung:

„Anfänglich war der Rhythmus vierzehn Tage in Bad Lobenstein und eine Woche in Prag. Aufgrund mehrerer Gesichtspunkte waren wir dann aber nach dem ersten Trainingslager auf Teneriffa ab Beginn der Hallensaison nur noch in der Halle in Prag.“

Foto: Claudio Bianchi,  Pixabay / CC0
Dass Entgegenkommen von Balzer, mit ihr nun öfter in Prag zu trainieren, schien Hejnová aber nicht genug zu sein. Auf der Pressekonferenz im September in Prag sprach sie auch darüber, sich in Deutschland nicht wohl gefühlt zu haben:

„Der Aufenthalt in Deutschland war für mich anstrengend, das muss ich sagen. Schwer für mich war vor allem, dass ich dort ganz auf mich allein gestellt war. Ich lebte dort allein in einer Wohnung oder im Hotel, bin immer die zwei Stunden trainieren gegangen, und das war´s. Privat hatte ich dort keine Freunde, niemand verstand mich, das war für mich wirklich schwer.“

Über ihre Befindlichkeiten hat Hejnová indes offenbar nicht mit Trainer Balzer gesprochen – sondern wohl schon damals mit ihrer jetzigen Trainerin. Und Dana Jandová hat so auch versucht, in seine Arbeit reinzureden, deutet Balzer an:

Falk Balzer: „Ich bedaure, dass ich die Arbeit nicht weiterführen konnte. Andererseits ist es aber so, dass Menschen, die sich von anderen Leuten beeinflussen lassen, einfach mal ganz arg stolpern müssen. Zuzana hat es verpasst, eine Legende zu werden.“

„Wenn es Menschen gibt, die mit mir diskutieren wollen und dann behaupten, dass die alte Sprintstellung von Zuzana die beste für sie wäre, fehlt mir dahinter jegliche Logik. Zumal wenn sie dadurch nun mal unglaubliche Achillessehnenprobleme hat. So musste ich mir die Frage stellen, ob die Arbeit überhaupt noch etwas bringt. Denn sie wird nie mehr zu 100 Prozent funktionieren. Das ist dann der Punkt, wo man sagen muss: Ok, das war´s.“

Das Vertrauen zu Hejnová war nicht mehr da, von daher habe er die Zusammenarbeit beendet, betont Balzer. Ein Wermutstropfen aber bleibt zurück:

„Ich bedaure, dass ich die Arbeit nicht weiterführen konnte. Andererseits ist es aber so, dass Menschen, die sich von anderen Leuten beeinflussen lassen, einfach mal ganz arg stolpern müssen. Und sie ist gestolpert. Die Zeit wird nie wieder kommen. Sie hat es verpasst, eine Legende zu werden.“

Quelle: IAAF
Die entgangene Chance, mit seinem Ex-Schützling in London möglicherweise dessen dritten WM-Titel in Folge zu feiern, sei aber nur die eine Seite. Viel mehr getroffen habe ihn, was Zuzana Hejnová nach der Trennung in den Medien von sich gegeben habe:

„Sie ist von selbst auf die Medien zugegangen und hat sich der Öffentlichkeit als clevere Frau dargestellt. Die Begründungen, die sie genannt hat, haben nicht der Realität entsprochen. Das ist höchst unprofessionell, und das hat mich auch enttäuscht.“

Trotz aller Enttäuschung, der Zusammenarbeit mit Hejnová und dem tschechischen Leichtathletik-Verband konnte Falk Balzer auch eine Menge an positiven Erfahrungen abgewinnen:

„Der Tschechische Verband ist ohne Vorbehalte auf mich zugekommen. Ich habe mich dort gleich sehr wohl gefühlt. Das war alles sehr respektvoll. Für so eine Zusammenarbeit kann man nur dankbar sein. Ich kenne es auch anders. In Deutschland ist es ja eine Art Hauen und Stechen. Jeder will sich möglichst gut zu seinem Vorteil positionieren. Doch hier in Tschechien wird die Position des Trainers einfach akzeptiert. Das finde ich sehr gut. Und vielleicht ist das ja gerade der Schlüssel für den beachtlichen Erfolg des kleinen Landes.“

An vergangene Siege will auch Zuzana Hejnová wieder anknüpfen. Mit ihrer jetzigen Trainerin hat sie sich für das kommende Jahr ein klares Ziel gesetzt:

„Ich will vor allem gesund bleiben und dann natürlich die Europameisterschaft gewinnen. Das wäre ideal.“

Foto: Offizielle Facebook-Seite von Falk Balzer
Die Zusammenarbeit zwischen Zuzana Hejnová und Falk Balzer war dagegen alles andere als ideal. Dennoch zieht der Ex-Trainer ein positives Fazit:

„Für mich bleibt unter dem Strich: Ich habe in der Hallensaison etwas bewiesen. Dafür bin ich Zuzana auch dankbar. Für mich war es zudem ein großer Schritt nach draußen, um zu sagen: ´Mein Name ist Balzer, ich mache es mal richtig.´ Ich war mir sicher, dass ich jetzt so weit bin und es kann. Und den Beweis habe ich erbracht.“

Und die Tür zum tschechischen Leichtathletik-Verband wolle er auch nicht zuschlagen. Er könne sich, so Balzer, ein nochmaliges Engagement im Nachbarland durchaus vorstellen – allerdings nur unter einer Voraussetzung:

„Die Erfahrung, die ich gemacht habe, ist für ein Trainerleben eigentlich nicht aufzuwerten. Das ist sensationell. Man konnte sehen, welche Methodik und Herangehensweisen greifen und welche nicht. Ich habe schon diverse Kontaktanfragen. Und ich bin auch nicht abgeneigt, wieder mit tschechischen Athleten zusammenzuarbeiten, wenn es um Hürdenlauf oder die 400 Meter geht. Ein Grund dafür ist die relativ kurze Entfernung. Aber dann bitte auch ehrlich von Anfang an.“

Autor: Lothar Martin
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