Fast wie daheim: Tschechischer Staat will neue Form der Kindertagespflege fördern

Der Mangel an Krippen- und Kindergartenplätzen hindert immer noch viele Mütter in Tschechien, nach der Geburt ihres Kindes an ihren Arbeitsplatz zurückzukehren. Die sogenannte „nachbarschaftliche Kindertagespflege“ könnte zur Lösung des Problems beitragen.

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Die Kinder werden bei dem hierzulande neuen Konzept zu Hause in kleinen Gruppen betreut. Die Kindertagespflege, die in den deutschsprachigen Ländern von sogenannten Tagesmüttern beziehungsweise Tagesvätern geleistet wird, soll nun auch in Tschechien im Gesetz verankert werden. Laut dem neuen Vorschlag könnten kleine Gruppen von Kindern in der eigenen Wohnung betreut werden, was der Staat finanziell unterstützen würde. Der Vorschlag des Ministeriums für Arbeit und Soziales sieht vor, dass eine Gruppe aus maximal vier Kindern im Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren bestehen soll. Allerdings müssten die Tagesmütter beziehungsweise -väter mehrere Bedingungen erfüllen, meint Eva Davidová. Sie ist Sprecherin der Behörde und stellt einen Vergleich an zu den hierzulande bereits etablierten sogenannten „Kindergruppen“:

„Auch bei dem neuen Konzept gilt, dass die Person, die die Kinder betreut, eine pädagogische oder medizinische Ausbildung oder einen Kurs für Kinderbetreuer absolviert haben muss. Alle zwei Jahre steht für sie zudem ein Erste-Hilfe-Kurs an.“

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Daniela Celerýnová ist Vorsitzende der Vereinigung der Betreiber von Kindergruppen. Sie begrüßt den Vorschlag. Damit werde ein Modell legalisiert, das bereits in einer Grauzone existiere, meint sie:

„Die aktuelle Praxis wird nicht kontrolliert und nicht finanziell unterstützt. Ich fände es durchaus richtig, sie legislativ zu verankern, und dabei auch Bedingungen etwa für die Hygiene und Qualifikation festzulegen.“

Expertinnen für Vorschulerziehung warnen jedoch vor einigen Tücken dieser Art der Betreuung. Die geforderte Qualifikation reiche nicht aus, um Kinder mit besonderen Lernbedürfnissen – zum Beispiel mit Autismus-Spektrum-Störungen, Sprachbehinderungen oder einer fremden Muttersprache – angemessen zu fördern, sagt Barbora Loudová von der Pädagogischen Fakultät der Karlsuniversität in Prag:

„Wenn die Person, die das das Kind in einem frühen Alter betreut, nicht in der Lage ist, ihm entsprechende Anregungen zu bieten, stagniert das Kind in seiner Entwicklung. Gerade in dieser Zeit sind die Personalbedingungen einer Einrichtung entscheidend. Wir befürchten, dass die Qualifikation zur Tagesmutter ein Risiko für die Entwicklung der betroffenen Kinder darstellen kann.“

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Hana Splavcová ist Vorsitzende des Verbands für Vorschulerziehung. Sie ist der Meinung, dass vier Kinder im Alter von sechs Monaten bis sechs Jahren zu viel für eine Tagesmutter sind:

„Ich finde die Zahl zu hoch – vor allem für einen Laien mit einer minimalen Ausbildung. Die Gruppe von vier Kindern ist ziemlich groß. Zwischen den Kindern bestehen zudem große Alters- und Entwicklungsunterschiede, es handelt sich daher um eine sehr anspruchsvolle Disziplin.“

Barbora Loudová weist außerdem darauf hin, dass die Sicherheit der Kinder zu Hause gewährleistet sein muss:

„Die Sicherheitsanforderungen, die für einen Kindergarten gelten, sind hoch. Es gibt viele Details, so darf etwa kein Wasserkocher in den Räumen stehen. Angesichts dessen, was sich alles zu Hause befindet und wie anspruchsvoll es ist, auf ein ein- oder zweijähriges Kind aufzupassen, halte ich das Risiko für sehr hoch.“

Vom Ministerium ist vorgesehen, dass Angestellte der Kreisämter die Betreuungsperson und ihren Haushalt bei der Anmeldung des Dienstes überprüfen. Zudem wird vorgeschlagen, für die nachbarschaftliche Kindertagespflege die gleiche staatliche Beihilfe wie für bereits bestehende Kindergruppen auszuzahlen. Das sind etwa 11.000 Kronen (470 Euro) pro Monat für ein Kind unter drei Jahren und 6000 Kronen (250 Euro) für ältere Kinder. Die restlichen Kosten sollen von den Eltern getragen werden. Nach dem Plan des Sozialministeriums soll die nachbarschaftliche Kindertagespflege ab kommendem Jahr funktionieren.

Autoren: Markéta Kachlíková , Iva Vokurková
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