Filmmarkt in Tschechien: Weniger Kinobesucher, mehr illegale Downloads

Dieser Tage läuft im westböhmischen Karlovy Vary / Karlsbad das Internationale Filmfestival. Neben den Vorführungen diskutieren Vertreter der Filmindustrie über den Zustand und die zu erwartenden Entwicklungen in der Branche. Welchen Veränderungen unterliegt der Filmmarkt in Tschechien derzeit?

Die Corona-Krise wirkt noch spürbar nach – zumindest was die Besucherzahlen in den tschechischen Kinos betrifft. Im vergangenen Jahr wurden fünf Millionen Eintrittskarten weniger verkauft als noch im Vor-Pandemie-Jahr 2019. Und den Verlautbarungen zufolge setzt sich der Rückgang auch in diesem Jahr fort. Martin Palán ist Chef der Vertriebsfirma Bontonfilm und sagte in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:

Martin Palán | Foto: Karolína Němcová,  Tschechischer Rundfunk

„Als in der Corona-Pandemie die Kinos geschlossen waren, haben sich die Leute Alternativen gesucht. So haben sie gelernt, audiovisuelle Werke in einem anderen Umfeld zu konsumieren. Alle digitalen Plattformen haben damals einen Anstieg verzeichnet, die bekanntesten darunter Netflix, HBO oder Voyo. Für sie war dies ein Wendepunkt.“

Die Daten des Tschechischen Statistikamtes (ČSÚ) bestätigen das. Demnach haben aktuell 24 Prozent der Bevölkerung ab 16 Jahre ein Abonnement bei einem Onlinestreamingdienst. 2019 waren dies nur drei Prozent.

Den Niedergang der Kinos in Tschechien bedeutet dies allerdings noch nicht. Aufwendige Filmproduktionen, die ein effektreiches Seherlebnis garantieren, finden weiterhin ihre Zuschauer. „Avatar 2“ zum Beispiel haben in Tschechien fast 1,5 Millionen Menschen im Kinosaal gesehen. Vratislav Šlajer, Vorsitzender der tschechischen Produzentenassoziation für Audiovision, glaubt dann auch an eine funktionierende Koexistenz…

„In Tschechien haben wir einen sehr starken Kinomarkt. Es gibt Multiplexhäuser und auch Studiokinos mit einer durchdachten Dramaturgie, die sehr auf den Zuschauer abgestimmt ist. Es zeigt sich, dass sie mit den digitalen Diensten koexistieren können. Allerdings ändert sich die Struktur dessen, was sich die Leute im Kino anschauen und was online.“

Illustrationsfoto: jarmoluk,  Pixabay,  Pixabay License

Was aber auch in Tschechien inzwischen ausgedient hat, sind DVDs, Blue-ray-Discs und ähnliche physische Datenträger. Einst machte dieses Sortiment die Hälfte der Einnahmen von Bontonfilm aus. Die Verkaufszahlen gingen schon vor 2019 kontinuierlich zurück, die Pandemie sorgte dann aber für den endgültigen Einbruch. Das Unternehmen löste diese Abteilung in seinen Läden gleich zu Beginn des ersten Lockdowns auf.

Ersetzt werden diese Umsätze mit Lizenzverkäufen an das Digitalfernsehen. Damit verstärkt sich allerdings das Phänomen der Piraterie, also des illegalen Downloads von Filmen. Martin Palán beschreibt dies bezüglich der etwa 300 Filmneuheiten, die Bontonfilm momentan im Angebot hat:

„Diese 300 Filme werden auf den zehn größten Piratenportalen an einem einzigen Tag mit 556 Links angeboten. Ein Link entspricht einer Nutzung – jemand schaut sich diesen Film also an, ohne dafür zu bezahlen. Dadurch gehen unserer Firma jährlich mehrere Hundert Millionen Kronen verloren, der gesamte tschechische Markt hat Milliardenverluste.“

Obwohl die Menschen in Tschechien Filme inzwischen auf andere Weise anschauen, ändern sich die Vorlieben bei den verschiedenen Genres kaum. Im vergangenen Jahr war die erfolgreichste einheimische Produktion die Komödie „Vyšehrad: Fylm“. Aber auch hier gibt es neue Trends

„Es kommen Züge von Frechheit und Jugendlichkeit hinzu. Die gute alte romantisierende Komödie mit einem Hang zum Retro büßt an Popularität ein. Aber das ist eine Generationenfrage“, erläutert Vratislav Šlajer.

Noch gebe es also in Tschechien auch ein großes Publikum für die Klassiker, so der Verbandschef.

Autoren: Daniela Honigmann , Jana Klímová
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