Finanzminister Kalousek zweifelt Effizienz des Ausbaues von Temelín an
Der tschechische Ministerpräsident Petr Nečas ist derzeit zu Besuch in Russland. Ein Kernpunkt seiner Gespräche mit Präsident Wladimir Putin und Premier Dmitri Medwedew ist dabei der Ausbau des südböhmischen Atomkraftwerks Temelín. Das für die tschechische Energiesicherheit so wichtige Vorhaben ist hierzulande aber nicht mehr unumstritten. Vergangenen Freitag hat Finanzminister Miroslav Kalousek in einem Zeitungsinterview erstmals Zweifel an dem kostspieligen Prestigeobjekt angemeldet.
Zur Begründung seiner Zweifel führte Kalousek an, dass die gegenwärtigen Strompreise wesentlich niedriger seien, als ursprünglich angenommen. Dadurch sei die Sicherheit, dass sich der teure AKW-Ausbau auch amortisiere, zurückgegangen. Das habe letztlich auch dem Betreiber von Temelín, dem Energiekonzern ČEZ, erste Sorgenfalten ins Gesicht getrieben, so Kalousek:
„Wenn bei ČEZ keine Zweifel aufgekommen wären, dann hätte der Konzern vom Staat auch keine Bürgschaft verlangt – und zwar zumindest auf die Deckung der Differenz von den künftigen Marktpreisen zu den berechneten Preisen.“Eine solche aber könnte dem Staat und damit dem Steuerzahler teuer zu stehen kommen, resümierte Kalousek. Premier Nečas warf seinem Finanzminister daraufhin vor, er argumentiere wie ein Buchhalter, nicht wie ein Staatsmann. Der Buchhalter sei nur fähig, im Zeitrahmen eines Haushaltsjahres oder maximal einer Legislaturperiode zu denken, während der Staatsmann auch darüber zu befinden habe, wie es im Land zum Beispiel um das Jahr 2030 herum aussehen könnte. Industrieminister Martin Kuba schlug in die gleiche Kerbe:
„Wir reden hier über eine Investition, die auf zirka 50 bis 60 Jahre ausgerichtet ist und die man momentan, in einer Situation, in der der europäische Markt mit Elektroenergie quasi aufgehört hat zu funktionieren, nur schwer beurteilen kann. Dass die Strompreise gegenwärtig ziemlich niedrig sind, liegt daran, dass wir alle in Europa die erneuerbaren Energien subventionieren.“Wenn Europa auf diese Weise fortfahren werde, dann werde de facto kein einziger Investor mehr in der Lage sein, neue Energiequellen zu erschließen, die sich für ihn auch amortisieren, kritisierte Kuba. Beim geplanten Ausbau des Atomkraftwerks Temelín wolle man nun versuchen, die von den beiden Anbietern vorgelegten Baupreise nach unten zu drücken. Dafür gebe es mit Sicherheit noch Spielraum, sagte Minister Kuba. Sowohl die amerikanische Firma Westinghouse als auch das russisch-tschechische Konsortium MIR 1200 hätten Preise unterbreitet, von denen man sehr unangenehm überrascht worden sei, bestätigte Finanzminister Kalousek. Die von russischen Medien verbreitete Nachricht, die Vereinigten Staaten hätten Tschechien zur Unterstützung der Bewerbung von Westinghouse auch Jagdflugzeuge vom Typ F16 angeboten, aber bestritt Nečas gleich nach seiner Ankunft in Moskau. Man darf jedoch gespannt sein, welche Vorzüge ihm nun seine russischen Gesprächspartner für einen Vertrag zum Ausbau von Temelín anbieten werden.