Förderung erneuerbarer Energien – Verbraucher bezahlen Versäumnisse der Politik

Foto: Europäische Kommission

Kohle und Atom prägen den tschechischen Energiemix. Das galt fast uneingeschränkt, bis vor rund fünf Jahren der „Solarboom“ einsetzte. Doch dieser Boom endete unrühmlich, denn die Zeche zahlen mittlerweile die Verbraucher. Das hat der Rechnungshof jetzt bestätigt – und er hat den Politikern große Versäumnisse vorgeworfen. Ein Wirtschaftsanalytiker führt die Kritik noch weiter und sagt, dies sei die Ursache dafür, dass Tschechien mittlerweile jegliche Anstrengungen für eine Energiewende aufgegeben habe.

Miloslav Kala  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Der tschechische Rechnungshof gilt als unabhängig. Umso schwerer wiegt seine Kritik. In der vergangenen Woche nahmen die Beamten die Förderung von erneuerbaren Energien unter Beschuss. Laut den Berechnungen der Behörde dürften sich die gesamten staatlichen Vergütungen für diese Energieträger bis zum Jahr 2030 auf etwa eine Billion Kronen aufsummieren. Umgerechnet sind das etwa 36 Milliarden Euro. Und zahlen müssen das vor allem die Verbraucher über die Stromrechnung. Miloslav Kala ist Präsident des Rechnungshofes. Im Interview für das Tschechische Fernsehen rechnete er vor, dass die Mittel des Staates dabei höchst ineffektiv eingesetzt würden und dass dies größtenteils auf die Kappe der Solarenergie gehe.

Foto: Europäische Kommission
„Im Jahr 2013 hat die Photovoltaik 66 Prozent der gesamten Vergütungen für erneuerbare Energien erhalten, trug aber nur mit 22 Prozent zur Produktion regenerativer Energie bei. Der Grund ist das extreme Wachstum bei der Photovoltaikleistung in den Jahren 2009 und 2010, die Zuwachsrate lag damals bei über 2000 Prozent. Das war nicht nur im Vergleich zu anderen erneuerbaren Energieträgern enorm, sondern auch im Verhältnis zu den Zahlen des Solarbooms in anderen Ländern wie zum Beispiel Deutschland, Österreich oder der Slowakei. Dort waren die Steigerungsraten angemessener und lagen bei 300 bis 500 Prozent. Das zeigt, welches Problem bei uns entstanden ist. Und dafür werden wir in den kommenden 20 bis 30 Jahren zahlen müssen“, so Kala.

Foto: Barbora Němcová
Den Schuldigen hat der Rechnungshof ebenfalls ausgemacht: Es sind die Politiker. 2005 verabschiedete die damalige sozial-liberale Koalition das erste tschechische Erneuerbare-Energien-Gesetz. Doch dann verschliefen die rechtsliberale Regierung von Mirek Topolánek und, nach deren Sturz, besonders das Interimskabinett von Jan Fischer die Entwicklung auf dem Markt für Solartechnologien. Deswegen betont der Präsident des Rechnungshofes:

„Ich würde sagen, dass der Staat versagt hat. Dieses Phänomen nennt sich Rent-Seeking, also die Lobby-Arbeit einer Branche in der Politik, um die Verteilung von Subventionen zu ihren Gunsten zu erreichen. Konkret lief das so ab, dass im Gesetz über die erneuerbaren Energien von 2005 die damaligen Bedingungen auf dem Markt zugrunde gelegt wurden. Als dann aber die Investitionskosten in die Solartechnologie rapide sanken, hat der Staat in den Jahren 2008 und 2009 nicht auf die Entwicklung reagiert. In der Photovoltaik lag der Kostenrückgang bei bis zu 40 Prozent. Der Staat kannte zwar die Zahlen, doch seine Institutionen waren schlecht vernetzt, so garantierten zum Beispiel die Energieregulierungsbehörde und das Industrie- und Handelsministerium unabhängig voneinander hohe Vergütungsbeiträge. Und das summiert sich nun zu der fürchterlichen Rechnung von einer Billion Kronen für die Steuerzahler und Verbraucher auf.“

Miloš Cihelka  (Foto: Archiv des Verbandes der Solarindustrie)
Während sich deswegen eigentlich die Politiker rechtfertigen müssten, kommt der lauteste Aufschrei aber aus der Solarindustrie. Denn die Branche ist hierzulande in Verruf geraten. Mittlerweile hat sich der Begriff „Solarbarone“ etabliert – damit werden abschätzig jene bezeichnet, die sich mit der Sonnenkraft eine goldene Nase verdient haben. Die Betreiber von Photovoltaikanlagen glauben jedoch, dass der Rechnungshof falsch gerechnet hat. So wurde ihnen ab 2011 eine rückwirkende Steuer auferlegt, wodurch sie reell insgesamt 20 Milliarden Kronen (740 Millionen Euro) weniger erhalten haben. Außerdem verweisen die Betreiber auf die externen Kosten der fossilen Brennstoffe. Miloš Cihelka ist Sprecher des Verbandes der Solarindustrie:

Michal Šnobr  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Wenn man zum Beispiel die Berechnungen der Prager Karlsuniversität nimmt, dann liegen die Schäden an Sachen und Gesundheit durch die Nutzung fossiler Brennstoffe bei 50 Milliarden Kronen jährlich. Bis 2030 summiert sich das auch auf eine Billion Kronen auf. Und gerade die erneuerbaren Energien senken die Nutzung von fossilen Brennstoffen.“

Mit solchen Rechnungen scheinen sich die Politiker hierzulande aber nicht zu beschäftigen. Dabei bestätigt mit Michal Šnobr auch einer der renommiertesten Wirtschaftsanalytiker des Landes, dass gerade sie in der Schuld stünden und nicht die angeblich so gierige Solarbranche:

Foto: Europäische Kommission
„Im Grunde können wir die Unternehmer in der Solarindustrie überhaupt nicht verantwortlich machen. Damals begannen Leute aus den unterschiedlichsten Wirtschaftsbereichen, in der Solarindustrie tätig zu werden, denn der Staat hatte sehr günstige Bedingungen dafür geschaffen. Wer also ein Grundstück besaß und die nötigen finanziellen Mittel, der baute eine Photovoltaikanlage. Das heißt, die Unternehmer haben einfach auf die guten Renditen geschaut. Die einzigen Schuldigen sind die Politiker, die die entsprechenden Voraussetzungen dafür zu verantworten haben, dass wir bis 2030 insgesamt eine Billion Kronen werden bezahlen müssen.“

Nachdem sich die tschechischen Politiker ihre Hände an der Sonne verbrannt haben, scheuen sie das Feuer. Das heißt, es gibt kaum mehr jemanden, der sich für die erneuerbaren Energien stark macht – auch nicht in der aktuellen Mitte-Links-Koalition. Das hält Michal Šnobr aber nicht für sonderlich schlau.

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„Nach dem Solarboom in den Jahren 2009 und 2010 wurde der Ausbau der erneuerbaren Energien in Tschechien praktisch eingestellt. Im Unterschied zu anderen Ländern der Europäischen Union warten wir eigentlich nur ab, was weiter geschehen wird. Uns fährt der Zug so langsam davon. In Deutschland entwickelt sich beispielsweise der Ausbau der erneuerbaren Energien relativ gut und ist auch der Motor des technischen Fortschritts in diesem Sektor. Und dort liegt gerade der Vorteil der erneuerbaren Energien: Die Anschaffungskosten für die entsprechenden Technologien sinken ständig. Würden hierzulande neue Projekte bei den Erneuerbaren gestartet, lägen die Vergütungen längst nicht mehr so hoch wie 2009 und 2010. Bei Windkraftanlagen herrschen beinahe schon Marktbedingungen wie für klassische Kraftwerke.“

Foto: Archiv Radio Prag
Auch von außen kommt wenig Druck auf Tschechien, um sich beim Ausbau der regenerativen Energien wieder mehr anzustrengen. Durch den Solarboom sind hierzulande die Vorgaben der Europäischen Union bis 2020 schon erreicht. Mit Brüssel ist ausgehandelt, dass die Erneuerbaren Energien hierzulande im genannten Jahr insgesamt 13 Prozent am Bruttoendenergieverbrauch ausmachen sollen. Im vorvergangenen Jahr lag der Anteil bereits leicht darüber. An den europäischen Durchschnitt kommt Tschechien damit jedoch nicht heran: Der bewegte sich 2013 bei 14,1 Prozent.