Forschung und Familie verbinden: Ein tschechisch-österreichisches Akademikerpaar in Prag

Dominik Kriegner und Helena Reichlová

Helena Reichlová und Dominik Kriegner sind zwei junge Wissenschaftler und Mitarbeiter des Instituts für Physik an der tschechischen Akademie der Wissenschaften in Prag. Sie sind nicht nur Kollegen in der Abteilung für Spintronik und Nanotronik, sondern auch Partner in ihrem Privatleben.

„Wir beschäftigen uns mit der fundamentalen Eigenschaft von Elektronen, dem Spin, und damit verbunden auch viel mit magnetischen Eigenschaften von Materialien. Wir sind beide Experimentalphysiker, das heißt, wir machen Experimente mit diesen Materialien. Ich bin mehr bei der Materialsynthese eingebunden und Helena eher bei den Experimenten, die die Eigenschaften der Stoffe studieren.“

Dominik Kriegner | Foto: René Volfík,  FZU

Soweit Dominik Kriegner. Die Spinelektronik beziehungsweise Spintronik sei ein etabliertes Gebiet, wo seit Jahrzehnten versucht werde, den Spin als zusätzliche Eigenschaft der Elektronen in der Elektronik funktional einzusetzen, erläutert er:

„Die konventionelle Elektronik, also die Mikroelektronik, wie wir sie heute in Computern und Telefonen vorfinden, basiert größtenteils auf der Ladung des Elektrons – diese Teilchen bewegen sich, und damit fließt Strom. Die Spinelektronik versucht, die zusätzliche Eigenschaft des Spins auszunutzen. Da gibt es auch schon ein paar Paradebeispiele, wie dies bereits seit längerem verwendet wird. In Festplatten mit magnetischen Speichern gibt es die Leseköpfe, die alle auf Spintronik-Eigenschaften basieren. 2007 gab es einen Nobelpreis für die Entdeckung des Effekts, der den Lesekopf ermöglicht hat. Und wir versuchen dies nun immer weiter zu treiben, um mehr Funktionalität in der Mikroelektronik durch Spin-Eigenschaften aufzupeppen oder zu ersetzten.“

Der Spin als zusätzliche Eigenschaft der Elektronen

Natürlich sind die Experimente nicht ohne hochmoderne Technik möglich. Helena Reichlová beschreibt Geräte, die das Paar für die Arbeit braucht:

Helena Reichlová | Foto: René Volfík,  FZU

„Dominik besitzt seine große teure Maschine, in der die Tests mit den Proben der speziellen Materialien gemacht werden. Zudem betreiben wir Nanolithografie. Wir haben eine Elektronenstrahllithografie-Anlage und stellen mikroskopisch kleine Bauteile her, die nur ein paar Nanometer oder Mikrometer groß sind. Diese Bauteile bringen wir in einen Kryostat, messen die Spannung und beobachten, wie sie sich in Bezug auf Strom, Magnetfeld oder Temperatur verändert.“

Das Fachgebiet von Helena Reichlová ist die so genannte Spin-Kaloritronik. Im Idealfall würde dieser Bereich helfen, die allgegenwärtige Abwärme zu nutzen und zu energieeffizienteren Informations- und Kommunikationstechnologien beizutragen.

„Das ist mein Lieblingsbereich. Meistens gebrauchen die Menschen nur elektrischen Strom. Ich nutze aber auch den Temperatur-Gradient und kann den Spin-Strom mit Wärme kontrollieren. Dadurch bin ich nicht auf die Leiter beschränkt, sondern kann auch Isolatoren und andere Materialien studieren. Ich möchte diesen Energieaspekt ebenfalls in unsere Arbeit bringen. Der Wärme- und Energieverbrauch ist meiner Meinung nach eine sehr wichtige Angelegenheit in unserer Welt.“

Dominik Kriegner | Foto: Jana Plavec,  Divize vnějších vztahů SSČ AV ČR,  CC BY-SA 3.0 CZ

Dominik Kriegner studierte Physik an der Johann-Kepler-Universität in Linz und war nach seiner Promotion unter anderem an der Karlsuniversität in Prag, am Max-Planck-Institut und an der Technischen Universität Dresden tätig. Seit 2016 arbeitet er mit dem Institut für Physik der tschechischen Akademie der Wissenschaften zusammen. Von der Institution wurde er 2021 mit dem Lumina- quaeruntur-Preis ausgezeichnet. Dank diesem kann er nun eine neue Forschungsgruppe an der Abteilung für Spintronik und Nanoelektronik aufbauen. Ziel ihres Projekts ist es, neue Materialien und Phänomene mit Potenzial für die Spintronik zu finden. Dabei dient ihnen das so genannte Lorentz-Elektronenmikroskop, das speziell für die magnetische Abbildung mit atomarer Auflösung entwickelt wurde.

„Dies ist eine Magnetron-Sputter-Anlage. Darin synthetisieren wir dünne Filme, die eben jene Spezialeigenschaften haben, die wir studieren wollen. Die Hochvakuumkammer ist ein metallisches Gerät, das wir im Inneren so rein wie möglich halten. Turbomolekularpumpen schaffen darin ein sehr niedriges Vakuumniveau. Und dann haben wir diese Magnetron-Quellen: Ein Gas wird eingelassen, das Plasma entzündet, die Atome treffen auf die Quellenmaterialien, schlagen Atome raus, und diese setzen sich wieder auf unsere Substrate ab. Das ein sehr heikles Gerät mit vielen Attributen, die sozusagen nur mit Samthandschuhen angefasst werden sollen.“

Sie empfinde dies immer ein bisschen wie Alchemie, ergänzt die Forscherin. Man könne nicht alles immer auf die gleiche Wiese durchführen, und es sei oft eine Überraschung, was rauskomme.

Forschung und Familie

Helena Reichlová arbeitet seit Frühjahr dieses Jahres am Institut für Physik und ist Gastforscherin und Dozentin an der TU Dresden. Sie studierte an der Fakultät für Mathematik und Physik der Karlsuniversität. Nach der Verteidigung ihrer Dissertation über antiferromagnetische Spintronik verbrachte sie mit ihrer Familie einen vierjährigen Postgraduierten-Aufenthalt in Dresden. Sie hat eine Reihe angesehener Auszeichnungen erhalten – vom tschechischen Wissenschaftspreis „Česká hlava“ (Tschechischer Kopf) über das Fulbright-Stipendium bis hin zum Preis der American Physical Society für herausragende Gutachter wissenschaftlicher Arbeiten.

Helena Reichlová | Foto: MŠMT

Die Familie mit zwei Kindern im Alter von sechs und drei Jahren ist im Frühjahr aus Deutschland nach Prag zurückgekehrt. Für die Zukunft planen die Eltern, hier zu bleiben und an der Akademie der Wissenschaften zu arbeiten. Helena Reichlová:

„Für uns ist es wichtig, in guter Atmosphäre und an guten Projekten zu arbeiten und nicht weit weg von unseren Familien zu sein. Diese leben in Prag und in Österreich. Dresden war darum logisch für uns. In Amerika wiederum gibt es starke Forschungsgruppen, zu denen manche Leute gehen wechseln. Aber das war nichts für uns. Amerika ist zu weit von Prag entfernt.“

Helena und Dominik sind zunächst mit einem kleinen Baby nach Deutschland gegangen. Das zweite Kind kam dann in Dresden zur Welt. Paradoxerweise sei es für das Forscher-Paar einfacher gewesen, im Ausland zu arbeiten als hierzulande, betont Reichlová. Sie beschreibt die Bedingungen:

Dominik Kriegner und Helena Reichlová | Foto: Markéta Kachlíková,  Radio Prague International

„Kita und Kindergarten sind in Deutschland für Kinder ab einem Jahr möglich, wir konnten unseren Sohn und unsere Tochter also dorthin schicken. Das ist viel einfacher als hier. In Tschechien müssen wir einen Privatkindergarten zahlen. Jetzt haben wir glücklicherweise den akademischen Kindergarten, aber es ist für uns wirklich nicht einfach. Bei einer wissenschaftlichen Arbeit ist gut, dass wir immer flexibel planen und am Abend oder am Wochenende im Büro sein können.“

Darum sei es praktisch, dass beide Wissenschaftler sind, ergänzt Dominik Kriegner:

„Beide haben wir flexible Möglichkeit, uns die Arbeit einzuteilen. Wir haben uns ergänzt. Auf Dauer ist das vielleicht nicht gesund, aber man kann es eine Zeit lang machen. Die Arbeit macht uns Spaß, wir identifizieren uns mit ihr vielleicht mehr als viele andere Leute. Es ist sehr wichtig, dass man glücklich mit seiner Arbeit ist. In dem Sinne sind wir gerne Wissenschaftler, und das klappt auch mit der Familie gut.“

Das Abenteuer des Entdeckens

Und was macht sie so glücklich mit dieser Arbeit? Was ist das Spannende daran?

„Man hat jeden Tag neue Probleme, die man lösen muss. Genau das fasziniert mich: dass nämlich nicht vorhersehbar ist, was kommt, und man auf sein eigenes Wissen angewiesen ist, um die Probleme zu lösen“, sagt Dominik Kriegner. Und Helena Reichlová fügt hinzu: „Ich mag dieses Abenteuer, dass man eine ganz neue Sache entdecken kann. Vor fünf Jahren haben die Leute etwa bestimmte Dinge noch nicht gewusst, die Grenze des Wissens wird jedes Jahr neu gesetzt. Ich mag diesen Pionier-Aspekt.“