Fotograf Josef Sudek - Die traurige Landschaft Nordböhmens

Josef Sudek cerca de la ciudad de Most, 1960 (Foto: Bohdan Kopecky)

"Traurige Landschaft" heißt eine Ausstellung, die zurzeit im Kaiserlichen Pferdestall auf der Prager Burg gezeigt wird. 128 schwarz-weiße Panoramabilder eines der bedeutendsten Fotografen des 20. Jahrhunderts, Josef Sudek, hängen dort in mildem Licht, das ihnen keinen Schaden zufügen kann. Markéta Kachlíková lädt Sie zur Besichtigung der Fotoausstellung ein.

"Es ist eine traurige Landschaft. Ich mache nicht gern lustige Landschaften. Weil lustige immer lustig und immer gleich sind. Aber die traurige Landschaft hat viele Variationen. Mehr traurig und weniger traurig und noch mehr traurig - und damit kann man etwas anfangen."

Mit der traurigen Landschaft ist in diesem Zitat von Josef Sudek die Gegend Nordböhmens gemeint, die Ende der 50er Jahre des vergangenen Jahrhunderts drastische Veränderungen erlebte und in ein Braunkohlerevier verwandelt wurde. Die verwüstete, von der Industrie geprägte Landschaft; das Schleifen der alten Stadt Most/Brüx und weiterer Gemeinden, die neuen Gruben weichen mussten; Ruinen, Halden, Fabriken und Fördertürme; tote Natur. 128 Panoramabilder aus der Region des nordböhmischen Braunkohlebeckens wirken auf den Betrachter völlig anders als schöne Bilder der bekannteren Serie "Panorama Prag" und Sudeks typische arrangierte Stillleben. Über die Stellung des Fotoensembles aus Nordböhmen im Gesamtwerk Sudeks spricht der Kurator der Ausstellung und einer der besten Sudek-Kenner, Antonín Dufek:

"Diese Kollektion stellt in Sudeks Werk einen Gegenpol zu seiner Romantik, zu seinen schönen Traumbildern dar. Die meisten Fotos aus dieser Kollektion sind sehr asketisch, sie sind der Alttäglichkeit, der alltäglichen Landschaft gewidmet, nicht nur dem Schönen, sondern auch dem Hässlichen, das man in der Region Most sehen konnte. Ich würde sagen, dass einige davon, zum Beispiel die Bilder von Halden, so radikal sind, dass man auch in der heutigen Kunst, die wirklich schon alles ausstellt, dazu kaum etwas Vergleichbares findet. Es ist hervorragend, dass Sudek dies schon vor einem halben Jahrhundert gesehen hatte."

Josef Sudek fotografierte die nordböhmische Landschaft zwischen den Jahren 1957 und 1962.

"Er kam zusammen mit dem Maler Bohdan Kopecký dorthin. Dieser war damals einer der radikalsten Maler, die sich vom sozialistischen Realismus abgeneigt haben. Bohdan Kopecký pflegte öfter dorthin zu fahren. Wie er schreibt, fuhr er mit Sudek auf einem Motorrad nach Nordböhmen und zeigte ihm Orte, von denen er meinte, dort könnten interessante Fotos gemacht werden. Das war die erste Phase. In der zweiten Phase hat der Redakteur Dalibor Kozel Sudek aufgenommen. Sie haben zusammen eine Makette zum Buch vollendet, das allerdings in jener Zeit nicht herausgegeben wurde."

Eigentlich sollten die Bilder in einem Buch mit dem Namen "Nordlandschaft" veröffentlicht werden. In den 50er Jahren des 20. Jahrhunderts war es allerdings nicht zulässig, im Zusammenhang mit dem sozialistischen Industrieaufbau von einer traurigen Landschaft bzw. einer ökologischen Katastrophe zu sprechen, und so konnte das Buch erst ein halbes Jahrhundert später erscheinen. Bis dahin ruhten diese Fotos zum Großteil in Vergessenheit und wurden auch von Experten nur ausnahmsweise erwähnt. Antonín Dufek von der Mährischen Galerie in Brünn, in deren Besitz sie sich heute befinden:

"Die Fotos, die ganze Makette, alles blieb bei Dalibor Kozel. Er war ein Redakteur des Nordböhmischen Verlags, der das Buch herausgeben sollte. Im Jahr 1978 kam Dalibor Kozel mit uns in Kontakt. Unsere Galerie hat dann unter beträchtlichen Schwierigkeiten die ganze Makette gekauft."

Danach mussten allerdings noch weitere 15 Jahre vergehen, bis man Geld für die Restaurierung der Fotos fand. Sie waren auf hässliche rosafarbige Kartons geklebt und mussten von diesen zunächst abgenommen werden. Nachdem dies gelungen war, konnten sie innerhalb eines Jahres endlich ausgestellt werden. Mitte der 90er Jahre fand die erste Vernissage in der Mährischen Galerie in Brünn statt, später folgten Ausstellungen in weiteren tschechischen Städten, aber auch in Berlin, München, im dänischen Aarhaus und in Plauen. In Prag wird die Kollektion zurzeit zum ersten Mal gezeigt, wobei gleichzeitig ein Nachdruck des Buches erscheint. Der Tatsache, dass die Fotos ursprünglich für ein Buch und in Zusammenarbeit mit einem Verlagsredakteur entstanden waren, verdanken wir noch etwas: nämlich dass sie genau datiert und lokalisiert sind. Sudek selbst machte so etwas nicht:

"Er datierte die Fotos mit einem Spielraum von plus minus 20 Jahren, je nach dem, mit welcher Kamera sie gemacht wurden. Aber hier wissen wir genau das Jahr, und wir wissen auch, dass Sudek sich dort immer im Sommer aufhielt und fotografierte. Dalibor Kozel machte sich die Arbeit, dass er alle Orte bestimmte. Andererseits muss gesagt werden, dass Sudek die Bilder nicht auf diese Weise präsentiert hätte, es lag ihm nicht so sehr daran. Wir führen die Bestimmung nur als Begleitinformation an, im Buch steht eine Liste von Orten und Daten ganz hinten. Die Fotos tragen nur Nummern, damit nichts die Betrachtung stört. Man kann die Angaben hinten aber finden, und deshalb glaube ich, dass die Fotos ein wertvolles Material auch für andere Wissenschaftsbereiche sein können."

Die Region Most wurde ganz absichtlich in einem zerstreuten, grauen Licht fotografiert. Wie zeitlebens, hat Sudek auch dort eine Plattenkamera mit Großbildnegativen benutzt und Panorama-Bilder gemacht:

"Die Frage, warum er das Panorama-Landschaftsfoto nutzte, finde ich sehr bedeutend. Wenn jemand nämlich in der Gegend um Most mit einem normalen Fotoapparat fotografieren würde, würde immer nur ein Ausschnitt entstehen. Man kann so etwas Hässliches oder etwas Schönes fotografieren, wobei sich gleich daneben aber etwas anderes befindet, was auf dem Foto nicht mehr zu sehen ist. Das Landschaftspanorama zeigt dagegen einen so großen Ausschnitt der Landschaft, so dass wir uns sicher sind, dass dort nichts mehr verborgen bleibt. Als ob das Panoramafoto sozusagen das Ethos der Wahrhaftigkeit auf dem Foto wieder herstellen würde. Heute, in der Ära digitaler Fotos, können wir an nichts mehr glauben. Aber diesen Fotografien von damals meiner Meinung nach doch."

Wie war eigentlich das Verhältnis des Künstlers zu der fotografierten Landschaft? Das ist meine letzte Frage an den Kurator der Ausstellung, Antonín Dufek:

"Er hat sicher die Schönheit fotografiert. Er schaute die Landschaft sicher nicht mit Abscheu an. Das sollten wir uns keinesfalls vorstellen. Und was weiter ohne Zweifel ist: Er sah die Landschaft mit den Augen der Leute, die ihn dorthin gebracht haben. Und diese Leute waren mit der Landschaft eng verbunden, sie liebten sie, sie kämpften für sie. Er teilte eigentlich ihr Verhältnis dazu."

Die Ausstellung "Traurige Landschaft" ist bis zum 20. März im Kaiserlichen Pferdestall auf der Prager Burg zu sehen.

Fotos: (c) Anna Farova. Aus den Sammlungen der Mährischen Galerie in Brno