František Kmoch – der „König des Marsches“ aus Böhmen

Foto: David Sedlecký, CC BY-SA 3.0

Die meisten jungen Leute können mit Blasmusik nur wenig anfangen. Bei Älteren hat dieses Musikgenre aber immer noch viele Fans. Unumstritten ist jedoch, dass die Blasmusik zur tschechischen Kultur gehört. Namhafte Komponisten und Liedermacher wie Kmoch, Hašler, Vejvoda, Vacek, R. A. Dvorský oder Valdauf legen davon ein Zeugnis ab. Am 30. April hat sich der der Todestag des wohl ältesten böhmischen Blasmusik-Stars gejährt. Denn vor 105 Jahren starb František Kmoch. Ein Porträt des „Königs des Marsches“.

František Kmoch  (Foto: Public Domain)
Seit 1990 besteht in Kolín der „Verein der Freunde František Kmochs“. Denn der Komponist und Dirigent stammte aus der Nähe und hat viele Jahre in der mittelböhmischen Stadt gelebt und gearbeitet. Die Mitglieder des Vereins sind selbstverständlich Liebhaber der Kmochschen Blasmusik und propagieren sie. Allen voran die ehemalige Lehrerin und Vorsitzende des Vereins Ludmila Bílá:

„Kmoch stammte aus der Familie eines Schneiders und war das älteste von fünf Kindern. Sein Vater Jakub Kmoch war leidenschaftlicher Klarinettist. Die Mutter Josefa sang ihren Kindern gerne Volkslieder vor. Für František gehörte die Musik also zum Alltag. Er selbst fing an der Volksschule in seinem Heimatort Zásmuky mit dem Geigenspiel an. Schon als Schüler komponierte er auch seine ersten Stückchen. Außer der Liebe für die Musik hat den kleinen Jungen auch die sanft geformte Landschaft an der Elbe geprägt, mit ihrer gelassenen Schönheit. Dies spiegelt sich in seinen Kompositionen wieder. Sie wirken entspannend und haben nicht die Extravaganz, die es damals in der Musik auch gab. Seine Kompositionen sind liebevoll dank ihres harmonischen Klangs. Wo er es für wichtig hielt, hat er die Bedeutung der Liedtexte auf geniale Weise durch eine passende Melodie noch verstärken.“

Lehrauftrag vernachlässigt

Ludmila Bílá  (Foto: Archiv von Ludmila Bílá)
Laut Bílá forderte Kmochs Musiklehrer von seinen Schülern, ein sicheres Gefühl für den Rhythmus aufzubauen. Und dies habe der spätere Blasmusik-Star in allen Kompositionen zur Geltung gebracht. An der Realschule in Kolín spielte Kmoch in einem Schülerquartett. Danach studierte er ein Jahr am sogenannten Lehrerkolleg in Prag. Mit 20 Jahren übernahm Kmoch seine erste Stelle als Lehrer in einer Dorfschule unweit von Kolín. Daneben musizierte er in verschiedenen Ensembles und gab auch Musikunterricht in besser situierten Familien, um sein bescheidenes Lehrergehalt etwas aufzubessern.

František Kmoch blieb aber nicht lange an der Schule. Nach vier Jahren wurde er angeblich wegen „grober Vernachlässigung des Lehrauftrags“ suspendiert. Die Annahmen gehen dahin, dass dahinter seine unverhohlene Sympathie für die national orientierte Turnbewegung Sokol (Falke) gestanden hat.

Kmoch-Büste auf der Kmoch-Insel  (Foto: Archiv des Tschechischen Rundfunks - Radio Prag)
Kmoch wurde nun Berufsmusiker. Er zog nach Kolín um und gründete 1871 dort sein erstes Ensemble. Anfangs bestand es nur aus acht Musikern. Doch schon zwei Jahre später trat es in größerer Besetzung als „Sokol-Blasorchester“ auf. Kurz darauf wurde er zum städtischen Kapellmeister ernannt. Dabei blieb es nicht. Er gründete auch eine private Musikschule in der Stadt. František Kmoch brauchte Geld, um eine Familie gründen und ernähren zu können. Als er mit 32 Jahren seine Frau Josefa, genannt Pepička, heiratete, hatten sie schon eine Tochter. Ihr folgten noch weitere vier. Es dauerte allerdings fast zehn Jahre lang, bis seine Musikschule die staatliche Anerkennung erhielt. Aus ihren Erträgen konnte Kmoch später teilweise auch seine Musiker bezahlen. Diese verdienten ansonsten ihr Geld zum Beispiel als Schneider oder Metzger, einige waren auch arbeitslos. Ladislav Jouza, Historiker am Regionalmuseum in Kolín:

„Für Kmochs Ensemble war charakteristisch, dass seine Musikanten sowohl auf Blas- als auch auf Streichinstrumenten spielen konnten. Um dem wachsenden Interesse gerecht zu werden, teilte Kmoch sein Orchester in kleinere Musikergruppen auf, die selbständig bei verschiedenen Anlässen landesweit auftreten konnten. Zum Repertoire gehörte auch Opernmusik von Bedřich Smetana, Antonín Dvořák und anderen in- und ausländischen Komponisten. Doch nicht immer lief alles reibungslos. Es kam nicht selten vor, dass einige Orchestermitglieder unzufrieden waren mit dem Honorar und lieber zur Konkurrenz wechselten. Auch František Kmoch selbst hatte nicht immer Grund zur Zufriedenheit. Sein Jahresgehalt, das er von der Stadt Kolín bezog, betrug 150 Gulden. Manch seiner Branchenkollegen bekam das Doppelte. Die Stadträte von Kolín hielten die Bezahlung aber für mehr als genug.“

Auftritte bis nach Nowgorod

Gebäude des Sokol-Vereins in Kolín  (Foto: Google Street View)
Von großer Bedeutung für das Renommee der Blaskapelle erwies sich ihr erster Auftritt in Prag im Jahr 1873. Das geschah beim tschechischen Fest zum 100. Geburtstag des namhaften Sprachwissenschaftlers Josef Jungmann. Darauf wurde das Ensemble überhäuft mit Einladungen sowohl nach Prag und als auch in viele weitere Städte des Königsreichs Böhmen und Mähren. Oft handelte es sich um Ausflüge und Feste von Verbänden des Sokol oder Bälle. Für Kmochs Blasorchester war dies ein kometenhafter Aufstieg. 1884 reiste es in das polnische Krakau.

„Der Initiator der Aktion war der Sokol-Verein von Kolín, dem sich nachfolgend mehrere Dutzend weitere Schwesterorganisationen anschlossen. Die Zahl der Teilnehmer lag letztlich über Eintausend. Mit dabei war auch das Kmoch-Orchester, das beim Aufritt in Krakau seinem guten Ruf gerecht wurde. 1886 folgte ein Besuch in Budapest, der auf positive Resonanz beim ungarischen Publikum traf. Am weitesten reiste die Kmoch-Blaskapelle 1896, und zwar nach Nowgorod in Russland. Zu der Zeit fand dort die Allrussische Industrie- und Handwerksausstellung statt. Das Orchester konzertierte allerdings nicht wie gehofft auf dem Messegelände. Es war vertraglich gebunden, drei Monate in einem Hotel zu spielen. Das einzige Open-Air-Konzert gab es bei der Durchfahrt des Zaren durch die Stadt.“

František Kmoch mit seim Orchester
Jouza zufolge wandten sich die Honoratioren aus Nowgorod an den tschechischen Kapellmeister mit der Aufforderung, auch ungarische Csárdas und Wiener Kompositionen zu spielen. Kmoch habe dies jedoch überrascht, sagt der Historiker. Er hätte gehofft, das Publikum vor allem mit slawischen Weisen ansprechen zu können. Doch das sei nicht immer der Fall gewesen.

Volkslieder im Marschrhythmus

Um das Jahr 1900 zählte Kmochs Orchester rund 60 bis 70 ständige Musiker. Hinzu kamen rund 20 freie Mitspieler. Es war also ein stattliches Ensemble. Auf einmal regnete es an Angeboten aus vielen Städten für ein dauerhaftes Engagement, doch Kmoch blieb „seinem“ Kolín treu. Als Gast jedoch nahm er Einladungen gerne an, nur nach Amerika wollte er nie reisen.

Kmoch wurde aber auch kritisiert. Vor allem dafür, dass er mehrere tschechische Volkslieder neu als Märsche arrangierte. Zum Beispiel das bekannte Volkslied „Andulka šafářova“, das unter dem deutschem Titel „Andulka Marsch“ bekannt wurde. Ladislav Jouza:

Foto: Archiv von Hudební e-knihkupectví
„Für Kmoch war dies ein Bedürfnis. Und trotz der kontroversen Wahrnehmung in der Öffentlichkeit haben seine Bearbeitungen von Volksliedern auch etwas Positives. Der blasmusikalische Marsch-Rhythmus hat meiner Meinung nach dazu beigetragen, dass diese Volkslieder populär wurden und nicht in Vergessenheit geraten sind. Volkslieder sind auch bestimmt nicht unantastbar. Kmoch selbst war überzeugt, das Bewusstsein für die Volkslieder als wichtigem tschechischen Kulturgut auf diese Weise zu stärken.“

Schlechte Soldaten, gute Musikanten

In der Habsburger Monarchie entstanden im Lauf des 19. Jahrhunderts viele Militärorchester. Daran, dass einige berühmt wurden, hatten nicht selten Kapellmeister aus den böhmischen Ländern großen Anteil. Gut musikalisch ausgebildet und praxiserprobt setzten sich viele Tschechen als Musiker durch. Und das auch als Dirigenten von Militär-Orchestern. Damals hieß es sogar, die Tschechen seien zwar die schlechtesten Soldaten, aber die besten Musikanten. Die Militär-Orchester wurden letztlich zum Vorbild für viele „zivile“ Musikensembles. Geleitet wurden sie oft von erfahrenen, ausgedienten Musikern der Militärorchester.

Blasmusikfestival „Kmochův Kolín“  (Foto: David Sedlecký,  CC BY-SA 3.0)
In der tschechischen Bevölkerung nahm das Interesse an feierlicher, energischer und auch melodischer Marschmusik ständig zu. Gefragt war aber auch ein genuin tschechisches Repertoire. Davon hing auch die Beliebtheit des jeweiligen Ensembles ab. František Kmoch hat diesen Trend mit Verve aufgegriffen. Und seine Märsche wurden mit Begeisterung aufgenommen.

Kmoch leitete 40 Jahre lang mit hohem Einsatz sein Orchester. Dies schlug sich dann auf seine Gesundheit nieder. Ab seinem 60. Geburtstag verlor er relativ schnell seine Seh- und Hörkraft. Hinzu kamen Probleme mit dem Herz. Am 30. April 1912 starb der tschechische „König des Marsches“, als der er oft bezeichnet wird, im Alter von 64 Jahren. Er hat ein musikalisches Werk von über 500 Kompositionen geschaffen. Leider sind nur rund 230 von ihnen erhalten. Viele davon werden bestimmt beim 54. Internationalen Blasmusikfestival „Kmochův Kolín“ (Kmochs Kolín) zu hören sein. Es findet zwischen dem 9. und 11. Juni statt. Natürlich in Kolín.