Freud versus Ziegen
Ein ungewöhnliches Duell hat sich vor einer Woche in Prag abgespielt: Ziegen versus Sigmund Freud. Und es sei auch gleich gesagt, der namhafte Psychoanalytiker hat verloren.
Der Prager Magistrat hat vor einiger Zeit einen Beschluss gefasst: Auf dem so genannten Kozi placek, dem Ziegengrund in der Prager Altstadt soll Sigmund Freud lebensgroß an einem Tisch sitzend eine Dominante werden. Eine Plastik von dem Bildhauer Michael Gabriel im Wert von einer Million Kronen ( rund 33.000 Euro). Dass der Begründer der Psychoanalyse auch in die Agenda der Prager Stadtväter vorgedrungen war, kann man schon nachvollziehen. Schließlich wurde unlängst Freuds 100. Geburtstag weltweit begangen und noch dazu wurde der Jubilar im österreichisch-monarchisch-mährischen Pribor geboren. Dass aber der Analytiker von Menschenseelen als Statue ausgerechnet auf dem Prager Ziegengrund platziert werden soll, dafür hat das einfache Volk wenig Verständnis bekundet.
Wie sich bald zeigte, könnten sich viele eher Ziegen als Freud auf dem kleinen Platz vorstellen. Einer von ihnen, ein gewisser Stanislav Penc, Bürgerrechtler und Ziegenzüchter, hat dies auch veranschaulicht: Statt auf die Weide trieb er seine Ziegen auf den Ziegengrund. Die von Penc initiierte Protestpetition mit 160 Untershriften von Anwohnern des Stadtteils war für das Rathaus des 1. Statdtbezirks ein Anlass, ein Referendum zu veranstalten, in dem sich die in den umliegenden Straßen lebenden Prager äußern sollten. Es fand am Freitag, dem 13. April statt. Der "Wahlraum" in der Masna-Straße war eingerichtet wie bei einer echten Parlamentswahl und auch das Wahlprozedere mit dem Abhaken der Wählernamen in der Namensliste wirkte durchaus echt. Und das Resultat?
Von den 4488 wahlberechtigten Stadtbürgern haben 258, also 5,7 Prozent, am Referendum teilgenommen. Drei Viertel von ihnen votierten gegen das Freud-Denkmal. Obwohl das entsprechende Gesetz die Teilnahme von einer Mehrheit der Wahlberechtigten an einem Referendum vorschreibt, um sein Ergebnis als ausschlaggebend zu betrachten, will das Rathaus von Prag 1 dem Magistrat gegenüber seine negative Position zur Freud-Plastik mit dem erreichten Ergebnis nun untermauern. In diesem Zusammenhang bietet sich die Frage an:Haben die Beamten überhaupt daran gedacht, dass sie einen derart fatalen Tag für den lokalen Volksentcheid und zugleich das historisch allererste Referendum in der tschechischen Hauptstadt auswählten? Schließlich gilt ja dem Aberglauben nach die Kombination eines Freitags mit dem 13. Tag im Monat als ausgesprochener Pechtag.
Nun, ob das dürftige Resultat des Referendums am Datum lag, ist natürlich schwer zu beurteilen. Es steht jedoch fest, dass sich Herr Freud in absehbarer Zeit nicht auf dem Ziegengrund umschauen wird. Vielleicht sollte man im Prager Magistrat doch auf die bisher bescheidene Stimme des Volkes hören, die beim Referendum zu verstehen gab: Man habe nichts gegen Sigmund Freund und auch nicht gegen sein Denkmal, dieses sollte aber anderswo stehen.