Früherer Auschwitz-Häftling Oldřich Stránský gestorben

Oldřich Stránský (Foto: ČTK)

In seinem bewegten Schicksal widerspiegelt sich die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Der Holocaust-Überlebende Oldřich Stránský beteiligte sich an den Verhandlungen über die Entschädigung der Nazi-Opfer. Er setzte sich zudem für die tschechisch-deutsche Versöhnung ein. Am vergangenen Freitag ist Oldřich Stránský im Alter von 93 Jahren in Prag gestorben.

Oldřich Stránský  (Foto: ČTK)
Oldřich Stránský wurde 1921 im nordböhmischen Most / Brüx geboren. Er stammte aus einer sprachlich gemischten jüdischen Familie. Die Familie zog Mitte der 1920er Jahre nach Český Brod um, wo Vater Stránský das Familiengeschäft übernahm. Oldřich Stránský wurde dort Mitglied einer Pfadfindergruppe. Die Pfadfinder-Erfahrungen haben ihn seinen Worten zufolge das ganze Leben lang beeinflusst. In einem Gespräch für das Webportal „Paměť národa“ hat Oldřich Stránský seine Familie vor einigen Jahren so beschrieben:

„Wir waren in Anführungszeichen eine typisch tschechische Familie. Mein Vater wurde tschechisch erzogen und besuchte eine tschechische Schule. Meine Mutter wurde deutsch erzogen und besuchte in Most eine deutsche Schule, weil es dort keine anderen Schulen gab. Dabei waren wir jüdischer Abstammung. Mein Vater war der Meinung, dass ich meine Religion selbst wählen soll, sobald ich 17 Jahre alt bin und Vernunft haben werde. Doch ich warte bis heute, dass ich vernünftig werde, um mich einer Glaubensgemeinschaft anzuschließen.“

Foto: Archiv des Portals „Paměť národa“
Die Nazi-Okkupation war für Familie Stránský eine Katastrophe. Oldřich musste mit 19 Jahren die Maschinenbauschule verlassen und fing an als Hilfsarbeiter zu arbeiten. 1943 wurde er nach Theresienstadt geschickt, und noch im selben Jahr nach Auschwitz. Insgesamt durchlief er fünf Konzentrationslager. Die Befreiung erlebte er im April 1945 im KZ Sachsenhausen. Den Krieg überlebte er als einziger aus der ganzen Familie.

Oldřich Stránský widerstand dem Druck, der auf ihn von den Kommunisten ausgeübt wurde – er trat der kommunistischen Partei niemals bei. Nach 1948 arbeitete er als Konstrukteur. Nach der Wende von 1989 engagierte er sich stark bei den Verhandlungen über die Entschädigung der Opfer des Nazi-Regimes. Er war Mitglied des vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds eingerichteten Diskussionsforums. Stránský war zudem Vorsitzender der Vereinigung befreiter politischer Häftlinge und war im Verband der Freiheitskämpfer aktiv.

Oldřich Stránský: „Es gibt keine Gerechtigkeit auf Erden“  (Foto: Verlag Böhlau)
Stránský bemühte sich um eine Verbesserung der tschechisch-deutschen Beziehungen. Für sein Engagement wurde er 2009 mit dem Verdienstkreuz erster Klasse der Bundesrepublik Deutschland ausgezeichnet. Der ehemalige KZ-Häftling nahm an vielen tschechisch-deutschen Treffen sowie an den Prager Kundgebungen gegen Antisemitismus teil. Er besuchte sehr oft Schulen und diskutierte mit den jungen Menschen über seine Erlebnisse. In einem Interview für den Tschechischen Rundfunk aus dem Jahr 2009 erklärte er:

„Wir wollen nicht, dass über diese Dinge aus dem Grund erzählt wird, weil wir Helden wären. Darum geht es nicht. Wir wollen, dass keine weitere Generation das erlebt, was wir durchgemacht haben. Wir wissen, dass wir nicht mehr lange leben werden. Ich sage manchmal: Gott ließ uns überleben, damit wir darüber erzählen konnten, was einst geschehen ist.“

Seine Erinnerungen fasste Oldřich Stránský in einem Buch zusammen. Das Buch mit einem Vorwort von Präsident Václav Havel erschien 2010 in deutscher Übersetzung mit dem Titel „Es gibt keine Gerechtigkeit auf Erden“.