Fußball-EM: Ganz Tschechien begeistert von eigener Elf

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In Brüssel ist also die europäische Verfassung endlich festgeklopft worden, doch in Tschechien interessiert dies zurzeit nur wenige Menschen. Denn ein ganz anderes "europäisches Thema" steht momentan ganz oben an: die Fußball-Europameisterschaft. Und seit vergangenen Samstagabend ist diese EM im ganzen Land zwischen Erzgebirge und Beskiden ein richtiger Hit. Was Wunder, hat doch das Spiel gegen die Niederlande halb Europa vom Hocker gehauen. Lothar Martin berichtet.

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"Ein phantastisches Spiel! Wir kommen weiter!", "Ein toller Abend bescherte uns das Viertelfinale!", "Das war eine Ode an den Fußball!" - mit diesen und anderen Superlativen überhäuften die tschechischen Tageszeitungen am Montag das Spiel der tschechischen Kicker gegen die Niederlande, das am Samstagabend im portugiesischen Aveiro mit einem 3:2-Sieg für die eigenen Lieblinge endete. Zu Recht! Denn diese Partie wird von ihrer Klasse, ihrem Tempo und vor allem vom dramatischen Spielverlauf her mit Sicherheit einen würdigen Platz in den Annalen des europäischen Fußballs finden. Zur Erinnerung: Die tschechische Mannschaft lag gegen die Holländer schon nach 19 Minuten mit 0:2 in Rückstand. Besonders das Gegentor zum 0:1 - das erste innerhalb der zurückliegenden zweieinhalb Jahre nach einer Standardsituation - tat weh. Das bestätigte auch Linksverteidiger Marek Jankulovski:

"Der Beginn des Spiels verlief nicht nach unseren Vorstellungen. Das erste Tor fiel nach einer Standardsituation. Es war ein vermeidbares Tor, da niemand den langen Pfosten abgesichert hatte. Und auch dem zweiten Tor ging, ähnlich wie gegen die Letten, ein unnötiger Ballverlust im Mittelfeld voraus. Doch danach, so denke ich, haben wir uns aufgerappelt. Besonders wichtig war der Anschlusstreffer zum 1:2. Ich denke, in der zweiten Halbzeit haben wir schon hervorragend gespielt und uns verdient als Gruppen-Erster das Weiterkommen gesichert."

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In der Tat, ganz wichtig für den spannenden Spielverlauf war das schnelle Anschlusstor durch Jan Koller in der 23. Minute. Was aber sagte der Schütze selbst zu seinem Tor, das eine lange Torflaute bei ihm im Nationaldress beendete:

"Ich habe mir vor dem Spiel gesagt, wenn ich heute gegen Holland kein Tor schieße, dann ist das schon schlecht für mich. Denn gegen die Holländer läuft es immer gut bei mir, ich glaube ich habe bisher immer gegen sie einen Treffer erzielt. Auch heute wieder, als mir Milan Baros wunderbar aufgelegt hatte, so dass ich den Treffer einfach machen musste. Ich denke, dass war ein ganz wichtiger Moment, als wir das Anschlusstor erzielt haben, denn nach dem unangenehmen Beginn sind wir wieder ins Spiel zurückgekehrt und danach wurde ein phantastischer Fußball gezeigt".

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Und noch einer meldete sich zu Wort, der eine überragende Partie im defensiven Mittelfeld geboten hatte - der tschechische "Fußball-Mozart" Tomás Rosický:

"Das Spiel ging hin und her, eine Chance jagte die andere. Ich denke, das war für alle Fußballfans ein phantastisches Spiel. Alle, die uns nach der Leistung gegen die Letten kritisiert haben, mussten nun erkennen, was dieses Ergebnis wert ist, denn die Deutschen spielten gegen sie nur unentschieden. Und nun einen 0:2-Rückstand gegen die Holländer aufzuholen, ich glaube, das können nur große Teams. Ich denke, dass wir einen großen Teamgeist haben."

In der Tat, mit dieser Einstellung können es Tschechiens Fußballer ähnlich weit bringen wir vor acht Jahren in England, als sie der Bundesrepublik Deutschland im EM-Finale gegenüber standen. Leider wurde diese Partie seinerzeit durch das "Golden goal" von Oliver Bierhoff mit 1:2 verloren. Doch daran denkt vor dem letzten Gruppenspiel gegen den alten Erzrivalen keiner mehr. Im Gegenteil, die hiesige Fußball-Euphorie hört sich aus dem Munde eines in Portugal weilenden tschechischen Fans schon fast zu überschwänglich an:

"Ha, ha, Hauptsache die Holländer fahren gemeinsam mit den Deutschen bald nach Hause! Ahoj Mami!"