Fußball: Hohe Fehlerquote dämpft EM-Erwartungen in Tschechien

Am kommenden Freitag ist es endlich soweit: Mit dem Eröffnungsspiel Frankreich – Rumänien beginnt die 15. Europameisterschaft im Fußball. Unter den 24 EM-Teilnehmern ist auch die tschechische Mannschaft, sie ist damit zum fünften Mal in Folge bei der Endrunde dabei. Doch die Erwartungen in das Team um Kapitän Tomáš Rosický sind diesmal etwas gedämpft.

Finale 1996 (Foto: YouTube)

Die Tschechische Republik ist bereits Stammgast bei der Fußball-Europameisterschaft. Seit der Trennung von der Slowakei im Jahr 1993 hat die Nationalmannschaft des Landes keine einzige Endrunde verpasst. Und in jedem zweiten der zurückliegenden fünf EM-Turniere haben die Tschechen mehr oder minder für Furore gesorgt. Vor 20 Jahren bei der EM in England drangen sie sogar bis ins Finale vor, damals unterlagen sie im Londoner Wembley-Stadion der deutschen Mannschaft erst durch das legendäre „Golden Goal“ von Oliver Bierhoff mit 1:2. Acht Jahre später spielten die Schützlinge des damaligen Nationaltrainers Karel Brückner den wohl schönsten und mitreißendsten Offensivfußball des gesamten Turniers, scheiterten allerdings im Halbfinale an der damals unter Trainer Otto Rehhagel außerordentlich perfektionierten Defensivtaktik der Griechen – gegen den späteren Europameister verlor man mit 0:1 durch das „Silver Goal“ durch Traianos Dellas. Vor vier Jahren bei der EM in Polen und der Ukraine hat Tschechien spielerisch zwar nicht gerade geglänzt, doch nach Siegen über Griechenland und Polen kam die Mannschaft immerhin als Gruppensieger bis ins Viertelfinale. Dort war jedoch nach dem 0:1 gegen Portugal in Warschau Endstation.

Tomáš Rosický: „In unserem Spiel gibt es einige sehr positive wie auch noch sehr negative Dinge. Wir müssen unsere Fehler jedoch abstellen, sonst haben wir keine Chance.“

In der Qualifikation zur diesjährigen Europameisterschaft setzte sich Tschechien in der Gruppe A unter anderem gegen die Türkei und die Niederlande durch. In zehn Begegnungen erkämpften die Spieler von Trainer Pavel Vrba 22 Punkte, verloren nur zweimal und wurden schließlich Gruppensieger. Ist das ein Anzeichen dafür, dass von der tschechischen Mannschaft bei der Endrunde in Frankreich wieder etwas Großes zu erwarten ist? Wohl eher nicht. Denn die drei Testspiele in der unmittelbaren EM-Vorbereitung haben gezeigt, dass die Tschechen noch keine Konstanz in ihren Leistungen gefunden haben. Dem mühelosen 6:0 über den krassen Außenseiter Malta folgte zwar ein beachtenswerter 2:1-Sieg über Russland, doch zum Abschluss setzte es am Sonntag eine 1:2-Niederlage in Prag gegen Südkorea. Und dabei offenbarte sich: Eine schwache erste Halbzeit wie gegen Russland und Südkorea lässt sich nicht jedes Mal so ohne weiteres reparieren. Gegen Russland konnten die Tschechen das 0:1 nach 45 Minuten noch in einen 2:1-Sieg drehen, gegen die Südkoreaner aber wurden die Fehler der ersten Hälfte härter bestraft. Den zwei Toren der Gäste vor der Pause konnten die Tschechen diesmal nur einen Glückstreffer von Verteidiger Marek Suchý entgegensetzen – sein Schuss wurde von einem Koreaner unglücklich in die vom Torwart entlegene Ecke abgefälscht. Trainer Vrba war dann auch nicht sonderlich erfreut über die schwache Vorstellung seiner Schützlinge vor dem Seitenwechsel:

2:1-Sieg über Russland (Foto: ČTK)

„Ich stimme dem Urteil zu: Die erste Halbzeit war so schlecht wie gegen Russland. Das heißt, unser Aufbauspiel war zu schleppend und kompliziert, der Gegner hat die Räume eng gemacht und immer wieder versucht, uns früh zu attackieren. Und wir haben keine Antwort darauf gefunden.“

Kapitän Tomáš Rosický bekannte danach, dass man das Spiel durch eigene Fehler verloren habe:

„Die Tore, die Südkorea erzielt hat, haben wir dem Gegner geschenkt. Beim ersten Treffer haben wir den Ball am gegnerischen Strafraum unnötig vertändelt. Daraus entwickelte sich ein schneller Konter, den wir durch ein Foul vor unserem Strafraum unterbinden mussten. Der Koreaner erzielte jedoch dann ein herrliches Freistoßtor. Und dann folgte mein schlimmer Fehler. Ich bin auf den Ball getreten, ein Koreaner spitzelt ihn weg, und der Gegner bestraft das wieder. Einige Fehler aus dem Russland-Spiel haben sich heute wiederholt.“

Petr Čech: „Aus der Niederlage gegen Südkorea lernen wir, dass man in jedem Spiel an die Grenzen seiner Möglichkeiten gehen muss, um zu gewinnen. Aber wenn ‚die Kiste klemmt wie heute‘, ist das der Beleg dafür, dass wir stets sehr konzentriert agieren müssen.“

Das ist auch Trainer Vrba nicht entgangen. Und erst recht nicht, dass die gravierendsten Fehler ausgerechnet den Routiniers wie Jaroslav Plašil, Petr Čech und zuletzt eben Tomáš Rosický unterlaufen sind. Der 52-jährige Coach aber nahm dies relativ gelassen zur Kenntnis:

„Jaroslav Plašil hat heute keinen Fehler gemacht, daher rechne ich damit, dass dies Rosický beim nächsten Mal auch nicht mehr passiert. Ich denke, beide lernen daraus, es sind erfahrene Spieler. Und wenn sie diese Fehler nur in den Testspielen machen, dann ist das für mich eine gute Nachricht (für die EM).“

Rosický indes warnt davor, durch die bisher häufigen Fehler die eigenen Ambitionen beim EM-Turnier zu gefährden:

„In unserem Spiel gibt es einige sehr positive wie auch noch sehr negative Dinge. Auf der anderen Seite muss man sehen: Es sind unsere Fehler, und die können wir selbst beheben. Das ist besser, als vielleicht konstatieren zu müssen, dass der Gegner uns permanent überlegen ist und wir spüren, dass wir da nicht mithalten können. Wir müssen diese Fehler jedoch abstellen, sonst haben wir keine Chance.“

Petr Čech (rechts). Foto: ČTK

Und auch Torhüter Petr Čech, der bei beiden Gegentoren nahezu chancenlos war, gibt zu bedenken, dass man sich bei der EM wird steigern müssen. Auf die Frage, welche Lehren er und die Mannschaft jetzt aus der Niederlage gegen Südkorea ziehen, antwortete der Schlussmann des FC Arsenal:

„Vor allem bedeutet dies, dass man in jedem Spiel an die Grenzen seiner Möglichkeiten gehen muss, um zu gewinnen. In diesem Spiel wollten wir an die erfolgreichen Ergebnisse der zwei vorherigen Partien anknüpfen. Aber wenn ‚die Kiste klemmt wie heute‘, dann ist das der Beleg dafür, dass wir stets sehr konzentriert agieren müssen. Dass uns dies gegen Malta und Russland dann auch gelungen ist, hat nichts zu bedeuten.“

Uli Stielike: „Spanien kann den EM-Titel gewinnen, die Tschechen werden an der Europameisterschaft teilnehmen.“

Trainer Pavel Vrba hat natürlich ebenfalls aus den drei Testspielen seine Lehren gezogen, besonders aber aus den Begegnungen mit Russland und Südkorea. Auch wenn er nicht konkret wurde, so äußerte sich Vrba doch ein wenig klarer auf die Frage, wie denn seine Startformation für das erste EM-Spiel der Tschechen gegen Titelverteidiger Spanien aussehen könnte:

„Wie ich bereits gesagt habe, in den zweiten Halbzeiten der Begegnungen mit Russland und Südkorea hat sich meine Mannschaft in einem ganz anderen Licht gezeigt als in den jeweils ersten Halbzeiten beider Spiele. Daher wird es Sie sicher auch nicht verwundern, wenn ich sage, dass die Akteure, die jeweils nach dem Seitenwechsel gespielt haben, nun die größeren Chancen auf einen Starteinsatz gegen Spanien haben als die Spieler, die davor auf dem Platz standen.“

Tomáš Rosický (Foto: ČTK)

Doch egal, wer gegen Spanien letztlich aufläuft, mit dem Titelverteidiger sowie den Mannschaften von Kroatien und der Türkei hat das tschechische Team in der Gruppe D ziemlich dicke Brocken zugelost bekommen. Und mit den Iberern wartet am kommenden Montag in Toulouse gleich die wohl schwerste Aufgabe auf Rosický & Co. Wie es der Zufall so will, hat das Team aus Südkorea binnen vier Tagen gegen die beiden Kontrahenten gespielt: Am vergangenen Mittwoch unterlagen die Asiaten den Spaniern in Salzburg sehr deutlich mit 1:6, gegen Tschechien aber gelang ihnen am Sonntag der wertvolle 2:1-Auswärtssieg.

Uli Stielike (Foto: Doha Stadium Plus Qatar, CC BY 2.0)

Seit 2014 trainiert Uli Stielike die Südkoreaner. Der ehemalige Abwehr- und Mittelfeldspieler weiß, wie man eine Europameisterschaft gewinnt. 1980 ist ihm das im Trikot der deutschen Nationalmannschaft gelungen, 1982 wurde er mit der DFB-Auswahl Zweiter der Weltmeisterschaft. Auf die Frage, wie er denn die EM-Chancen der Spanier und Tschechien anhand seiner jüngsten Eindrücke einschätze, antwortete der 61-Jährige kurz und bündig:

„Spanien kann den EM-Titel gewinnen, die Tschechen werden an der Europameisterschaft teilnehmen.“