Gartenkommune Pastvina: ein schöner Ort für alle

Foto: Martina Pokorná, Archiv des Tschechischen Rundfunks

Tomaten aus eigenem Anbau oder Eier von den eigenen freilaufenden Hühnern. Für viele Städter ist das weit weg. Der Gemeinschaftsgarten Pastvina im Prager Vorort Vinoř will den Menschen aus den Betonwüsten der Hauptstadt die Natur wieder ein Stück näher bringen. Dabei geht es aber um viel mehr.

Illustrationsfoto: Martina Pokorná,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
Vom Prager Stadtzentrum ist man in einer guten halben Stunde in Vinoř. Nach einem kleinen Spaziergang an zwei malerischen Weihern vorbei wird man schon bald von Hahnengeschrei und Pferdewiehern begrüßt – man steht mitten im Gemeinschaftsgarten Pastvina, das bedeutet auf Deutsch so viel wie Weide. Anna Havlová leitet das Projekt. Mittlerweile sei aber etwas mehr aus der Pastvina geworden als nur ein Schrebergarten für alle, erklärt die gebürtige Pragerin:

„Die Pastvina ist ein Gemeinschaftsprojekt, das ursprünglich als Gartenanlage angefangen hat. Hier sollten Menschen aus der Nachbarschaft zusammenkommen, etwas anbauen und zusammen sein. Mit der Zeit ist es außerdem eine Herberge für gequälte Tiere geworden, wir haben hier Hühner aus Käfighaltung, misshandelte Schafe oder ein Schwein, das der Besitzer nicht mehr haben wollte. Wir wollen also ein guter Ort sein für Menschen, für Tiere, einfach für alle.“

Anna Havlová  (Foto: YouTube Kanal HitHit)
Anna Havlová ist eigentlich im Zentrum Prags aufgewachsen, sie ist also ein richtiges Stadtkind. Wie kommt man da dazu, aufs Land zu ziehen und ein Projekt wie die Pastvina zu starten?

„Angefangen hat alles damit, dass ich in der Nähe von Prag einen Stall gesucht habe. Als ich keinen adäquaten Ort finden konnte, habe ich gemeinsam mit meinem Freund ein Grundstück gekauft, dort sind zuerst ein Pferd und später mehrere Pferde untergekommen. Dann kam aber die Frage auf, was wir denn mit dem ganzen Mist machen sollen. Hier fing die Gartenarbeit an, und wir haben den Mist als Dünger genutzt. Schon bald konnten wir uns nicht mehr alleine um die ganzen Beete kümmern und haben die Nachbarn eingeladen, einfach mitzumachen.“

Landluft für Stadtkinder

Gemeinschaftsgarten Pastvina  (Foto: YouTube Kanal HitHit)
Tomaten, Kohlrabi, Salat – die kann man sich auf der Weide in Vinoř in speziellen Kästen ziehen. Davor muss man aber Mitglied des Vereins Pastvina werden:

„Man unterschreibt unsere Satzung und bekommt dann ein Beet zugewiesen. Dieses kann man sich dann gerne personalisieren, entweder mit Zetteln oder irgendwelchen Keramiktieren – da drüben sehen wir einen Frosch oder eine Maus. Im Beet selbst kann man dann alles anbauen, was man will, solange es sich um legale Pflanzen handelt natürlich.“

Die Zielgruppe ist dabei klar. In erster Linie sollen Menschen aus der nahegelegenen Plattenbausiedlung im Prager Stadtteil Kbely die Möglichkeit bekommen, in der Erde zu wühlen und frische Landluft zu schnappen:

Gemeinschaftsgarten Pastvina  (Foto: YouTube Kanal HitHit)
„Die Menschen von dort kommen mit der Familie hierher, gießen ihre Radieschen und sind einfach draußen. Wir sind zwar hier auf dem Dorf, doch die Plattenbauten sind gleich um die Ecke. Im Grunde sind es die üblichen Kaninchenställe. Und die Möglichkeit, mit Freunden im Freien zu sitzen, ist für die Menschen dort sehr wertvoll. Die Leute helfen uns mittlerweile auch viel bei der Arbeit.“

Doch auch die Menschen aus Vinoř selbst würden gerne auf die Pastvina kommen, meint Havlová, selbst wenn sie daheim schon einen Garten hätten. Sie würden dann beim Feuer beisammensitzen und sich einfach mit ihren Nachbarn treffen. Und am Ende wird man ja auch belohnt:

Gemeinschaftsgarten Pastvina  (Foto: YouTube Kanal HitHit)
„Wir als Verein dürfen natürlich keinen Gewinn generieren und das Ergebnis unserer Arbeit eigentlich auch nicht verkaufen. Unsere Unterstützer – ob nun arbeitstechnisch oder finanziell – bekommen aber trotzdem etwas von uns im Laufe des Jahres. Das können Marmeladen sein oder aber Obst und Gemüse von unseren eigenen Beeten.“

Ein umstrittener Trend

Gemeinschaftsgärten sind in Tschechien seit den Nuller Jahren ein Trend. Mittlerweile haben beispielsweise zahlreiche Prager Stadtteile ihren Bürgern Flächen zur Verfügung gestellt, auf denen diese Gemüse oder Blumen anpflanzen können. Man orientiert sich an Vorbildern aus den USA, wobei man keine geschlossenen Gemeinschaften wie bei deutschen Schrebergarten-Kolonien schaffen möchte. Dennoch spalten die gemeinschaftlichen Äcker die Politik, unter anderem der zweite und der dritte Prager Stadtbezirk haben vergleichbare Projekte im Keim erstickt. Der öffentliche Raum sollte nicht privatisiert werden, heißt es da immer wieder. Wie steht aber der Prager Vorort Vinoř zum Projekt Pastvina?

Prag-Vinoř  (Foto: Aktron,  Wikimedia Commons,  CC BY-SA 4.0)
„Die Gemeinde unterstützt uns sehr, und mittlerweile sind vier Gemeinderäte Mitglied in unserem Verein. Aber auch der Bürgermeister hilft uns viel. Der Verwaltung gefällt vor allem, dass wir unser Privatgrundstück der Gemeinschaft zur Verfügung stellen. Deshalb kam von der Kommune nicht nur ein Klopfen auf die Schulter, sondern auch eine Finanzspritze, damit wir weiterhin nachbarschaftliche Aktivitäten organisieren können.“

Dem Team um Anna Havlová und ihrem Freund ist es sogar gelungen, mehr Unterstützung von der öffentlichen Hand zu gewinnen:

„Ganz aktuell haben wir auch eine Förderung vom Umweltministerium erhalten, an der die Gemeinde mit einer kleinen Summe beteiligt ist. Die haben wir dafür bekommen, dass wir ein geschundenes ehemaliges Rapsfeld revitalisiert haben. Einerseits ist dabei Raum entstanden für gemeinschaftliche Aktionen, andererseits haben wir der Natur etwas zurückgegeben – unter anderem mit Maßnahmen zur Wasserspeicherung im Boden und der Förderung von Lebensraum für Bienen und Schmetterlinge.“

Gutes tun für Tier und Mensch

Gemeinschaftsgarten Pastvina  (Foto: YouTube Kanal HitHit)
Bei der Pastvina geht es aber schon längst nicht mehr nur ums Anbauen von eigenem Gemüse. Mittlerweile ist das Projekt zu einem Asyl für gequälte Tiere geworden, die auf der Weide bei Vinoř Zuflucht finden:

„Irgendwann haben uns die Leute gefragt, ob wir ihnen nicht ein Tier abnehmen würden, um das sie sich nicht mehr kümmern könnten. So kam zuerst das Schwein Frankie zu uns und später die Schafe Luke und Leia. Die wurden von ihren ursprünglichen Besitzern gequält, haben es bei uns aber nun gut und halten unsere Wiesen in Schuss. Mit der Zeit kamen dann noch Hühner und andere Tiere hinzu.“

So ist das Projekt unter anderem auch zu einem Auffanglager für Tiere in Not geworden. Dabei ist die Zusammenarbeit mit den örtlichen Tierärzten sehr gut und wichtig, erklärt Havlová. Man beteiligt sich bei der Pastvina aber auch an Projekten wie Slepice v nouzi, auf Deutsch heißt das so viel wie Huhn in Not. Dabei kann jeder ein Legehuhn aus einem Großbetrieb adoptieren, wobei es auf der Pastvina einen schönen Lebensabend verbringen kann. Als Belohnung dafür gibt es dann jeden Monat zwanzig frische Eier von glücklichen Hühnern.

Gemeinschaftsgarten Pastvina  (Foto: YouTube Kanal HitHit)
Doch auch für die menschliche Seele soll in Zukunft etwas getan werden auf der Gemeinschaftsweise östlich von Prag. Anna Havlová plant als studierte Sozialpädagogin ein Therapiezentrum:

„Derzeit richten wir eine Internetseite ein und renovieren ein Gebäude, in dem schon bald Therapien stattfinden könnten. Mein Fachgebiet sind eigentlich verhaltensauffällige Jugendliche. Denen will ich nicht nur mit einer klassischen Therapie helfen, sondern auch durch den Kontakt mit der Natur und der Arbeit hier im Garten. Das nennt man dann Ergotherapie.“

Quelle: YouTube Kanal HitHit
Das sei aber nicht nur sinnvoll für problematische Heranwachsende, eigentlich könnte die Arbeit draußen für alle einen Mehrwert haben. Denn das würde uns zurück zu dem bringen, was wir in der modernen Welt schon verloren hätten, meint Anna Havlová:

„Man sieht ja da direkt das Ergebnis seiner Arbeit. Wir leben heutzutage in einer virtuellen Welt und kommunizieren lediglich im digitalen Raum miteinander. Sogar wenn wir im Café sitzen, starren wir nur noch aufs Telefon. Hier auf dem Feld muss man aber tatsächlich bei der Arbeit miteinander reden. Und wenn man dann sieht, was man geschaffen hat, dann erfüllt das einen schon richtig.“