Gedenken an Lidice zum 70. Jahrestag - Anerkennung für Brief von Joachim Gauck
Vor 70 Jahren haben deutsche Einheiten die Bewohner des Ortes Lidice in Mittelböhmen umgebracht und das Dorf dem Erdboden gleichgemacht. Kurz darauf wiederholte sich dies im ostböhmischen Ležáky. Es waren Vergeltungsakte der Nazis für das erfolgreiche Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor in Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich. Am Sonntag hat Tschechien der Zerstörung von Lidice gedacht. Am Freitag bereits hat Bundespräsident Joachim Gauck in einem Brief an seinen tschechischen Amtskollegen Václav Klaus seine Betroffenheit und Scham für die Tat ausgedrückt.
Das Massaker von Lidice am 10. Juni 1942 überlebten nur wenige: Alle Männer und männlichen Jugendlichen wurden erschossen, Frauen und Kinder wurden in Konzentrationslager verschleppt, viele der Kinder wurden einen Monat später in Chelmno vergast. 340 Menschen wurden so von den Nazis ermordet. Das Dorf selbst wurde dem Erdboden gleichgemacht. Auch in anderen Gegenden Europas ließ Hitler-Deutschland Ortschaften zerstören und die Bewohner umbringen. Doch in diesem Fall war es die Vergeltung für das erste und einzige erfolgreiche Attentat auf eine Nazi-Größe. Deswegen wurde das Massaker von Lidice von der deutschen Führung im Protektorat Böhmen und Mähren nicht geheim gehalten, sondern publik gemacht. Die Folgen, die die Nazis nicht erwartet hatten, sprach auch der tschechische Premier Petr Nečas am Sonntag beim Gedenkakt in Lidice an. Er sagte, dies sei ein Wendepunkt für Europa im Kampf gegen das nationalsozialistische Regime gewesen:
„Am 10. Juni 1942, lange bevor die Grauen der Vernichtungslager weltweit bekannt wurden, hat der unschuldige Tod der Bewohner von Lidice der internationalen Gemeinschaft die Augen geöffnet und die bestialische Natur des Nationalsozialismus gezeigt. Die Nachricht vom Massaker zwang viele, dem Nationalsozialismus den Kampf auf Leben und Tod anzusagen.“Nečas kam in diesem Teil seiner Ansprache auch auf einen Brief von Bundespräsident Joachim Gauck an Václav Klaus zu sprechen:
„Ich möchte in diesem Zusammenhang die Worte des deutschen Bundespräsidenten hervorheben. Er hat seine tiefe Betroffenheit und seinen Scham über die Auslöschung von Lidice und Ležáky ausgedrückt und sich zur historischen Verantwortung der Deutschen bekannt.“
Anerkennung fand Gauck auch bei den Überlebenden von Lidice, der Bürgermeisterin des heutigen Ortes und dem Leiter der Gedenkstätte sowie bei einem breiten Spektrum tschechischer Historiker. So zum Beispiel bei Eduard Stehlík vom Militärhistorischen Institut in Prag.:„Es ist wirklich eine aufrichtige Entschuldigung. Ich halte es für sehr wichtig, dass er davon spricht, dass die Verbrechen von Deutschen begangen wurden. Er versteckt sich nicht hinter dem Begriff Nationalsozialisten, wie es andere in der Vergangenheit gemacht haben. Ein weiteres wichtiges Moment ist, dass er über das Attentat auf Heydrich als mutige Tat spricht und alle beteiligten Fallschirmspringer mit Namen nennt. Er schreibt, dass die Welt solche Vorbilder brauche. Der Brief ist einzigartig und sollte in die Lehrbücher aufgenommen werden“, so Stehlík im öffentlich-rechtlichen Tschechischen Fernsehen.
Auch andere bundesdeutsche Politiker haben sich zuvor schon zu den Massakern in Lidice und Ležáky geäußert, so im Jahr 2002 Außenminister Joschka Fischer und vor zwei Jahren der damalige Bundespräsident Christian Wulff. Helmut Kohl wiederum besuchte Lidice bereits 1988, also noch zu kommunistischen Zeiten.