Lidice – heute ein Symbol der weltweiten Solidarität

Gedenkfeier in San Jerónimo Lídice (Foto: Archiv von Edna Gómez Ruiz)

Am 10. Juni 1942 wurde die Gemeinde Lidice in Mittelböhmen von den Nationalsozialisten geplündert und dem Erdboden gleichgemacht. Dies galt als Rache für das Attentat auf den stellvertretenden Reichsprotektor Reinhard Heydrich. Die Männer aus Lidice wurden erschossen, Frauen und Kinder ins KZ verschleppt beziehungsweise an deutsche Familien zur Adoption gegeben. Der Name der Gemeinde sollte für immer ausgelöscht werden. Doch das Gegenteil ist passiert.

Gedenkfeier in San Jerónimo Lídice  (Foto: Archiv von Edna Gómez Ruiz)
San Jerónimo Lídice  (Foto: Archiv des Denkmals Lidice)

Die Nachrichten über das Massaker in dem böhmischen Ort liefen um die ganze Welt, sie riefen Empörung und Solidarität hervor. Lidice wurde zum Symbol der nationalsozialistischen Terrorherrschaft im Zweiten Weltkrieg. In vielen Orten im Ausland wurden Straßen, Schulen und Plätze nach Lidice benannt. So auch im weit entfernten Mexiko. Edna Gómez Ruiz ist Vorsitzende der Tomáš-Garrigue-Masaryk-Gesellschaft in dem mittelamerikanischen Land:

„Mexiko hat immer Solidarität gezeigt in Fragen wie Gerechtigkeit und menschliche Würde. Am 30. August 1942 wurde eine hiesige Gemeinde zu San Jerónimo Lídice unbenannt. Auch die dortige Grundschule trägt den Namen des böhmischen Ortes. Mexiko war damit das erste Land Lateinamerikas, in dem die Benennung eines Ortes nach Lidice erfolgte.“

Edna Gómez Ruiz  (die erste Frau von rechts). Foto: Archiv von Edna Gómez Ruiz

San Jerónimo Lídice gehört heute zu Mexiko-Stadt. In der Nachkriegszeit wurden auch Kontakte in die Tschechoslowakei angeknüpft. 1984 besuchte sogar der damalige tschechoslowakische Premierminister den Ort. Seitdem werden alljährlich Gedenkveranstaltungen in San Jerónimo Lídice veranstaltet.

„Zur Atmosphäre der Feiern tragen besonders Schüler bei sowie die Kinder aus unserem Lidice-Chor, den ich seit 36 Jahren leite. Sie sorgen für die musikalische Begleitung und beteiligen sich an einem feierlichen Umzug. Nach dem offiziellen Teil und einer Schweigeminute folgt eine Feier mit tschechischen Melodien.“

„Die Licht- und Todesfelder“  (Foto: Archiv von Edna Gómez Ruiz)
Ariosto Otero  (Foto: Archiv von Edna Gómez Ruiz)

In dem Stadtteil von Mexiko-Stadt erinnern eine Statue auf dem zentralen Platz und weitere Symbole an die Tragödie von Lidice. 2002 schuf Ariosto Otero eine Wandmalerei namens „Die Licht- und Todesfelder“. Gegenüber Radio Prag International sagt der Künstler:

„Die Erinnerung an Lidice darf nie verblassen. Die Leiden der Menschen sind trotz des zeitlichen Abstands noch lebendig. Die Gemeinde wurde nicht durch eine Pandemie, sondern durch menschliche Grausamkeit zerstört.“

Im Rosengarten des Stadtteils steht ein weiteres Kunstwerk zu dem barbarischen Akt der Nationalsozialisten. Es heißt „Der Tod des Menschen durch den Menschen“. Sergio Guerrero Morales hat es geschaffen:

„Die Statue ist ein Gebet für jene Menschen, denen das Leben auf grausame Weise genommen wurde. Die derzeitige Corona-Pandemie hat die Gedanken an den Wert des Lebens verstärkt. Lidice liegt weit entfernt, aber nah an unseren Herzen.“

Nicht nur Gemeinden und Orte in der ganzen Welt wurden nach Lidice benannt, sondern auch viele Mädchen. 2018 trafen sich fünf Frauen mit dem Namen in San Jerónimo Lídice. Edna Gómez Ruiz:

„Es war für sie ein Schock, als ich ihnen zeigte, was in Lidice geschehen ist. Sie hatten darüber nur flüchtige Informationen. Alle waren sich darin einig, dass es eine große Ehre für sie sei, den Namen des Ortes zu tragen. Und sie äußerten den Wunsch, irgendwann in der Zukunft einmal Lidice zu besuchen.“

Eine der Frauen ist Lidice Fragoso. Ihr Vater bekam einst ein Buch über die Vernichtung der böhmischen Gemeinde geschenkt. Unter dem Eindruck des Textes benannte er seine erste Tochter nach dem Ort. Es sei für sie eine Ehre, den Namen Lidice zu fragen, sagt Frau Fragoso:

„Die Gemeinde Lidice hat nach dem Krieg Mut, Willen, Kraft und Zusammenhalt zum Wiederaufbau gefunden. Das kann der heutigen Gesellschaft als Vorbild dienen, wie man Schicksalsschläge überwinden und etwas zum Besseren verändern kann.“

An diesem Mittwoch konnte die Gedenkfeier in San Jerónimo Lídice erstmals nach 36 Jahren nicht stattfinden. Die Organisatoren schmieden aber schon jetzt Pläne für die kommenden Jahre – und besonders für den 10. Juni 2022. Dann wird an den 80. Jahrestag der Tragödie von Lidice erinnert.