Gedenken und aktueller Protest

Gedenkakt für die Opfer der Niederschlagung des Prager Frühlings vor dem Gebäude des Tschechischen Rundfunks (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
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Tschechien erinnert an die Niederschlagung des Prager Frühlings im August 1968. Es dominierten dabei aktuelle politische Fragen.

Gedenkakt für die Opfer der Niederschlagung des Prager Frühlings vor dem Gebäude des Tschechischen Rundfunks  (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
Der zentrale Gedenkakt für die Opfer der Niederschlagung des Prager Frühlings vor 50 Jahren fand vor dem Gebäude des Tschechischen Rundfunks statt. Der Tschechoslowakische Rundfunk hatte eine Schlüsselfunktion im Widerstand gegen die Invasionstruppen im Jahr 1968, zahlreiche Angestellte des Rundfunks kamen beim Widerstand gegen die Truppen des Warschauer Paktes ums Leben. Senatspräsident Milan Štech würdigte bei seiner Rede deshalb vor allem den Mut der damaligen Radiomacher. Er verwies jedoch ebenso auf die aktuelle Lage im Land:

„Wir müssen uns dessen bewusst werden, wie wichtig die öffentlich-rechtlichen Medien heutzutage sind. Vor allem in einer Zeit, wo gezielte Desinformation Alltag ist. Ich erachte die Versuche, das Tschechische Fernsehen, den Tschechischen Rundfunk und die Presseagentur ČTK zu diskreditieren, als inakzeptabel.“

Andrej Babiš  (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
Tatsächlich war es ein lautes Gedenken, denn es dominierte eher der Protest der anwesenden Bürger gegen die derzeitige Regierung. Im Zentrum der Kritik stand dabei Premier Andrej Babiš, dem die Demonstranten die Zusammenarbeit mit der tschechoslowakischen Stasi (StB) vorwerfen, ebenso wie seine aktuelle Regierungskooperation mit den Kommunisten. Daher versuchten die Demonstranten Babiš bei seiner Rede durch Schmährufe wie „Schande, Schande“ und durch Pfiffe zu übertönen.

Nachdem der Premier den Einmarsch der Truppen des Warschauer Paktes im Sommer 1968 verurteilte hatte, holte er zum Rundumschlag gegen die Protestierenden aus:

Foto: Michaela Danelová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks
„Ich stimme dem nicht zu, dass die Freiheit in Tschechien heutzutage bedroht ist. Jeder kann heute sagen und schreiben, was er will, und jeder kann mit einer eigenen Partei Wahlen gewinnen. Und jeder, dem etwas nicht gefällt, kann nach Belieben kritisieren und bei den nächsten Wahlen jemandem anderen seine Stimme geben. Freiheit und Demokratie bedeuten vor allem, zu respektieren, dass es auch andere Meinungen und Präferenzen gibt als die eigene.“

Auf der anderen Seite bekamen Politiker der konservativen Opposition, die vor Ort waren, wie zum Beispiel der Christdemokrat Daniel Herman oder die Bürgerdemokratin Jana Černochová, Applaus von den Anwesenden.

Bereits am Montagabend versammelten sich mehrere Hundert Demonstranten vor der russischen Botschaft in Prag, darunter zahlreiche Vertreter der konservativen Opposition oder der krimtatarische Politiker Mustafa Dschemiljew. Außer gegen Andrej Babiš wurden auch Stimmen gegen Staatspräsident Miloš Zeman laut. Den Protestierenden zufolge verfolgt Tschechiens Staatsoberhaupt nämlich einen russlandfreundlichen Kurs.

Miloš Zeman  (Foto: ČT24)
Zeman hatte bereits im Vorfeld des Gedenkens für Kontroversen gesorgt, da er eine Rede am Jahrestag des Einmarschs ablehnte. Sein Sprecher Jiří Ovcáček begründete dies auf Twitter so, Zitat:

„Es wird keine Rede vom Präsidenten geben. Er war mutig in einer Zeit, als Mut noch teuer war. Und das ist viel mehr wert, als eintausend Reden 50 Jahre später.“

Zeman habe für seine Haltung zur Okkupation damals teuer bezahlt, so Ovcáček in einem anderen Tweet. Zeman kritisierte damals nämlich die Besatzung, verlor deshalb seine Arbeit und wurde aus der kommunistischen Partei ausgeschlossen

Die öffentlich-rechtlichen Medien in Tschechien übertragen deshalb in Zusammenarbeit mit dem Slowakischen Rundfunk und Fernsehen die Rede des slowakischen Staatspräsidenten Andrej Kiska.

Foto: ČTK / Roman Vondrouš

Neben den offiziellen Gedenkakten finden am Dienstag in Prag und ganz Tschechien zahlreiche weitere Veranstaltungen zur Niederschlagung des Prager Frühlings statt. Darunter auch Fotoausstellungen und Diskussionen. Der Höhepunkt ist am Abend des 21. August ein Konzert des Tschechischen Rundfunks auf dem Wenzelsplatz. Dort tritt unter anderem Marta Kubisova auf mit ihrer inoffiziellen Hymne des Prager Frühlings – „ein Gebet für Marta“