Gefährliche Altlasten im Boden: Forscher aus Liberec entwickeln neue Methode zur Wasseraufbereitung

Abfalldeponie in Jaworzno

Wissenschaftler der Technischen Universität Liberec / Reichenberg haben eine neue Wasseraufbereitungsmethode entwickelt. Das Besondere: Sie funktioniert, ohne eine Belastung für die Umwelt darzustellen. Getestet wird das Verfahren derzeit im Kreis Karlovy Vary / Karlsbad sowie in Polen – und dort konkreter an Orten, an denen sich viele Altlasten im Boden befinden. Diese sind während der Zeit des Kommunismus in der Chemieindustrie angefallen.

„Wetland+“ heißt die Technologie aus Liberec, durch die neuerdings umweltfreundlich Wasser aufbereitet werden kann – ganz ohne Chemikalien oder Kläranlagen. Getestet wird das Verfahren derzeit in Hájek / Grasengrün in der Nähe von Karlsbad. Dort befindet sich eine Bergbauhalde, in der früher Pestizide entsorgt wurden. Miroslav Černík leitet das Institut für Nanomaterialien, fortgeschrittene Technologien und Innovationen der TU Liberec. Und zugleich hat er das internationale Forscherteam angeführt, das hinter der neuen Wasseraufbereitungsmethode steckt. In den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks erläuterte er:

Wetland+ in Hájek bei Karlsbad | Foto: LIFEPOPWAT/TUL

„Am Anfang steht ein Sedimentationstank. Die weiteren Behälter bilden dann das Kernstück. In ihnen befindet sich Eisen. Die Kontaminanten reagieren mit dem Metall, wodurch sie zu Stoffen werden, die von der Natur besser abgebaut werden können.“

Das Wasser fließt anschließend weiter…

„In einem weiteren Becken befinden sich Steine und Holzhackschnitzel. Dort werden die biologischen Prozesse angeregt. Am Ende schließt sich ein klassischer Sumpf an, in dem dann auch die letzten Schadstoffe beseitigt werden.“

Durch den Sumpf trägt das System unmittelbar zur Biodiversität der betroffenen Region bei. Ein weiterer Vorteil der Anlage: Sie funktioniert nahezu wartungsfrei. Es sei lediglich nötig, alle paar Jahre das Eisen in den Behältern aufzufüllen, so die Wissenschaftler.

Jaworzno | Foto: LIFEPOPWAT/TUL

Das Verfahren aus Liberec hat sich in Hájek in den letzten zwei Jahren bewährt. Bis zu 97 Prozent Reinigungswirkung konnten laut den Forschern erreicht werden. Deshalb wird die Technologie seit Neuestem auch auf einer ehemaligen Deponie in Jaworzno im südlichen Polen eingesetzt. Dort wurden ebenso während der Zeit des Kommunismus Giftstoffe und Pestizide abgelagert, Schätzungen zufolge befinden sich vor Ort bis heute fast 200.000 Tonnen gefährlichen Abfalls. Die Anlage aus Liberec sei in Jaworzno derzeit im Testbetrieb, schildert Černík:

„Unser Wasser dort stammt aus Bohrungen. Eine Quelle ist stark kontaminiert, die andere vergleichsweise sauber. Mit diesem weniger verunreinigten Wasser haben wir begonnen, damit das System anlaufen kann. Nun führen wir auch immer mehr schadstoffbelastetes Wasser hin. Zu Beginn lag die Wirksamkeit bei 85 Prozent, aber je mehr wir hindurchfließen lassen, desto besser funktioniert die Anlage.“

In den Altlasten, die sich in Hájek und Jaworzno im Boden befinden, lassen sich vor allem großen Menge Lindans nachweisen. Das ist eine Chemikalie, die früher vor allem in Insektiziden verwendet wurde. Da es in Europa zahlreiche weitere betroffene Orte gebe, könnte die natürliche Dekontaminierungsanlage in Zukunft auch anderswo eingesetzt werden. So sei bereits Interesse aus Frankreich, Portugal und Spanien vermeldet worden, sagt Radek Pirkl, der Sprecher der Technischen Universität Liberec…

„Große Halden mit Lindan und anderen chlorhaltigen Stoffen wie in Jaworzno und Hájek gibt es in Europa etwa 40 an der Zahl. Hinzu kommen Dutzende oder gar Hunderte kleinere.“

Und vor allem diese weniger großen Halden seien heutzutage oftmals schwer zu identifizieren.

„Die Deponien sind im Laufe der Jahrzehnte komplett zugewuchert. Auf den ersten Blick sieht man nur einen kleinen Wald“, so der Sprecher.

Jaworzno | Foto: LIFEPOPWAT/TUL

Würde man heute nach diesen konkreten Lagerstätten fahnden, müsste man sich deshalb auf die Suche nach der Nadel im Heuhaufen begeben, meint Wissenschaftler Miroslav Černík. Er schildert dies am Beispiel des ehemaligen Steinbruchs in Hájek. Auf die dortige Bergehalde habe man vor der Samteneren Revolution giftige Industrieabfälle des Chemiewerks Spolana gekippt:

„Die Fläche der Halde ist gigantisch, und irgendwo dort sind 5000 Tonnen Lindan und weitere Giftstoffe verteilt. Das ist natürlich eine große Menge an Pestiziden, aber im Vergleich zu der Halde unfassbar wenig. Wir haben deshalb Menschen kontaktiert, die sich an diese Zeiten noch erinnern können. Sie haben berichtet, dass abends immer Züge kamen mit Pappfässern, die dann irgendwo hingeworfen wurden. Diese Orte heute zu lokalisieren, die Stoffe dann zu identifizieren und abzubauen, ist schlichtweg unmöglich.“

Auch deshalb kann die Wasseraufbereitungsmethode aus Liberec womöglich einen entscheidenden Beitrag dazu leisten, Giftstoffe aus den Böden in Europa zu entfernen.

Autoren: Ferdinand Hauser , Tomáš Mařas
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