Gegen Aufschlag nach Prag? Kriminelle ukrainische Agenturen handeln mit Tschechien-Visa

Foto: Europäische Kommission

Für einen Drittstaatsangehörigen kostet ein Visum für Tschechien über 100 Euro, doch warten muss man darauf lange. In der Ukraine kann man den Prozess aber über spezialisierte Agenturen für 200 Euro beschleunigen – legal ist das jedoch nicht. Die Regierung in Prag ist dabei in einem Dilemma, denn Arbeiter aus dem osteuropäischen Land werden derzeit händeringend gesucht.

Foto: Europäische Kommission
Anna kommt aus der Ukraine, studiert aber in Tschechien. Ein Visum zu bekommen war für die junge Frau fast unmöglich. Das Online-Registriersystem Visapoint der Konsulate ist hoffnungslos überlastet, und Termine sind nicht zu bekommen. Anna hat sich deshalb Hilfe gesucht bei einer ganz besonderen Agentur:

„Ein Mann hat mir gesagt, ich soll ihm einfach meinen Namen, meine Passnummer und ein Datum zusenden, an dem ich gerne in die tschechische Botschaft kommen will. Dazu sollte ich ihm noch 200 Euro zahlen. Das habe ich alles gemacht, und kurz darauf habe ich tatsächlich eine E-Mail bekommen: Mein Termin wäre dann und dann.“

Diese Geschichte hat auch Journalisten des Tschechischen Rundfunks neugierig gemacht. Sie sind in die Ukraine gefahren und haben sich als angebliche Interessenten mit einem dieser dubiosen Vermittler getroffen. Das Ergebnis: Für 200 Euro bekommt man einen Termin in einer diplomatischen Vertretung und bei Bedarf sogar ein fiktives Konto. Damit wird bestätigt, dass man auch das nötige Geld hat für den Aufenthalt in Tschechien.

Ivo Dokoupil  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Besondere Kontakte zu den illegalen Agenturen braucht man nicht. Sie machen in ukrainischen Städten offen Werbung für ihre Dienste und geben sich professionell. Ivo Dokoupil hat lange für die Hilfsorganisation Člověk v tísni (Mensch in Not) in der Ukraine gearbeitet:

„Wenn man in die Ukraine kommt, fallen sie einem sofort ins Auge. Sie sind wirklich überall, in Bussen, auf Marktplätzen und in Kaufhäusern: Reklametafeln für Visa in die Tschechische Republik und den Schengenraum.“

Die Masche der Vermittler: Sie überlasten das Online-Registriersystem der tschechischen Vertretungen. Die Agenturen reservieren sich Termine, die sie dann an Interessenten weiterverkaufen. Das Außenministerium in Prag weiß von dem Missstand, der tschechische Inlandsgeheimdienst BIS hat die Verantwortlichen bereits 2012 darauf aufmerksam gemacht. Jetzt will man aber reagieren, das Onlinesystem soll die Bewerberzahl für einen bestimmten Termin nicht mehr begrenzen. Martin Smolek ist Staatsekretär im Außenministerium:

Martin Smolek | Foto: Tschechisches Außenministerium
„Das neue System verhindert das bisherige Vorgehen der Agenturen. Wenn diese sehen, dass sich jeder kostenlos zu einem beliebigen Termin anmelden kann, müssten sie diesen millionenfach anklicken. Irgendwann verlieren sie sicher den Spaß daran.“

Eine Garantie für den Erfolg dieser Maßnahme gebe es jedoch nicht, gesteht Smolek.

Gerade die Visa für Ukrainer sind derzeit ein empfindliches Thema in Tschechien. Denn die Wirtschaftslage ist gut, und vor allem Arbeitskräfte aus der Ukraine sind bei den tschechischen Firmen gefragt. 140.000 Stellen müssten derzeit besetzt werden, die arbeitssuchenden Tschechen reichen da schon längst nicht mehr. Aber nur 400 Anträge auf Arbeitsvisa dürfen die tschechischen Vertretungen in der Ukraine pro Monat bearbeiten. Und schon das ist zu viel für die Beamten und dauert zu lange. Deshalb machen Unternehmer wie Pavel Juříček Druck auf die Regierung:

„Tagtäglich kommen hier Bestellungen rein, und wir müssen einfach liefern. Wir können da nicht warten, bis sich irgendein Beamter endlich bewegt“, so der Chef eines Autozulieferers.

Das Außenministerium reagiert bereits. Man wolle die Aufnahmequoten für Ukrainer verdoppeln, heißt es aus Prag. Außerdem sollen auch die Konsulate effizienter arbeiten, man wolle das Personal sowohl vor Ort als auch in Tschechien verstärken.

Ob das Anna hilft, steht in den Sternen. Ihre Eltern sollen demnächst zu Besuch kommen, um ihren neuen tschechischen Freund kennenzulernen. Wahrscheinlich werden aber auch sie wieder extra und illegal zahlen müssen, meint die Studentin traurig.