Gegen Diskriminierung, gegen Gewalt, für Chancengleichheit: Der Internationale Frauentag
Der Internationale Frauentag am vergangenen Mittwoch hat auch in Tschechien Diskussionen über den Stand der Gleichstellung von Frauen und Männern in der Gesellschaft gebracht. Mehrere Veranstaltungen machten auf die nach wie vor bestehende Geschlechterdiskriminierung aufmerksam, viele Menschen erinnerten sich, wie der Internationale Frauentag zur Zeit des kommunistischen Regimes begangen wurde, und zum europäischen Kontext der Gegenwart gab es aktuelle Daten aus Brüssel. Gerald Schubert fasst zusammen.
"Dieses Projekt weist auf recht außergewöhnliche und vielleicht auch drastische Art darauf hin, dass Gewalt gegen Frauen nach wie vor ein aktuelles Problem ist, vor dem die Öffentlichkeit nicht die Augen verschließen sollte. Als ich mich selbst auf dieser Fotografie gesehen habe, mit diesem riesigen blauen Auge, da bin ich fast ein bisschen erschrocken. Wahrscheinlich werden mich jetzt eine Menge Leute anrufen und fragen, wer mich geschlagen hat. Jedenfalls hoffe ich, dass diese Kampagne dazu beiträgt, dass die Menschen über das Problem mehr nachdenken."
Gewalt gegenüber Frauen ist in Tschechien kein Massenphänomen, sagt Ministerin Buzkova, sehr wohl aber eines, das gerne verdrängt und verschwiegen wird.
Etwas mehr im Blickpunkt der Öffentlichkeit steht die Diskriminierung von Frauen am Arbeitsplatz. "Pul na pul", zu deutsch etwa "Halbe-Halbe" heißt eine Initiative, die tschechischen Frauen Rechtsberatung anbietet, zum Beispiel bei sexueller Belästigung durch Kollegen und Vorgesetzte. Die Probleme entsprechen hierzulande denen in westlichen EU-Ländern, sagt eine der Organisatorinnen. Das größte bestehe dabei in der so genannten gläsernen Decke über der oft zu kurzen Karriereleiter.
Dass Frauen oft nicht in Positionen vordringen, an denen Entscheidungen gefällt werden, das bestätigt auch der zuständige EU-Kommissar für Arbeit, Soziales und Chancengleichheit, der ehemalige tschechische Premierminister Vladimir Spidla:
"Das heißt zum Beispiel, dass es in den Parlamenten nur 24 Prozent Frauen gibt. Dabei gibt es aber große Unterschiede. In Schweden etwa sind es immerhin an die 40 Prozent. Wenn ich ein Land nennen soll, in dem die Situation wirklich schlecht ist, dann ist das die Türkei. Die ist zwar kein EU-Land, aber interessehalber: Dort gibt es nur vier Prozent Frauen im Parlament. Frauen sind in Europa auch in anderen Spitzenfunktionen immer noch schwach vertreten. Interessanterweise finden wir sie in der Türkei insgesamt aber häufiger in Spitzenfunktionen als in der EU."
Auch der geschlechtsspezifische Einkommensunterschied ist ein gesamteuropäisches Problem, sagt Spidla. Im europäischen Durchschnitt beträgt er 15 Prozent. Am besten sei die Situation in Malta, dort sind es ungefähr sechs Prozent. In der Tschechischen Republik beträgt das Lohngefälle zwischen Frauen und Männern rund 19 Prozent.
Die Europäische Kommission will auf die bestehenden Probleme besser reagieren und hat ein entsprechendes Strategiepapier vorgelegt. Vladimir Spidla:"Es fasst all die Aktivitäten zusammen, die die Europäische Kommission im Sinne der Chancengleichheit unternimmt, und gibt strategische Richtungen vor. Die wichtigsten Ziele sind die Verringerung des Einkommensunterschiedes und die Stärkung der Beteiligung von Frauen an Entscheidungsprozessen. Hinzu kommen aber auch andere Dinge, wie etwa die Gleichstellung im Bereich der Sozialversicherung. In mehreren Versicherungssystemen gibt es nämlich immer noch geschlechtsspezifische Unterschiede. Auch im Bereich der Gesundheitspolitik gibt es Nachholbedarf. Das Gesundheitswesen hat sich in den einzelnen Staaten natürlich auf traditionelle Weise entwickelt und hat auf den jeweiligen Charakter der Gesellschaft reagiert. Also gibt es einige Dinge, die bei Frauen einfach unterschätzt werden. Frauen dringen heute etwa in neue Berufsbereiche vor, wo die Eckdaten bezüglich Sicherheit und Schutz am Arbeitsplatz ausschließlich an Männern erprobt sind. Wichtig ist auch, dass die Europäische Union sich bemüht, außenpolitisch vermehrt tätig zu werden und die Chancengleichheit von Männern und Frauen auch außerhalb der EU zu stärken."
Wie aber kann die Kommission ihre Pläne in die Tat umsetzten? Welche Mittel stehen ihr überhaupt zur Verfügung?"Die Mittel sind natürlich immer begrenzt, es gibt keinen Zauberstab, mit dem man das alles sofort umsetzen könnte. Es gibt aber eine politische Gesamtstrategie, eine Strategie der Arbeitsmarktpolitik, die entsprechende Verwendung von Mitteln aus den europäischen Fonds, die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen und die so genannte offene Koordinationsmethode, die auf dem Vergleich der besten Praxiserfahrungen aus den europäischen Ländern beruht."
Als EU-Kommissar für Chancengleichheit wird Spidla manchmal gefragt, wie er es denn eigentlich mit der Einführung eines Internationalen Männertages hält, wenn es doch auch einen Frauentag gibt. Seine Antwort fällt dann recht klar aus:
"Ich glaube, der Internationale Frauentag wurde mit gutem Grund eingeführt, zu einem Zeitpunkt, als die Durchsetzung von Chancengleichheit noch ganz am Anfang stand. Auch heute aber gibt es noch keine Chancengleichheit. Wenn wir die einmal erreicht haben, dann werde ich auch für einen Internationalen Männertag sein."
Der Internationale Frauentag wird in Tschechien übrigens recht kontrovers wahrgenommen. Viele stehen im aber nicht aus oberflächlichen antifeministischen Gründen reserviert gegenüber, sondern vielmehr deshalb, weil sie ihn persönlich mit unangenehmen Erinnerungen verbinden. Schulministerin Petra Buzkova:
"In der Tschechischen Republik hat dieser Tag einen schalen Beigeschmack. Das hat mit der Art und Weise zu tun, wie er zur Zeit des kommunistischen Regimes gefeiert wurde. Dieses Regime hat stets erklärt, wie sehr es die Emanzipation der Frauen unterstützt. In Wirklichkeit aber hat es nur erlaubt, dass die Frauen genauso harte Arbeit verrichten wie die Männer. Wir hatten Kranführerinnen und Traktorlenkerinnen, aber unter den damaligen Generaldirektoren gab es natürlich keine Frauen."
Der Internationale Frauentag war zu dieser Zeit ein Hohn, sagt Buzkova. An jeder Arbeitsstelle, in jedem Büro wurde er gefeiert - und zwar verpflichtend:
"Jede Frau bekam eine Nelke, und dann haben sich die Männer betrunken und haufenweise Brötchen gegessen. Aus diesem Grund gibt es hier gegen den Internationalen Frauentag auch eine verhältnismäßig starke Ablehnung. Das ist aber nicht die Schuld des Frauentags, und meiner Meinung nach ist es gut, dass es diesen Tag gibt. Hierzulande wurde er zwar früher sehr profan begangen, aber kommende Generationen wird das nicht mehr interessieren."