Gemeinsam bis an die Grenzen der Physik – 20 Jahre Cern-Mitgliedschaft

Cern-Laboratorium

Hier wurde das Internet erfunden und so manches Geheimnis der Physik entschlüsselt - das Europäische Kernforschungszentrum Cern bei Genf ist das größte Forschungszentrum auf dem Gebiet der Teilchenphysik. Seit 20 Jahren ist die Tschechische Republik nun Mitglied in der Organisation: Anlass für einen Besuch des Cern-Generaldirektors, Rolf-Dieter Heuer, in Prag.

Rolf-Dieter Heuer
Das Cern hat bereits eine längere Geschichte – gegründet wurde es in den 50er Jahren. Tschechien ist seit 1992 Mitglied. Derzeit beteiligen sich 206 Wissenschaftler aus Tschechien. An welchen Projekten wirken die Forscher mit?

„Die Forscher arbeiten vorwiegend im ganz großen Projekt am Large Hadron Collider am ATLAS-Experiment mit. Die tschechischen Wissenschaftler haben sich entschieden, hierauf einen Schwerpunkt zu setzen und die Kräfte in der Tschechischen Republik zu bündeln – und das nicht nur in Prag, sondern auch in anderen Städten. Meiner Ansicht nach ist es wirklich sehr gut, dass man diesen Forschungsschwerpunkt nicht nur an einer Universität setzt, sondern sich ein bisschen breiter aufstellt. Weit mehr als die Hälfte der Wissenschaftler sind in diesem großen Experiment beteiligt - sowohl an der Hardware dieses großen Detektors als auch in der Analyse der Daten. Dann arbeiten noch etliche Wissenschaftler in kleineren Projekten, zum Beispiel an der Untersuchung von Anti-Wasserstoff.“

Wie beteiligt sich Tschechien denn noch an der Forschung am Cern?

„Tschechiens finanzieller Beitrag beträgt 1,1 Prozent unseres Jahresbudgets. Darüber hinaus beteiligt sich Tschechien natürlich an den Experimenten. Die Wissenschaftler sitzen vorwiegend in Tschechien und kommen nur für einige Wochen oder Monate. Die Doktoranden sind auch mal für ein Jahr am Cern, um zu lernen, wie man international arbeitet. Das funktioniert hervorragend und ist die Basis der Zusammenarbeit. Man könnte die Möglichkeit vermehrt nutzen, dass tschechische Wissenschaftler für zwei oder fünf Jahre vor Ort am Cern angestellt werden und dann mit dem Wissen, was dort passiert und wie es passiert wieder nach Hause gehen. Ich denke, hier können wir die Situation noch verbessern.“

Von der tschechischen Regierung wird gelobt, dass auch die Wirtschaft profitiert. Was bedeutet das?

„Die Instrumente, die man für diese Art von Forschung braucht, sind natürlich modernste Technologie. Da ist die tschechische Wirtschaft in Aufträge und Entwicklungsarbeiten involviert, zum Beispiel auch im IT-Sektor. Andererseits haben Grundlagenforschung und die dafür benötigten Instrumente direkt Auswirkungen auf die heutige Gesellschaft: Zum Beispiel die Tumortherapie mit Beschleunigern. Mit Schwerionenbeschleunigern können Tumore sehr viel gezielter getroffen werden als mit Röntgenstrahlen. Und ich denke, die größten Auswirkungen hatte die Erfindung des Internets, das World Wide Web. Das ist jetzt 20 Jahre her, aber ich denke, das hat die Welt verändert.“

Ein Ziel von Ihnen ist es, die Jugend für die Wissenschaft und vor allem die Physik zu begeistern. Was passiert dazu in Tschechien? Wie kann das aussehen?

„Es gibt sehr viele verschiedene Möglichkeiten. Einerseits haben wir am Cern das so genannte Lehrerprogramm – also Kurse und Workshops für Lehrer in der nationalen Sprache. Diese Kurse werden von Wissenschaftlern und Ingenieuren am Cern gegeben. Das heißt, die Lehrer können das Material in der Schule verwenden und damit den Schülern die moderne Physik nahe bringen. Die Lehrer bringen dann meistens auch ganze Schulklassen mit, um zu sehen wie so ein Institut überhaupt aussieht. Das ist meist ein ganz großer Erfolg. Ich meine, darüber sprechen ist gut, aber Anschauen ist etwas anderes - das öffnet auch den jungen Leuten die Augen. Man muss früh genug anfangen.“