Gemeinsam dagegen halten: Politologe Kratochvíl zum Einfluss von Großmächten auf Tschechien

Petr Kratochvíl (Foto: Alžběta Švarcová, Archiv des Tschechischen Rundfunks)

USA, Russland, China – ohne Frage sind dies derzeit die größten Player in der Weltpolitik. Kleinere Staaten, zu denen auch Tschechien gehört, drohen unvermeidlich in die Einflusssphäre dieser Großmächte zu geraten. Mit der Frage, wie gefährlich das sein könnte, hat sich der Leiter des Instituts für Auslandsbeziehungen, Petr Kratochvíl, auseinandergesetzt. Seine Ergebnisse hat der Politologe in dieser Woche auf dem Prague European Summit vorgestellt. Ein Gespräch mit dem Petr Kratochvíl am Rande der Konferenz.

Petr Kratochvíl  (Foto: Alžběta Švarcová,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
Herr Kratochvíl, wie sieht denn der Einfluss zum Beispiel der USA, Russlands oder Chinas auf Staaten wie Tschechien konkret aus?

„Besser ist es vielleicht, mit der Annahme zu starten, dass Großmächte in Mitteleuropa eher negativ gesehen werden. Das liegt vor allem an den historischen Erfahrungen mit Deutschland und Russland. Mittlerweile überwiegt deswegen bei den Bürgern in der Region die Meinung, dass man sich nicht zu stark an eine Großmacht binden und lieber neutral bleiben sollte. Die Frage ist nun, unter welchen Bedingungen das überwunden werden könnte. Mit Deutschland ist das ja gut gelungen. Mit Russland und China ist das anders, diese Staaten werden von der Bevölkerung zwiespältig gesehen, wenn auch mit Ausnahmen. Nun wenden beide Länder verschiedene Strategien an, um besser anzukommen – bei Russland sind das Medien und Diplomatie, also die sogenannten Soft Powers, bei China wiederum soll über die Wirtschaft angegriffen werden. Meiner Meinung nach sind aber weder Russland noch China erfolgreich mit ihrem Vorgehen.“

Bleiben wir zunächst bei China. Wo hören „gesunde“ Wirtschaftsbeziehungen auf und wo fängt politische Einflussnahme durch die Wirtschaft an?

„Ein Interesse Moskaus an Mitteleuropa besteht erst seit ungefähr zehn Jahren, davor hat man sich vor allem auf die europäischen Großmächte Deutschland, Frankreich oder Großbritannien konzentriert.“

„Insgesamt ist für unsere Region die Einflussnahme Russlands problematischer. China setzt mit seiner Strategie auf das falsche Format, also die Zusammenarbeit von 16 Ländern Europas mit Peking. Tschechien ist beispielsweise wirtschaftlich eng mit der EU verbunden, nicht aber alle EU-Staaten sind im sogenannten 16+1-Format vertreten. China versteht das Problem zwar, ist aber dennoch nicht bereit, etwas an dem Ansatz zu ändern. Bei Russland ist das anders. Ein Interesse Moskaus an den Ländern der Region besteht erst seit ungefähr zehn Jahren, davor hat man sich vor allem auf die europäischen Großmächte Deutschland, Frankreich oder Großbritannien konzentriert. Jetzt ist Russland viel aktiver, wenn auch vor allem über die Medien und andere Kanäle.“

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Bei Russland fallen immer wieder die Begriffe Fake News, Desinformation oder Russische Hacker. Ist die Diskussion dahingehend nicht aufgebauscht? Zum Vergleich: vor den Wahlen in den Niederlanden und Frankreich gab es eine ähnliche Debatte, gewonnen haben dann aber doch nicht die sogenannten pro-russischen Kräfte…

„Meiner Meinung nach sind die russischen Aktivitäten ein Zeichen der Schwäche. Auf Englisch würde man das Vorgehen Russlands ‚Assymetrical Warfare‘ nennen. Und diese asymmetrische Kriegsführung ist immer eine Waffe der Schwachen. In unserer Region müssen zum Beispiel die USA und Deutschland diese Instrumente nicht anwenden, da sie wirtschaftlich ganz stark präsent sind. Russland hingegen ist sozioökonomisch nicht attraktiv und nicht so entwickelt wie Westeuropa, und muss deshalb zu diesen asymmetrischen Waffen greifen. Bei einem Teil der Bevölkerung fruchtet das zwar, im Allgemeinen hat das meiner Meinung nach aber keinen Erfolg.“

Kommen wir nun zu den USA. Vergleichbar mit Deutschland, hatte man in Tschechen keine Probleme, auf die USA zuzugehen und sich dahingehend zu binden. Wird sich das unter einem Präsidenten Donald Trump ändern?

„Hierzulande besteht nicht die akute Angst, von Russland angegriffen zu werden.“

„In Tschechien selbst bewertet man das eher 50:50. Hierzulande besteht auch nicht die akute Angst, von Russland angegriffen zu werden. Ganz anders ist das etwa in den baltischen Staaten oder Polen. Wenn wir Mitteleuropa als Ganzes betrachten, wird es wiederum schwieriger. Da gibt es Länder wie Ungarn, die ganz enthusiastisch sind in Bezug auf Trump.“

Was kann ein kleines Land wie Tschechien machen, um sich gegen den Einfluss von Großmächten zu wehren? Hätten Sie da ein konkretes Rezept?

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„Meine Antwort ist da ganz einfach – Tschechien muss mit anderen Ländern zusammenarbeiten. Das Stichwort ist hier die multilaterale Kooperation, und die EU ist da ein Beispiel. Sie ist das derzeit beste Instrument internationaler Politik das wir haben, und wir sollten das auch nutzen.“

Wenn man sich aber beispielsweise die Diskussion um die Euroeinführung in Tschechien anschaut, dann scheint die Bevölkerung aber nicht gerade begeistert von der EU zu sein…

„Das mag zwar stimmen. Dennoch gibt es politische Fragen und Bereiche, bei denen die Bevölkerung sehr wohl begeistert ist von der EU. Als Beispiele möchte ich hier die energetische Union, Schengen oder die gemeinsame Sicherheits- und Anti-Terrorpolitik nennen. Da ist auch die Bevölkerung eines so europaskeptischen Landes wir Tschechien ganz und gar Pro-Europa.“