Geschichte der Mariensäule vom Prager Altstädter Ring

Prager Altstädter Ring auf einer alten Ansichtskarte

Von Martina Schneibergova.

Prager Altstädter Ring auf einer alten Ansichtskarte
Den heutigen Spaziergang starten wir jedoch weit von Prag entfernt, und zwar in Indien. Dort haben tschechische Steinmetze in den vergangenen Tagen einen 6 Meter langen Sandsteinquader ausgebrochen, aus dem der Schaft der Mariensäule für den Prager Altstädter Ring gemeißelt werden soll. Die 1918 niedergerissene Säule will die Gesellschaft für die Erneuerung der Mariensäule wiederherstellen. Ihre jüngsten Aktivitäten haben die Mitglieder der Gesellschaft in diesen Tagen in Prag vorgestellt.

Seit dem Mittelalter hat man inmitten der Gemeinden, entlang der Wege oder auf hochgelegenen Stellen kleine Kapellen, Martersäulen und Kreuze errichtet, die an wichtige Ereignisse, Katastrophen, Seuchen oder auch persönliche Tragödien erinnern sollten. Seit dem 17. Jahrhundert wurden vielerorts Pestsäulen erbaut. Eine besondere Bedeutung hatten in dieser Zeit die Mariensäulen - mit einer Statue der unbefleckten Jungfrau Maria. Eine der ältesten Mariensäulen in Europa stand noch am Anfang des 20. Jahrhunderts auf dem Prager Altstädter Ring. Es war ein Werk des tschechischen Bildhauers Jan Jiri Bendl.

Die Säule wurde im Jahre 1648 als Ausdruck des Dankes der Prager Bewohner der Jungfrau Maria für ihre Hilfe bei der erfolgreichen Verteidigung der damals schon katholischen Stadt gegen die Schweden errichtet. Aus den historischen Dokumenten geht hervor, dass am 23. Mai 1650 der Grundstein für die Mariensäule gelegt wurde. Am 20. September desselben Jahres wurde die aus einem Stück Sandstein gemeißelte Säule auf dem Ring aufgestellt, vier Tage später wurde auf die Säule eine Jungfrau-Maria-Statue angebracht.

Die Mariensäule wurde erst am 13. Juli 1652 feierlich geweiht, als Kaiser Ferdinand III. und sein Sohn Ferdinand IV. nach Prag kamen. Damals wurde beschlossen, dass jeden Samstag einer der Kanoniker des St. Veitdoms eine Prozession zu der Mariensäule leiten soll. Der Festumzug begann an der Theynkirche und es wurden dabei die Handschuhe und der Helm des Jesuiten Jiri Plachy getragen, eines Studentenführers von 1648, der sich an der Verteidigung der Karlsbrücke beteiligte.

Der Prager Altstädter Ring wird in Tschechien als eine Stelle mit fast symbolischem Inhalt empfunden. Es war Ironie des Schicksals, dass eben in der Zeit, wo die urbanistische Einheit des Altstädter Rings durch das Abreißen dessen Nordfront schwer beschädigt wurde, die historische Bedeutung dieses Ortes durch die Errichtung eines Hus-Denkmals unterstrichen wurde. Die Nordfront des Altstädter Rings wurde ohne ausreichende hygienische oder bautechnische Gründe im Rahmen der umstrittenen Umgestaltung der Prager Innenstadt abgerissen. Wertvolle Barockhäuser wurden damals durch Miethäuser im Neobarockstil ersetzt. Noch schlimmere Folgen hatte 1903 das Abreißen des barocken Kren-Hauses, das der Straßenbahn Platz machen musste.

Der tschechische Bildhauer Ladislav Saloun gestaltete das Hus-Denkmal absichtlich mit Rücksicht auf das ältere Barockmonument - die Mariensäule. Das Hus-Denkmal wurde am 6. Juli 1915 aus Anlass des 500. Todestags des tschechischen Kirchenreformators enthüllt. Wegen des Kriegsstandes hatte dieses Ereignis jedoch wenig Publizität. Der Leiter des staatlichen Denkmalschutzinstituts, Josef Stulc, stellte gegenüber der Fachzeitschrift "Zpravy pamatkove pece" fest, dass das Hus-Denkmal zwar künstlerisch hervorragend sei, jedoch schlechter in die urbanistische Komposition des Platzes passe. Dafür habe aber der symbolische Inhalt des Rings an Ausgewogenheit gewonnen. In einem künstlerischen Dialog seien da - so Stulc - Symbole der beiden tragenden geistlichen Traditionen - der hussitischen und der katholischen - zusammengeschlossen, die das geistliche Leben und die Kultur des tschechischen Volkes geprägt hatten.

Dieser Ausdruck einer toleranten Koexistenz der beiden einst unversöhnlichen Konfessionen dauerte leider nur kurz - drei Jahre lang. Am 3. November 1918 wurde die Mariensäule in einer revolutionären Euphorie niedergerissen. Menschen, die von einer Gedenkfeier am Weißen Berg zurückkehrten rissen die Barocksäule nieder in der falschen Überzeugung, dass es sich um ein Symbol der Schlacht am Weißen Berg handelt. Die kulturinteressierte tschechische Öffentlichkeit hat den Verlust der wertvollen Sehenswürdigkeit aus der Barockzeit damals verurteilt. Am nächsten Tag nach dem Abreißen der Säule fand man auf deren Trümmern z. B. einen grünen Kranz mit einer Visitenkarte der namhaften tschechischen Malerin, Zdenka Braunerova, mit der Bemerkung "Ich protestiere."

Weder während der ersten Republik, noch später während der totalitären Regimes der Nazis und der Kommunisten konnte der Irrtum von 1918 wiedergut gemacht werden. Obwohl bald nach 1918 Spendensammlungen organisieret wurden, um die Säule zu erneuern. Dr. Bohuslav Elias dazu:

Nach der Wende von 1989 wurde die Gesellschaft für die Erneuerung der Mariensäule gegründet, die sich das Ziel gesetzt hat, die Mariensäule auf dem Altstädter Ring wieder zu errichten. 1993 wurde der Grundstein für die Säule in das Pflaster auf dem Altstädter Ring gelegt. Zwei Jahre später entschied sich die Gesellschaft, eine Spendensammlung zu organisieren, um die notwendigen Mittel für die Herstellung der Säule zusammenzutragen. Einige Fragmente der ursprünglichen Säule werden im Lapidarium des Nationalmuseums aufbewahrt, die Gesellschaft ließ Abgüsse dieser Fragmente herstellen. 1998 begann man mit der Herstellung der Steinarchitektur der Säule.

Wie bereits anfangs bemerkt wurde, haben tschechische Steinmetze in Indien einen 6 Meter langen Sandsteinquader für den Schaft der künftigen Mariensäule bereits ausgebrochen. Der junge tschechische Bildhauer Petr Vana, der an der Erneuerung der Mariensäule arbeitet, informierte darüber, dass der Stein, der 22 Tonnen wiegt, im September dieses Jahres nach Prag transportiert werden soll. Zuerst kommt der Stein nach Hamburg, wo er auf das Theaterschiff der Brüder Forman nach Prag verladen wird.

Während des Sommers wird das Schiff stromaufwärts an der Elbe aus Hamburg Richtung Prag reisen. Auf dem Schiff reist jedoch nicht nur die Säule durch die Lande, auf seinem Deck findet inzwischen auch die Theatervorstellung mit dem Titel "Purpursegel" statt, die das Prager Publikum vorigen Sommer an der Moldau sehen konnte. Die ganze Zeit lang werden die Steinmetze den Sandsteinquader am Bord des Schiffes bearbeiten. Bildhauer Petr Vana betonte, es handele sich um ein offenes Projekt, wenn jemand Interesse hat, kann er an der Schifffahrt teilnehmen. Die Kosten für die Anschaffung und den Transport des Sandsteinquaders werden nicht von der von der Gesellschaft für die Erneuerung der Säule organisierten Spendensammlung bezahlt. Vana erklärte, er bemühe sich, Geld von verschiedenen Sponsoren für den Schifftransport zu sammeln.

Für die Erneuerung der Mariensäule hat die Gesellschaft inzwischen ca. ein Viertel der insgesamt notwendigen finanziellen Mittel gesammelt. Was noch fehlt, ist die erforderliche Baugenehmigung vom Prager Magistrat. Wie der Vorsitzende der Gesellschaft, Bildhauer Jan Bradna, informierte, wird die Erneuerung der Säule von ungefähr 75% der Dankmalschutzexperten befürwortet, sodass die Mitglieder der Gesellschaft hoffen, dass sie ihre Absicht werden verwirklichen können.

(Aktuelle Informationen über die Erneuerung der Mariensäule können Sie unter http://www.mariansky-sloup.8m.com erfahren.)