„Gesellschaft zersplittert“ – Tschechien erlebt einen Staatsfeiertag der Proteste
Dem „Kampf für Freiheit und Demokratie“ ist in Tschechien der Staatsfeiertag am 17. November gewidmet. Offiziell wird dabei an den Beginn der Samtenen Revolution 1989 und der Verfolgung tschechischer Studenten während der Besatzung 1939 erinnert. In diesem Jahr allerdings wurde deutlich, wie gespalten Tschechien den Problemen der Gegenwart, und damit vor allem der Flüchtlingskrise gegenübersteht. Präsident Zeman demonstrierte dabei den offenen Schulterschluss mit den Gegnern der Einwanderung.
Als „Faschisten“ und „wütende Menge“ bezeichnete Zeman stattdessen die Menschen, die genau vor einem Jahr gegen ihn demonstriert hatten. Wegen der rigiden Sicherheitsvorkehrungen wurden in diesem Jahr ausgerechnet Studenten von dem Ort ferngehalten, an dem 1989 die Studentenproteste begonnen hatten. Demonstrationen gegen Zeman und vor allem für Toleranz gegenüber Flüchtlingen fanden dennoch statt – in Albertov und in der Innenstadt.
Man müsse an die Menschen denken, die wegen Krieg aus ihrer Heimat flüchten müssten und dem Tode nahe seien, sagte ein Teilnehmer der Demonstration „Dieses Land gehört allen – Refugees Welcome“. Explizit gegen Zeman richtete sich ein Happening in der Narodní třida. Statt dem Präsidenten rote Karten entgegenzuhalten wie im vergangenen Jahr, durften die Passanten leere Karten beschriften – mit dem Namen eines möglichen Nachfolgers für das Staatsoberhaupt. An dieser Aktion beteiligt war auch ehemalige Innenminister Jan Ruml aus Nachwendezeiten. Der frühere Dissident zog 26 Jahre nach der Samtenen Revolution ein bitteres Fazit des 17. November:„Die Gesellschaft ist zersplittert, nichts hält sie mehr zusammen. Was uns fehlt, ist eine Stimme aus der politischen Elite, die den Menschen sagt, wie sie sich verhalten sollen. So kann es nicht weitergehen, sonst endet es wie mit der jüdischen Bevölkerung im Nationalsozialismus oder mit den Säuberungen in der Sowjetunion. Vor 26 Jahren haben wir hier für Freiheit, Demokratie, Menschenrechte und einen Rechtsstaat demonstriert. Das alles wird nun von extremistischen Gruppen in Zweifel gezogen. Für die tschechische Gesellschaft sieht das alles sehr schlecht aus.“