Gigafabrik, Windkraft, Parken: Referenden zu örtlichen Fragen begleiten Europawahl in Tschechien

Nicht nur über die Sitze in den Parlamentssälen in Straßburg wurde am vergangenen Wochenende in Tschechien entschieden. Begleitend zur Europawahl fanden in mehreren Gemeinden auch örtliche Referenden statt. Vor allem zu geplanten Bauprojekten haben sich die Bürger darin ausgesprochen – egal ob es um eine Giga-Batteriefabrik, eine Ortsumfahrung oder Windräder in ihrer Gegend ging.

In örtlichen Referenden können sich die Einwohner zu Fragen äußern, die in den Kompetenzen des Gemeinderates liegen. Damit eine Volksabstimmung gültig und verbindlich ist, müssen mindestens 35 Prozent der Bewohner des Ortes daran teilnehmen.

Über das überhaupt größte Projekt haben Anwohner von Dolní Lutyně / Deutsch Leuten im Kreis Mährisch-Schlesien entschieden. Die tschechische Regierung handelte im Frühjahr mit einem bisher nicht genannten Investor aus, dort eine Großfabrik für Auto-Batterien zu bauen. Bis zu 7000 Arbeitsplätze sollen dadurch geschaffen werden, doch die Anwohner befürchten eine starke Veränderung der Gegend inklusive Umweltschäden durch das geplante Werk.

Dolní Lutyně | Foto: Gemeinde Dolní Lutyně

Die Landschaft werde durch den Bau einer solchen Fabrik zerstört. Ihre Tochter wohne in der Nähe, sie werde künftig auf eine Fabrik schauen, anstatt auf ein Feld mit äsenden Rehen, sagt zum Beispiel Ivana.

In einem Referendum sprachen sich die Bürger eindeutig gegen das Projekt der Gigafabrik aus. Durch ihre Stimmen haben sie dem Gemeinderat das Mandat erteilt, dagegen mit Einsprüchen und Stellungnahmen vorzugehen. Einer der Sprecher der Gegner ist Martin Bohoněk von der Vereinigung Zachovejme Poolší (auf Deutsch: Lasst uns das Olse-Gebiet retten):

Martin Bohoněk | Foto: Zachovejme Poolší

„Die Wahlbeteiligung lag bei 55 Prozent, was sehr gut ist. Mehr als 88 Prozent von ihnen haben die Gemeinde unterstützt, gegen das Projekt vorzugehen. Jetzt beginnt ein harter Kampf. Viele Studien werden demnächst vorgelegt. Wir werden alle überprüfen, um zu erreichen, dass alles korrekt ausgeht. Wir werden sehen, wie lange der Kampf dauern wird.“

Der Investor will 2028 mit dem Bau beginnen. Industrie- und Handelsminister Jozef Síkela (Stan) sagte, er respektiere die Entscheidung der Anwohner, fügte aber hinzu, dass es sich um ein strategisches Projekt der Regierung handle. Er betonte daher, dass das Ergebnis der Abstimmung nicht direkt weitere Maßnahmen blockiert.

Jozef Síkela | Foto: Regierungsamt der Tschechischen Republik

An weiteren Orten des Landes waren die Bauprojekte, zu denen Volksabstimmungen stattfanden, nicht so großangelegt. Für die Einheimischen haben sie aber dennoch große Bedeutung. Mehrere Gemeinden lehnten etwa die Errichtung von Photovoltaik- beziehungsweise Windkraftanlagen in ihrer Umgebung ab. So etwa Mšené-Lázně / Mscheno in Nordböhmen oder Moravský Beroun / Bärn in Nordmähren. Miroslav Horýček unterstützte den Bau im letztgenannten Ort:

„Ich will, dass die Anlagen hier stehen. Erstens wird dadurch der Strom für mich billiger. Außerdem weiß ich, dass dadurch die Natur nicht geschädigt wird. Ich bin einmal unter einem Windrad gestanden, das sich schnell drehte, und habe davon gar nichts gehört.“

Věra Chlupová ist hingegen einer anderen Meinung:

„Wir leben hier mitten in schöner Natur. Die Windräder gehören nicht hierher. Wir sind im Altvatergebirge. Ich glaube, dass Industriegebiete und Agglomerationen für diese Anlagen besser geeignet sind.“

Die Meinung der Gegner überwog letztlich in Moravský Beroun.

Klar unterstützt wurde hingegen ein Bauprojekt in Nová Bystřice / Neu Bistritz an der Grenze zu Österreich in Südböhmen. Eine drei Kilometer lange Ortsumfahrung soll dort den Verkehr aus dem Stadtzentrum leiten. Der Südböhmische Kreis hat fast 750 Millionen Kronen (30,5 Millionen Euro) für den Bau bereitgestellt.

Aber auch zu weiteren Themen konnten die Bürger ihre Meinung zum Ausdruck bringen. So wurden sie unter anderem befragt, ob sie die Umwandlung von freien Flächen in der Gemeinde zu Baugrundstücken begrüßen, die Preiserhöhung für Jahresparkscheine befürworten, den Verkauf einer örtlichen Gaststätte an ihren langjährigen Vermieter unterstützen oder aber etwa ob sie sich ein Neujahrsfeuerwerk in ihrer Gemeinde wünschen.