Glockenklau: So verstummte das Protektorat

Foto: Archiv des Museums der Haupstadt Prag

Nach der deutschen Besetzung im Jahr 1939 verstummte die Tschechoslowakei nicht nur politisch. Fast alle Kirchenglocken des Landes endeten nämlich in den Hochöfen des Reiches.

Foto: Archiv des Museums der Haupstadt Prag
Im Zweiten Weltkrieg haben Böhmen und Mähren ihren Klang verloren. In den Jahren 1940 bis 1945 wurden 87 Prozent der böhmischen und 94 Prozent der mährischen Kirchenglocken in der deutschen Rüstungsindustrie verarbeitet. Damit starb eine richtige Institution in vielen Dörfern des Landes, denn das Glockengeläut sagte nicht nur die Zeit an oder rief zum Gottesdienst. Es kündigte auch wichtige Ereignisse im Dorfleben an oder warnte vor Gefahren.

Konfisziert wurden die Glocken auf Grundlage eines Erlasses Hermann Görings zur Unterstützung der Kriegsindustrie. Nach der Besetzung der restlichen Tschechoslowakei waren solche Anordnungen auch auf dem Gebiet des „Protektorats Böhmen und Mähren“ gültig. Die Pfarreien mussten ihre Glocken daraufhin in Kategorien einteilen, nach denen schließlich der Abtransport in die Fabriken geregelt wurde. Die Kategorie A bildeten Glocken aus „minderwertigem Material“, die sofort weggeschafft wurden. Auf die Instrumente der Kategorien B und C sollte nur bei Bedarf zurückgegriffen werden. Besonders wertvolle Stücke fanden sich in der Kategorie D wieder, diese Stücke mussten jedoch von Görings Amt persönlich begutachtet werden. Insgesamt wurden so rund 14.000 Glocken aus dem heutigen Tschechien zu Geschossen oder Panzern verarbeitet.

Im Protektorat gab es zwei große Sammelstellen für die beschlagnahmten Kirchen- und Rathausglocken. Eine befand sich in der mährisch-schlesischen Stadt Ostrava / Ostrau, die andere nahe der Libeň-Brücke in Prag. Letztere wurde in einer umfangreichen Fotodokumentation festgehalten, die sich noch heute im Archiv des Prager Stadtmuseums findet. Nun ist ein Teil davon exklusiv auf den Internetseiten von Tschechischem Rundfunk und Radio Prag in einer Fotogalerie zu sehen.