„Uns erwartet jetzt das Grauen“ – Hitlers Einmarsch am 15. März 1939

15. März 1939

Vor 85 Jahren marschierten die Truppen der deutschen Wehrmacht in Prag ein. Für die Menschen im Land war das ein Schock, auch weil sich die Tschechoslowakei wehrlos ergeben musste. Es begann eine Zeit der Besatzung durch die Nationalsozialisten, die in Krieg und Terror mündete.

Am 15. März 1939 besetzten deutsche Truppen die sogenannte „Rest-Tschechei“, wie die nationalsozialistische Propaganda den verbliebenen Teil der Tschechoslowakei damals nannte. Daruše Burdová war zu dem Zeitpunkt 15 Jahre alt, ihre Familie lebte in Brno / Brünn. An den Einmarsch kann sie sich noch sehr genau erinnern. Morgens habe man am Frühstückstisch wie immer die Radio-Nachrichten gehört, schildert sie in einem Interview für das Zeitzeugenarchiv von Paměť národa:

Foto: VHÚ

„Die ganze Zeit lief das Jingle mit der Melodie von Smetanas Moldau und dann die Ansage ‚Bewahren Sie bitte Ruhe. Die deutsche Armee hat unsere Grenzen überschritten und dringt vor. Bewahren Sie bitte Ruhe.‘ Ich weiß, dass meine Mama weinte. Selbst habe ich damals noch gar nicht verstanden, was auf uns zukommt, und mein jüngerer Bruder schon gar nicht. Mein Vater war sehr traurig. Und er sagte: ‚Uns erwartet jetzt das Grauen‘.“

In Prag hörten an dem Tag auch die damalige Erstklässlerin Eva Dobšíková und ihre Eltern die Nachrichten des Tschechoslowakischen Rundfunks:

„Ich erinnere mich, obwohl ich noch klein war, wie meine Eltern völlig konsterniert waren, als hätte man sie mit etwas geprügelt.“

Evas Familie war jüdisch. Noch am selben Tag erschoss er sich der Vater aus Angst vor dem Bevorstehenden. Die Mutter brachte danach sich und die Tochter alleine durch die sechs Jahre nationalsozialistischer Besatzung und den Krieg. Über drei Jahre lang mussten sie sich dabei verstecken. Auch ihr Schicksal hat Paměť národa dokumentiert.

Einmarsch Hitlers in Prag im Jahr 1939 | Foto: Tschechisches Fernsehen

Der Einmarsch war allerdings nicht der Anfang gewesen. Durch das Münchner Abkommen war die Tschechoslowakei schon im Oktober 1938 gezwungen, ihre deutschsprachigen Grenzgebiete an Hitler-Deutschland abzutreten. Das Ziel Berlins war aber, den Staat vollständig zu zerschlagen. Im November 1938 erhielt Ungarn die ungarischsprachigen Teile. Und am 13. März 1939 erklärte sich die Slowakei für unabhängig – also zwei Tage, bevor der Rest besetzt wurde.

Die tschechoslowakische Armee leistete fast keinen Widerstand, als die deutsche Wehrmacht mit 300.000 Soldaten die Grenzen überschritt.

„In dem Moment war nichts mehr zu machen, weil das gesamte Verteidigungssystem der Tschechoslowakei bereits zerstört war. Es gab keine Möglichkeiten mehr, sich der Übermacht zu erwehren. Die Wehrmacht konnte zudem auf das ganze Militärmaterial zurückgreifen, das die Nationalsozialisten in den verlassenen Grenzgebieten vorfanden. Die Tschechoslowakei war also ausgeliefert“, so der Militärhistoriker Vojtěch Kyncl in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks.

Deutsche Truppen auf dem Wenzelsplatz | Foto: Tschechisches Fernsehen

Innerhalb weniger Stunden hatten sich die Deutschen eingenistet. Daruše Burdová sah dies bereits am Morgen des 15. März, als sie aus dem Haus ging:

„Schon auf dem Schulweg hingen von den Häusern die deutschen Flaggen herunter. Sie reichten vom fünften bis in den ersten Stock – und in der Mitte prangte das Hakenkreuz.“

Im direkten Gefolge der Wehrmacht kamen auch die gefürchtete Geheimpolizei Gestapo und die SS. Die Verhaftungen begannen praktisch sofort. Einen Tag später wurde das „Protektorat Böhmen und Mähren“ ausgerufen und dieser Teil der Tschechoslowakei unter deutsche Verwaltung gestellt.

Autor: Till Janzer
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