Vor 85 Jahren: Als die deutschen Besatzer den Rechtsverkehr durchsetzten

Rechts gehen!

Seit 17. März 1939 gilt hierzulande der Rechtsverkehr. Manche Teile des damaligen „Protektorats Böhmen und Mähren“ mussten sogar schon am ersten Tag des deutschen Einmarschs auf die andere Fahrseite umstellen. Prag wiederum erhielt neun Tage Aufschub. Und beim Straßenbahnverkehr erforderte dies schwierigere Änderungen.

Rechtsverkehr | Foto: Tschechisches Fernsehen

Als die Einheiten der deutschen Wehrmacht am 15. März auf tschechoslowakischen Boden kamen, fuhren sie einfach auf der rechten Straßenseite weiter – obwohl es eigentlich hierzulande den Linksverkehr gab. In Ostrava / Ostrau, Příbram, Písek oder Mladá Boleslav / Jungbunzlau war man daher schon in den ersten Stunden der deutschen Besatzung gezwungen, sich an diese Neuerung zu gewöhnen. Der große Rest des Landes stellte am 17. März um sechs Uhr morgens um. Dann trat eine entsprechende Verordnung des deutschen Heeres-Oberbefehlshabers Walther von Brauchitsch in Kraft. Nur Prag erhielt einen Aufschub – um neun Tage.

Die Umstellung auf Rechtsverkehr hierzulande steht also in Zusammenhang mit der deutschen Invasion. Allerdings hatte sich die Tschechoslowakei schon 1925 in der Konvention von Paris zu dieser Änderung verpflichtet, die deutschen Besatzer beschleunigten die Sache also nur.

Foto: Tschechisches Fernsehen

Prager Manöver

Rechtsverkehr | Foto: Archiv von DPP

Die meiste Arbeit machte die Straßenbahn: Es mussten Weichen ausgetauscht, Haltestelleninseln umgebaut und bei manchen Wagen auch die Türen versetzt werden. Für die Prager Elektrischen Betriebe bedeutete dies große Manöver in den neuen Tagen, die sie als Frist bekommen hatten. Begleitet wurde das Ganze von einer Aufklärungskampagne in den Arbeitsstätten, an Schulen und auf der Straße. Vom ersten Tag an wies zudem die Presse auf den neuen Rechtsverkehr hin. In ganz Prag hingen Plakate mit Aufschriften wie „Ab 26. März fahren wir rechts“ oder „Springen Sie weder auf noch von den Wagen der elektrischen Bahn herunter“. Bei der Aufklärung halfen auch die Pfadfinder, die mit Transparenten durch die Straßen zogen und den Autofahrern Info-Flugblätter zusteckten.

Unfälle am ersten Tag

Technisch gelang die Umstellung letztlich. Schwieriger taten sich aber viele Prager, ihre Gewohnheiten zu ändern. Zum Glück war damals aber der Verkehr noch relativ dünn. Dennoch kam es in der Stadt am ersten Tag des Rechtsverkehrs zu insgesamt 26 Unfällen. Meist handelte es sich um Fußgänger, die beim Überqueren der Straße in die falsche Richtung geschaut hatten und von einer Straßenbahn erfasst wurden. Nur einer dieser Unfälle war aber tödlich: Der 49-jährige Josef Lhotský kam ums Leben, als ihn im Stadtteil Kobylisy die Straßenbahn Nr.14 umfuhr.

Noch 1910 gab es in den Böhmischen Ländern nicht einmal einhundert Autos, 1922 in der Tschechoslowakei waren es aber schon 10.000 und dann 1931 bereits 100.000. Im Vergleich zum Westen Europas war dies jedoch wenig. Während in der ČSR ein Auto auf 145 Einwohner kam, lag das Verhältnis in Frankreich bei einem Auto auf 24 Einwohner.

Die meisten europäischen Staaten stellten schon bis 1927 auf Rechtsverkehr um. Einige Länder der ehemaligen k. u. k. Monarchie folgten bis 1941. Nachzügler waren Schweden (1967) und Island (1968). Seitdem wird nur in Großbritannien, Irland, auf Zypern und Malta auf der linken Seite gefahren.

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