Goldenes Eishockey – schlappes Duell – friedlicher Veitsdom – eiserne Bäuerin
Heute geht es um den tschechischen Sieg bei der Eishockey-WM in Deutschland, es geht um ein TV-Duell zwischen den Chefs der beiden Volksparteien, außerdem um eine Einigung zwischen Staat und Kirche in der Frage, wem der Veitsdom gehört. Und dann geht es noch um eine eiserne Bäuerin – der Medienspiegel mit Christian Rühmkorf.
Moderator: Christian, fangen wir beim Wochenbeginn an. Am Sonntag hatten die tschechischen Eishockeyjungs in Deutschland Gold geholt. Und zwar wider alle Erwartungen. Im Finale habe sie sich dazu noch gegen den Erzrivalen Russland durchgesetzt. Hat sich die Partystimmung auch in den Kommentaren widergespiegelt?
Christian Rühmkorf: Ich hatte erwartet, dass nicht nur die ersten Seiten der Zeitungen randvoll sind mit Berichten über den Gold-Sieg, sondern auch die Kommentarspalten. Das war aber nicht so. Aber wenigstens Jana Blažková, die Leiterin der Reporterabteilung bei der Mladá fronta dnes, war noch ganz berauscht vom Gold der tschechischen Eishockey-Jungs und schrieb: Wenn die Jungs es im Eishockey geschafft haben, dann müssten wir etwas ähnliches versuchen bei den Wahlen am kommenden Wochenende. Blažková schreibt:„Wie wäre es, wenn wir uns ein gesellschaftliches Ziel vornähmen, das für das ganze Land wichtig ist. (In diesen Wahlen ist das zweifelsohne die Senkung des Staatsdefizits), wenn wir unsere eigenen Interessen mal vergäßen, so wie die Hockey-Spieler das geschafft haben?“
Und dann nennt Jana Blažková ein paar Bevölkerungsgruppen, die sich mal bescheiden könnten zugunsten des großen Ganzen: Der Beamte, der gern ein höheres Gehalt hätte, die Mutter, die gern eine Erhöhung des Erziehungsgeldes sehen würde, oder der Rentner, dem die Sozialdemokraten eine dreizehnte Monatsrente versprechen. Sie schreibt weiter:„Was, wenn wir wie ein verantwortungsvolles Team, das für dieses Land atmet, nur den wählen, der eine Garantie dafür ist, dass das Staatsdefizit gesenkt wird?“
Also, eine hübsche Schulterschlussrhetorik, die so richtig unauffällig auffällig gegen die Linken gerichtet ist.
Moderator: Bleiben wir noch ein bisschen bei der Politik. Am Wochenende gab es das letzte TV-Duell zwischen den Chefs der beiden großen Volksparteien, zwischen Jiří Paroubek von den Sozialdemokraten und Petr Nečas von den Bürgerdemokraten. Wie kam das an?
C. R.: Nicht gut. Weder der Moderator noch die Politiker. Milan Vodička von der Mladá fronta dnes schreibt:
„Eigenartig ist, dass es bis heute noch viele Masochisten aushalten, sich das anzusehen. (...) Das hat kein Niveau; uns kommt das aber nicht komisch vor. Auf diese Weise zu diskutieren haben wir uns nämlich alle angewöhnt. Eine tschechische Debatte, das heißt blind das eigene Ziel durchzusetzen (...) Die Strategie: brülle den anderen nieder, schlage Argumente tot, hör Dir nicht das an, was der andere zu sagen hat. Denke am besten gar nicht darüber nach. Ironisiere, beleidige, setze dich durch um jeden Preis, verlass den Schützengraben nicht. Und selbstverständlich: habe das letzte Wort.“Und so heißt denn auch die Überschrift zu diesem Kommentar: „Jede Nation hat die Debatten, die sie verdient.“
Moderator: Christian, nicht so laut bekämpft, sondern eher still geeinigt haben sich vor wenigen Tagen zwei andere Streitparteien: Und zwar die katholische Kirche und der tschechische Staat.
C. R.: Genau. Die plötzliche Einigung ist deshalb so überraschend, weil der Streit um die Frage, wem der berühmte Veitsdom auf der Prager Burg gehört, schon 18 Jahre angedauert hat.
Moderator: Zur Erinnerung – die Kommunisten hatten die Kirche enteignet und die Kathedrale dem Staat zugesprochen. Seit Anfang der 90er Jahre kämpfen beide Parteien gerichtlich um diese prächtige Immobilie. Zuletzt hatte der Oberste Gerichtshof dem Staat Recht gegeben und die Kirche hatte Verfassungsklage eingereicht.
C. R.: Richtig, und jetzt haben sich beide Seiten in einem Vertrag geeinigt, dass man sich gemeinsam um die Kirche kümmern wird. Salomonisch, denn die Eigentumsfrage hat man schlicht ausgeklammert.Zbyněk Petráček, von der Lidové noviny erinnert an einen Gesetzesentwurf, den schon der frühere Präsident Václav Havel ins Spiel gebracht hatte. Er sei der heutigen Einigung zwischen Kirche und Staat ziemlich nahe gekommen. Bis auf einen Punkt: Havels Gesetz hat auch die Eigentumsfrage geregelt. Er wollte damals eine gemeinnützige Gesellschaft als Eigentümer sehen. Zbyněk Petráček ist aber im Grunde zufrieden mit der heutigen Einigung:
„Offen gesagt: Gott sei Dank für dieses Happy End. Hätte das ganze glücklicher enden können? Vielleicht ja, wenn der vorherige Erzbischof Vlk noch vor ein paar Jahren auf die Gesetzesinitiative von Havel eingegangen wäre. Denn ein Gesetz ist doch auf alle Fälle mehr als eine vertragliche Einigung zwischen zwei ehrenwerten Männern. Nur dann hätte Vlk eben nicht so starrköpfig für den Sieg der ganzen Wahrheit kämpfen dürfen.“Auch Petr Honzejk von der Hospodářské noviny findet die Einigung positiv, aber fragt sich zugleich, ob die Kirche wohl pragmatisch oder großzügig gehandelt hat. Honzejk erinnert daran, dass seit 1905 alle Kirchen in Frankreich dem Staat gehören und dieser auch für die Instandhaltung aufkommen muss. Alles zu gegenseitiger Zufriedenheit.
„Mit der Übernahme der französischen Lösung hat sich Erzbischof Duka wie der Manager einer modernen Firma verhalten. Selten leisten diese sich noch einen eigenen Firmensitz; sie mieten ihn lieber. Sie sagen sich: Wir sind keine Immobilienverwalter, warum sollten wir uns also damit Probleme aufladen?“Moderator: Ok, das war wohl das Argument Pragmatismus.
C. R.: Ja, und weiter stellt Honzejk die Frage: Was wäre wenn. Was wäre, wenn es keine Einigung gegeben hätte und der Rechtsstreit beim Verfassungsgericht zugunsten des Staates ausgegangen wäre? Die Antwort des Kommentators:
„Dann hätte das Urteil einen bolschewistischen Beigeschmack. Der Oberste Gerichtshof hat sich nämlich in seinem Urteil zugunsten des Staates auf einen Regierungserlass aus dem Jahre 1954 gestützt, demzufolge der Veitsdom ´dem ganzen tschechoslowakischen Volke´ gehöre. Wenn hingegen das Verfassungsgericht der katholischen Kirche Recht gegeben hätte, dann wäre es ein trauriger Sieg gewesen gegen die Mehrheit der Gesellschaft.“Und das sei schlecht, sagt Honzejk, denn das Misstrauen gegenüber der Kirche wachse immer noch in Tschechien. Nach einer aktuellen Umfrage misstrauten 64 Prozent der Tschechen den Kirchen.
Moderator: Kommen wir noch zu einem anderen Enteignungsfall. Auch ein Rechtsstreit, der schon 16 Jahre andauert. Ein Streit um das Grundstück der Bäuerin Havránková, auf dem der Staat seit Ewigkeiten die Autobahn D11 weiterbauen möchte. Die Bäuerin ist mittlerweile zu einer Art Don Quijote geworden. Sie wollte sich einigen, aber dann hat die Miteigentümerin, ihre Schwester, nein gesagt. Der Regierung ist der Geduldsfaden gerissen – sie hat ein Enteignungsverfahren eingeleitet.
C. R.: Jiří Leschtina von der Hospodářské noviny schreibt dazu:
„Das Rechtsinstitut der Enteignung im öffentlichen Interesse gehört sicher zur Demokratie dazu. Nur dass man es in völlig außergewöhnlichen Situationen anwendet, erst dann also, wenn alle anderen Versuche, eine Einigung mit der Bäuerin herbeizuführen, gescheitert sind. Frau Havránková hat jedoch zwei Mal dem zugestimmt, dass ihre Grundstücke gegen andere getauscht werden. Und zwei Mal hat die Regierung einen Rückzieher gemacht. Die Schuld für den Krach hat sich der Staat selbst zuzuschreiben. Er sollte eher seine unfähigen Beamten verklagen.“Der Streit kann sich trotz Enteignung noch lange hinziehen, denn Havránková hat angekündigt bis zur letzten Instanz zu kämpfen.
Moderator: Der Medienspiegel war das, heute mit Christian Rühmkorf, vielen Dank!