Gratias-Agit-Preisträger II: Die österreichische Bohemistin Christa Rothmeier

Christa Rothmeier

Vor vier Wochen berichteten wir über das Ehepaar Brigitte und Erich Kraus, das dieses Jahr den Preis "Gratias Agit" des tschechischen Außenministeriums erhalten hat. Bei der Vergabe der Auszeichnung im Juni wurde aber auch die österreichische Bohemistin und Übersetzerin Christa Rothmeier geehrt. Till Janzer sprach mit ihr für die Sendereihe "Begegnungen" unter anderem über ihren Bezug zu Tschechien, die tschechische Literatur und ihre Tätigkeit.

Christa Rothmeier
1948 geboren, unterrichtet Christa Rothmeier seit 1976 an der Universität in Wien tschechische Literatur des 20. Jahrhunderts. Zudem ist sie als Übersetzerin vieler tschechischer Autoren bekannt. Zu nennen wären da unter anderem das Werk von Jan Skacel, Petr Borkovec oder Ivan Binar. Aber auch Jan Neruda übertrug sie ins Deutsche. Mit dem Preis "Gratias Agit" wurde Christa Rothmeier für ihr Verdienst um das Ansehen der Tschechischen Republik im Ausland geehrt. Gerade aus dem deutschsprachigen Raum zählten zu den Preisträgern in den letzten Jahren häufig Menschen aus Familien von Vertriebenen oder Emigranten. Ich fragte sie, ob auch sie einen familiären Bezug zu Tschechien oder der Tschechoslowakei hat.

Nein, überhaupt nicht. Ich bin nur Österreicherin, aus dem Waldviertel, um es genau zu sagen. Ich habe ganz einfach Slawistik studiert. Ich bin auch keine Sudetendeutsche oder aus einer sudetendeutschen Familie.

Als Sie studiert haben, war Slawistik doch eher ein kleineres Fach. Wie sind Sie dazu gekommen?

Na ja. Ich habe 1966 zu studieren begonnen und da war die Slawistik gerade ein Modefach. Ein paar Jahre später war es die Sinologie. Allerdings haben die Slawistik und vor allem die Bohemistik einen schweren Rückschlag durch das Jahr 68 und die Okkupation der Tschechoslowakei erlitten. Ich bin aber dennoch dabei geblieben, weil ich eine sehr enge Beziehung zu dem Land entwickelt hatte. Es hat mich sehr interessiert und es hat mir gefallen. Zudem habe ich seit meinem Stipendiumsaufenthalt in Prag mit verschiedenen Leuten dort Freundschaft geschlossen. Aber nach 1989, also nach der Wende, ist die Bohemistik natürlich expandiert.

Wie haben Sie zu kommunistischen Zeiten, über diese lange Zeit von 1968 bis 1989, den Kontakt zu den Leuten in der Tschechoslowakei gehalten?

Ich war 1971 bis 1973 in Prag, und dann bin ich meine Freunde so oft wie möglich besuchen gefahren. Es war nicht einfach, weil ich mir das gar nicht leisten konnte, längere Zeit zu bleiben. Das lag am Zwangsumtausch, bei dem die Geldsumme, die man umtauschen musste, für meine Verhältnisse nicht klein war. Aber ich habe immer irgendwie den Kontakt gehalten.

Und Ihre Einstieg in die Übersetzertätigkeit. Wie kam der zustande?

So richtig habe ich den erst Anfang der 90er Jahre gemacht. Da war in Österreich bereits eine ganz andere Situation. Der Wieser-Verlag in Klagenfurt war Ende der 80er Jahre gegründet worden und man hatte jetzt auch die Möglichkeit, in Österreich etwas zu veröffentlichen. Der Verlag ist damals an mich herangetreten. Es gibt aber auch persönliche Gründe. Meine Tochter machte Abitur und ging dann sofort nach Prag. Auch sie hat dort studiert, allerdings Malerei. In jedem Fall hatte ich dann sehr viel mehr Zeit. Dabei war ich zuvor immer der Meinung gewesen, dass ein großes Kind in der Pubertät nicht mehr so viel Betreuung braucht. Aber ich hatte trotzdem viel mehr Zeit. Auch kam gut an, was ich machte, und ich habe mich also im Übersetzen engagiert. Außerdem, muss ich noch hinzufügen, habe ich mich Ende der 80er Jahre scheiden lassen. Ich musste mir dann ohnehin ein Standbein zum Geldverdienen aufbauen. Obwohl man sagen muss, dass literarisches Übersetzen keine wirklich gute finanzielle Basis ist.

Christa Rothmeier
Welches sind eigentlich Ihre liebsten Literaten aus dem tschechischsprachigen Raum?

Zum Beispiel Hrabal oder Seifert, Hejda, Borkovec. Und Milan Kundera habe ich sehr gerne, seine älteren Sachen. Aber auch viele andere. An sich habe ich aber nicht ein, zwei Lieblingsautoren, so wie ich auch nicht einen Lieblingsmaler habe. Mir gefallen, immer wieder aus einer anderen Perspektive betrachtet, eigentlich viele Schriftsteller, die vielleicht ein Facette meiner eigenen Persönlichkeit befriedigen. Ich kann es aber nicht genau definieren.

Welches sind denn Ihre nächsten Übersetzungspläne?

Demnächst muss ich Anna Zonovas "Za trest a za odmenu", also "Zur Strafe und als Belohnung" fertig stellen. Das ist ein Roman über das Sudetengebiet, aus dem sie stammt - sie ist aus Nordmähren. Der Roman wurde auf meinen Vorschlag hin für den großen Preis der osteuropäischen Literaturen vorgeschlagen und machte im vergangenen Jahr den zweiten Platz. Danach werde ich mich wieder Ivan Blatny zuwenden. Eines seiner Bücher muss ich abschließen, es steht schon lange im Verlagsprogramm, aber ich komme nie dazu, das Nachwort zu schreiben.

Ich sag das mal von meiner Warte aus: Meine Russischlehrerin hatte immer die große Idee, endlich noch mal Dostojewski zu übersetzen. Das hat sie dann auch gemacht. Gibt es für Sie solch einen Literaten, bei dem Sie denken: Wenn ich den noch einmal übersetzen könnte, das wäre eine richtig tolle Herausforderung für mich?

Wenn Hrabal nicht schon übersetzt wäre und das auch noch gut -nämlich durch Susanne Roth -, wäre das für mich nicht nur eine Herausforderung, sondern sogar ein Riesenspaß. Unter Übersetzern gilt aber die Regel, dass man einem anderen nicht in die Quere kommt.