Große Siege und spektakuläre Stürze
František Šťastný ist der tschechische Motorsportler des 20. Jahrhunderts. Im November wäre er 90 geworden.
Der dunkle Ton, der Bariton der – das war der süßeste Sound für František Šťastný. Technisch schienen die Motorräder aus der kommunistischen Tschechoslowakei zwar unterlegen, dennoch gelangen Šťastný herausragende Erfolge gegen die Übermacht aus dem Westen. Dazu der Fernsehkommentator Karel Březina vor einiger Zeit in den Inlandssendungen des Tschechischen Rundfunks:
„František hielt die Podiumsplätze bei den Motorradrennen auf der Isle of Man für seine größten Erfolge. Dazu kommen vier Siege bei WM-Rennläufen und viele weitere.“Tourist Trophy – so heißt das legendäre Straßen-Rennen auf der Isle of Man. František Šťastný nahm dort erstmals 1957 teil, in der Klasse bis 250 ccm. Besonders der sogenannte Mountain Course auf der Insel mit seinen über 200 Kurven war und ist berüchtigt. Viele Fahrer sind dort tödlich verunglückt. Dennoch hat Šťastný in einem Interview einmal betont:
„Mir hat gefallen, dass ich dort nicht gewinnen musste. Die Leute wussten dann, warum ich nicht gewonnen habe. Sie sind richtige Kenner. Die Strecke ist ganz einfach die Hölle, bis heute werden dort fast 150 Tote gezählt. Auch ich bin sehr, sehr häufig gestürzt.“
Sturz bei 230 Stundenkilometern
Die Zuschauer in Großbritannien liebten den Fahrer aus der Tschechoslowakei, weil er nie aufgab. Bei seiner letzten Teilnahme an der Tourist Trophy im Jahr 1966 trat er gleich in drei Kategorien an. Doch im Training erlebte er einen der schwersten Stürze seiner Karriere, wie er mit seiner lockeren Art gerne erzählt hat:
„Das war ein Sturz bei 230 Stundenkilometer. Ich flog 165 Meter weit, wo man mich aus einem Busch pflückte. Drei Stunden lang war ich bewusstlos und verbrachte drei Tage im Krankenhaus. Ich habe den Stationsarzt dann überredet, dass ich fit bin… naja, fit war ich eigentlich. Ich habe dann einen neuen Helm gekauft, der alte war kaputt. Dazu Brille, Stiefel und Handschuhe – alles neu. Nur beim Rennanzug sagte mein Team, der sei zu teuer, den lassen wir nähen. Ein Rennen geht dort über sechs Runden à 60 Kilometer, also insgesamt 360 Kilometer. Nach der dritten Runde wird getankt und Öl gewechselt. Und ich nahm noch ‘ne Tablette mit Wasser. Da höre ich die sagen: ‚Du hast alles, fahr!‘ Und ich habe sie zum Teufel gewünscht. Aber ich habe die Maschine doch angeschoben, denn ich wollte mich nicht lächerlich machen. Wenn ich schon beim Rennen bin, gebe ich auch mein Bestes.“In der Klasse bis 250 ccm schrammte František Šťastný dann nur knapp am Podium vorbei und wurde Vierter. In der Halbliterklasse erreichte er den fünften Platz und auf der Maschine mit 350 ccm immerhin den neunten.
Wie häufig er verunglückt ist, hat Šťastný nie gezählt. Aber jeden einzelnen Sturz hat er analysiert, um daraus zu lernen.
„Nicht dass ich den Helden spielen musste: Aber am Anfang bin ich so schnell gefahren, dass ich manchmal die Kontrolle verlor. Mit der Zeit passierte mir das aber nicht mehr. Dann bin ich gestürzt, weil das Motorrad einen Defekt hatte.“
In seiner Karriere hat es Šťastný auf insgesamt 33 Knochenbrüche gebracht.
Bei der Friedenfahrt mit dem Damenrad ins Ziel
Geboren wird František Šťastný 1927 in Mittelböhmen. Schon sein Vater ist ein begeisterter Motorradfahrer. Bevor aber auch der Sohn von der Liebe zu den PS-starken Maschinen ergriffen wird, schwingt er sich aufs Fahrrad: Mit 15 Jahren beginnt Šťastný seine Karriere im Sattel. 1948 nimmt er zusammen mit der Radsportlegende Jan Veselý am ersten Jahrgang der Friedensfahrt teil. Dazu gibt es sogar eine lustige Begebenheit, an die sich sein damaliger Kumpel, der Bahnradfahrer Miloslav Verner vor einiger Zeit erinnert hat:
„Ich glaube, damals hieß das Rennen noch nicht Friedensfahrt. Es war Prag-Warschau. Und gerade in Warschau fuhr Šťastný auf einem Damenrad ins Ziel. Er war mit seinem Rennrad in die Straßenbahnschienen geraten. Dann stand da eine Zuschauerin, und mit ihrem Rad fuhr er die Etappe zu Ende.“
Ein Jahr zuvor, also 1947, beginnt František Šťastný auch mit den Motorradrennen. Die bestreitet er zunächst mit einem DKW 350 aus ehemaligen Wehrmachtsbeständen. Registrieren lässt er sich unter dem Namen seines Stiefbruders – aus gutem Grund.„Vier Jahre lang bin ich ohne Führerschein gefahren. Als das bekannt wurde, haben viele die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen. Aber da konnte man nichts machen“, so Šťastný.
1952 startet der Motorradfreak erstmals beim Grand Prix der Tschechoslowakei in Brno / Brünn – immer noch als Privatfahrer. Und gleich springt ein hervorragender siebter Platz heraus. Danach nimmt ihn der Motorradhersteller Jawa unter Vertrag, und František Šťastný bleibt den Maschinen des mittelböhmischen Unternehmens treu. Nur wenn Jawa kein geeignetes Gefährt in einer Klasse hat, wechselt er den Hersteller. Dann fährt er entweder auf einer ČZ von den tschechischen Rüstungsbetrieben aus Strakonice oder auch auf einer MZ aus Zschopau.
1964 gewinnt Šťastný in der Klasse bis 250 ccm erstmals den tschechoslowakischen Grand Prix. Bis 1962 siegt er insgesamt sieben Mal in Brünn. Der erste Triumph im Ausland gelingt ihm 1960 beim Großen Preis von Österreich in der Klasse bis 350 ccm. Seine bestes Jahr wird 1961, als er in derselben Klasse sowohl in Hockenheim die Konkurrenz hinter sich lässt, als auch im schwedischen Kristianstad. In der WM-Gesamtwertung wird Šťastný dann Zweiter hinter Gary Hocking aus dem damaligen Rhodesien.
Mit der Jawa gegen die Westkonkurrenz
Den letzten großen Sieg erringt er 1966 auf einer Halbliter-Maschine auf dem Sachsenring. Für František Šťastný und seinen Teampartner Gustav Havel sind die Rennen zu der Zeit immer auch ein Kampf gegen die westlichen Motorrad-Marken:
„Wenn mein Motorrad in Ordnung war, dann bin ich bei den WM-Rennen nicht schlechter als auf den dritten Rang gefahren. Von meinen Gegnern habe ich einzig den Italiener Giacomo Agostini nie besiegt. Alle anderen, ob das die Briten Mike Hailwood, John Surtees und Bob McIntyre oder Gary Hocking waren, konnte ich mindestens einmal bezwingen. Das heißt, sie hatten tatsächlich Angst vor der Jawa. Das kann sich heute gar niemand mehr vorstellen, welche Schlachten Havel und ich mit der ungleichen Konkurrenz ausgefochten haben. Zu meiner Zeit damals haben die aus dem Westen auf uns wie dressierte Affen geschaut. Dann haben wir auf einmal begonnen, Siege einzufahren – auf solch einer Jawa. Das hat mich motiviert. Ich bin gerne ins Ausland gefahren. Ganz nach dem Motto: Ich zeig´s Euch, hurra…“1971 stand František Šťastný zum letzten Mal bei einem Motorradrennen auf dem Siegerpodest. Nach dem Ende seiner aktiven Karriere arbeitete er unter anderem als Motorsport-Kommentator für das Tschechoslowakische Fernsehen.
Kurz vor seinem Tod im Jahr 2000 wurde dem Rennfahrer die vielleicht größte Ehre zuteil: Die Teilnehmer einer Umfrage des Autoklubs wählten ihn zum tschechischen Motorsportler des Jahrhunderts.