Grünes Fossil als Neuzuwachs: Botanischer Garten der Universität lädt ein

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Im 19. Jahrhundert haben ihn Botaniker aus ganz Europa bewundert. Den Prager Universitätsgarten, der sich damals im Stadtteil Smíchov befand. Später musste der botanische Garten in die Prager Neustadt verlegt werden. Heutzutage dient der botanische Garten der Karlsuniversität bei weitem nicht nur den Studenten, sondern ist zu einem beliebten Ziel der Prager geworden.

Der botanische Garten der Karlsuniversität ist einer der ältesten Universitätsgärten in Europa. Um die Errichtung eines botanischen Gartens bei der Alma Mater bemühte sich schon der erste Medizin- und Botanikprofessor an der Prager Universität, Scotti de Compostella, im Jahre 1752. Der Garten wurde nach 23 Jahren andauernder Bemühung 1775 am linken Moldauufer im heutigen Stadtteil Smíchov eingerichtet. Die Botaniker von der Universität versuchten bereits zuvor die böhmischen Herrscher von der Nützlichkeit eines botanischen Gartens zu überzeugen. Erfolg hatten sie aber erst bei Kaiserin Maria Theresia. Sie erlaubte ihnen, das Grundstück, das damals den Jesuiten gehörte, für einen botanischen Garten zu nutzen.

Der Garten befand sich ungefähr vor der heutigen Jirásek-Brücke. Der kleine Dienzenhofer-Park vor der Kreuzung am linken Moldauufer ist eigentlich ein Torso dieses Gartens. Der Garten blühte schnell auf, es wurden schnell neun Treibhäuser erbaut, was für die damalige Zeit nicht ganz üblich war. Ende des 19. Jahrhunderts wurden im Garten schon etwa 13.000 Pflanzen gezüchtet, sagt die stellvertretende Direktorin des Botanischen Gartens, Věra Hroudová:

„Der Garten zählte zu der Zeit zu den reichsten und vielfältigsten Gärten nördlich der Alpen und hatte einen sehr guten internationalen Ruf. Die Blütezeit erlebte er unter der Leitung von Vinzenz Kosteletzky und Matyáš Tatar. Mit der fortschreitenden Industrialisierung von Smíchov stellte sich später heraus, dass dieser Stadtteil nicht der ideale Ort für die einzigartige Flora ist. Schadstoffe aus den unweit gelegenen Textilfabriken beeinträchtigten das Wachstum der Pflanzen. Im September 1890 wurde Prag zudem von einer Hochwasserkatastrophe heimgesucht, bei der sogar die Karlsbrücke beschädigt geworden ist. Auch der Garten blieb nicht verschont. Dies war der entscheidende Moment, um über die Verlegung des Gartens an einen weniger gefährdeten Ort nachzudenken. Der Universität gelang es ein Grundstück in der Straße Na Slupi in der Neustadt zu kaufen. Dort befand sich seit 1846 der Gesellschaftsgarten, der von der so genannten ´Gartenbaugesellschaft´ verwaltet wurde. Die Gesellschaft wurde unter anderem von Fürst Rohan gefördert. Die Gesellschaft errichtete 1882 auf dem Grundstück eine herrliche Orangerie, die bis 1945 erhalten blieb. An ihrer Stelle wurde dann ein moderneres Treibhaus erbaut, das in den Jahren 1996-1998 neu gestaltet wurde.“

Als die Universität das Grundstück übernahm, gab es dort Gartenterrassen sowie zahlreiche wertvolle Bäume. Die Errichtung des botanischen Gartens war somit nicht schwierig. Der erste Direktor des neuen Universitätsgartens war der Botaniker Ladislav Josef Čelakovský. Sein Vater František Ladislav war während der Ära der nationalen Widergeburt ein namhafter tschechischer Dichter. Von anderen international bekannten Botanikern, die den Garten leiteten, ist Karel Domin zu nennen. Als passionierter Naturfreund setzte er sich unter anderem für die Gründung des Nationalparks in der Hohen Tatra in der Slowakei ein.

Im botanischen Garten wurde vor kurzem ein Gartenfest anlässlich des 111. Gründungstags begangen, denn 1898 wurde der Universitätsgarten gemeinsam mit den neuen Botanik-Instituten der tschechischen sowie der deutschen Universität in der Neustadt offiziell eröffnet. Bis heute ist ein Teil der Pflanzen erhalten geblieben, die damals von der Gartenbaugesellschaft übernommen wurden. Bis zu den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts gehörte der Garten zum Lehrstuhl für Botanik der Naturwissenschaftlichen Fakultät. Später ist er zu einer selbständigen Institution geworden. Heute erstreckt sich der Garten auf einer Fläche von 3,5 Hektar. Draußen kann man etwa 3.000 Pflanzen bewundern. Die stellvertretende Direktorin hält die Sammlung der mitteleuropäischen Flora für den wertvollsten Teil des Gartens:

„In der Sammlung findet man um die 1000 Pflanzen, die vor allem aus Böhmen, Mähren und der Slowakei stammen. Die slowakischen Pflanzen haben wir nach der Auflösung der Tschechoslowakischen Föderation natürlich nicht weggeschmissen. Die damalige tschechoslowakische Sammlung wurde um eine mitteleuropäische erweitert. Der Wert der Sammlung besteht darin, dass die Mehrheit aller Pflanzen an diesem Ort kontinuierlich 100 Jahre lang angebaut wird. Zweitens wissen wir, woher jede der Pflanzen stammt. Wenn eine dieser Pflanzen in der Natur verschwindet, haben wir das genetische Material, um sie dort wieder anzupflanzen. Die Sammlung stellt damit eine Art Gen-Bank dar. Im mitteleuropäischen Maßstab gibt es kaum einen anderen botanischen Garten, der über eine solche Sammlung verfügt.“

Hroudová zufolge hat man keines der runden Jubiläen des Universitätsgartens gefeiert und so entschied sie sich mit ihren Mitarbeitern, wenigstens den 111. Jahrestag der Eröffnung des Gartens in der Prager Neustadt nun zu begehen. Während des Gartenfestes wurde anlässlich des Jubiläums eine neue Baumart angepflanzt, die aus Australien stammt:

„Es handelt sich um die Wollemia nobilis, die man inzwischen in mehreren botanischen Gärten findet. Vor einigen Jahren war sie aber noch eine Seltenheit. Sie gehört zu den ältesten Baumarten der Welt und wurde in den 90er Jahren in Australien gefunden. Bis zu dieser Zeit kannte man sie nur als Fossil. Es ist ein ähnlicher Fall wie der Gingkobaum oder der so genannte ´Urwelt-Mammutbaum´ wie die Metasequoia genannt wird. Wir haben hier einen der ersten drei Mammutbäume, die in den fünfziger Jahren in die Tschechoslowakei eingeführt wurden.“

Einen Teil der Pflanzensammlungen kann man in den Treibhäusern bewundern. Diese wurden in den Jahren 1997 – 2000 umgebaut. Im tropischen Gewächshaus werden vorwiegend Palmen und Pflanzen des tropischen Waldes gezüchtet. In einem kleinen See zieht vor allem die Riesenseerose – die Victoria cruziana – die Aufmerksamkeit der Besucher an. Die Besonderheit liegt in ihrer großen Blüte, die nur eine Nacht lang blüht. Gefragt sind auch die Fleisch fressenden Pflanzen sowie Orchideen. Aus dem Palmenhaus kommt man in die subtropischen Gewächshäuser. Im feuchten Treibhaus werden im Winter Pflanzen platziert, die im Sommer draußen ausgestellt sind. Am größten ist die Sammlung der Mittelmeerraumpflanzen und der australischen Pflanzen. Im trockenen subtropischen Treibhaus findet man eine Dauerausstellung von Sukkulenten.

Obwohl der Garten nicht gerade auf der Haupttouristenroute Altstädter Ring – Karlsbrücke – Hradschin liegt, ist er vom historischen Stadtkern nicht weit entfernt. Direkt vor dem Garten hält die Straßenbahn Nr. 18 und 24, und die Haltestelle heißt auch „Botanická zahrada“. Die Mitarbeiter des Gartens bemühen sich, wie Věra Hroudová erzählt, in den letzten Jahren stärker darum, nicht nur die Prager, sondern auch stärker die ausländischen Prag-Besucher anzusprechen.

„Für die Besucher veranstalten wir während des Jahres zahlreiche Ausstellungen. Nach der jetzigen Orchideenausstellung wird am 27. November eine Weihnachtsausstellung eröffnet, in der volkstümlicher Weihnachtschmuck gezeigt wird. In diesem Jahr ist es bereits die 14. Ausstellung, die hier zu sehen ist. Seit 70 Jahren werden hier regelmäßig Kakteen präsentiert. Der ehemalige Direktor Václav Větvička, der für die Popularisierung der Botanik sehr viel tat, hat hier die Tradition der Kunstausstellungen eingeführt.“

Damit sind wir fast am Ende des heutigen Spaziergangs durch den botanischen Garten der Karlsuniversität angelangt. Als wir über die Geschichte des Gartens sprachen, haben wir auch die Auflösung der Tschechoslowakischen Föderation erwähnt. Falls Sie wissen, wann es dazu kam, beziehungsweise wann die selbständige Tschechische Republik entstanden ist, können Sie es uns schreiben, denn so lautet unsere heutige Quizfrage, für deren richtige Beantwortung Sie ein Buch über Prag gewinnen können.

In der letzten Ausgabe des Spaziergangs im September fragten wir Sie nach dem Heiligen, der als Eremit im Böhmerwald gelebt hat und im Prager Benediktinerstift Břevnov bestattet ist, es war der heilige Gunther, tschechisch Vintíř. Ein Buch geht diesmal nach Kalifornien an Armin Gerstberger.

Foto: www.bz-uk.cz