H-System: eine Sünde der wilden 90er

Foto: ČTK / Michal Krumphanzl

Die Causa H-System hat viel Staub aufgewirbelt in Tschechien. Staatspräsident Zeman hat dazu nun die Spitzen des Obersten Gerichtshofs und des Verfassungsgerichts vorgeladen. Dabei ging es aber um weit mehr als nur diesen einen Betrugsfall.

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Am Ende haben die Geschädigten im Fall der bankrotten Baufirma H-System Aufschub bekommen. Sie müssen ihre Häuser vorerst nicht verlassen, zumindest bis der Fall nicht endgültig geklärt ist. Dies hat der Insolvenzverwalter des Unternehmens, Josef Monsport, nach der ersten Schlichtungsrunde am Montag bekanntgegeben.

Der Fall zieht aber mittlerweile viel weitere Kreise. Staatspräsident Miloš Zeman hat die Initiative ergriffen und die Spitzen vom Obersten Gerichtshof, der das umstrittene Urteil in der Causa gefällt hatte, und Verfassungsgericht auf die Prager Burg geladen. Der Präsident empfindet den Rechtspruch nämlich als ungerecht, sein Sprecher Jiří Ovčáček erklärt das weitere Vorgehen:

Pavel Šámal  (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
„Der Präsident ist bereit, sich einer Verfassungsbeschwerde im Fall H-System anzuschließen, sollte eine solche eingereicht werden. Er richtet sich dabei nach dem Prinzip amicus curiae brief.“

Der Vorsitzende des Obersten Gerichtshofes, Pavel Šamal, betont aber, dass sich Recht und Gerechtigkeit nach bestimmten Grundsätzen orientieren müssen:

„Gerechtigkeit kann man nicht auf der Ungerechtigkeit gegenüber anderen aufbauen. Gerechtigkeit für eine kleine Gruppe kann nicht mit Ungerechtigkeit gegenüber allen anderen Geschädigten aufgewogen werden. Man muss sich deutlich machen, dass in diesem konkreten Fall 60 Familien ihre Häuser verlassen müssten, es insgesamt aber über 1000 Betrogene gibt. Ich bestehe darauf, dass es nur eine Gerechtigkeit gibt, und die muss gerecht für alle sein.“

Pavel Rychetský  (Foto: ČTK / Roman Vondrouš)
Der Präsident des Verfassungsgerichts Pavel Rychetský räumt indes ein:

„Gerade an der Länge und der Ineffektivität der Gerichtsverfahren leiden vor allem die Insolvenzprozesse hierzulande. Auch wenn wir darüber nicht konkret mit dem Präsidenten gesprochen haben, so ist der Fall H-System dafür exemplarisch. Er ist ein Beispiel nicht nur für das Scheitern der Gerichtsbarkeit, sondern ein Beispiel für das Scheitern des Staates in den kritischen 1990er Jahren. Punkt.“

Darum sieht Pavel Šamal vor allem die Politik in der Pflicht. Und das nicht nur im Fall H-System, sondern generell bei der Aufarbeitung der 1990er Jahre:

Jan Kněžínek  (Foto: Archiv des Regierungsamtes der Tschechischen Republik)
„Der Oberste Gerichtshof hat in seinem Bericht zu dem Fall auf die Wurzeln der ganzen Sache aufmerksam gemacht. Es sind die 90er Jahre, die manchmal auch die wilden 90er Jahre genannt werden. Der Staat ist zu dieser Zeit nicht seiner Regulierungspflicht nachgekommen. Es hieß immer: ‚Anwälte würden den freien Markt einklagen und der freie Markt würde alles richten.‘ Das Ergebnis haben wir hier. Deshalb sollte der Staat jetzt eingreifen und die Betroffenen in irgendeiner Weise entschädigen.“

Wie hoch eine Entschädigung für die geprellten Kunden von H-System ausfallen könnte, oder ob sie überhaupt mit einer Zahlung rechnen können, das bleibt bisher unklar. Das Problem ist laut Šamal, dass eine strafrechtliche Entschädigung in dem Fall nicht greift und dass Zahlungen deshalb aus gutem Willen heraus geschehen müssten. Die Politik zeigt sich da aber reserviert. So auch Justizminister Jan Kněžínek:

„Es wäre unehrlich, da irgendwelche falschen Hoffnungen zu wecken bei den Betroffenen. Wir sprechen da von einer Angelegenheit, die etwa 20 Jahre zurückliegt. Da werden viele Ansprüche einfach verjährt sein.“