Harte Drogen EU-weit rückläufig, steigender Konsum von Cannabis und Ecstasy
Sex, Drugs and Rock'n Roll war das Motto der 68er Generation. Doch während die Hippies mittlerweile in die Jahre gekommen sind, gilt dies leider so ganz und gar nicht nicht für deren Motto. Die Jugendlichen von heute konsumieren mehr Drogen denn je. Für die Europäische Union ist die Drogenproblematik eine der größten Herausforderungen, betrifft sie gleichermaßen wirtschaftliche, rechtliche wie soziale Bereiche. Sandra Dudek berichtet heute über die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht, die als zentrale Informationsbehörde eine wichtige Funktion in der Drogenpolik der Europäischen Union einnimmt:
Vor allem im Sommer ist der Prager Letna-Park ein beliebtes Naherholungsgebiet für die Städter: Inline-Skater proben auf den betonierten Wegen elegante Rückwärtsschwünge, Frisbeescheiben fliegen durch die Luft, eisbekleckerte Kleinkinder turnen auf den Spielplätzen herum, Grüppchen von Jugendlichen fläzen sich auf der Wiese - und rauchen. Nicht immer aber handelt es sich dabei um in der Trafik erstandene und gesetzlich zugelassene Tabakwaren. In Bezug auf den Cannabiskonsum ist die Tschechische Republik europaweit führend: Mehr als 22 Prozent der jungen Tschechinnen und Tschechen zwischen 15 und 35 gaben an, im Jahr 2002 die illegale Droge Cannabis konsumiert zu haben - mehr als die gleiche Altersgruppe in Großbritannien, Spanien oder Frankreich. Dies hat die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht im Jahresbericht 2004 erhoben, dem ersten Jahresbericht nach der EU-Erweiterung, die auch den europäischen Drogenmarkt und damit die eu-weite Drogenproblematik massiv beeinflusst hat. Dazu Margareta Nilson, die Programmkoordinatorin der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht:
"Natürlich hat die EU-Erweiterung einen Einfluss gehabt, indem die Konsummuster sich mehr angeglichen haben. Wir sehen vor allem bei Cannabis eine sehr hohe Steigerung in vielen neuen Mitgliedstaaten einschließlich der Tschechischen Republik, wo der Cannabis-Konsum sehr stark zugenommen hat. Auch der Heroinkonsum hat in vielen neuen Mitgliedstaaten stark zugenommen. Pervitin war immer eine tschechische Besonderheit, das ist ein Amphetamin, also eine stimulierende Droge, das hat es in der Tschechischen Republik schon immer gegeben."
In den Ländern der Europäischen Union gibt es schätzungsweise eineinhalb Millionen so genannter Problemkonsumenten und fast jeder fünfte EU-Bürger hat zumindest einmal unerlaubte Drogen ausprobiert. Nichts fürchten die Europäer mehr als einen Anstieg von Drogenkriminalität und organisiertem Verbrechen: Die meisten sehen dies sogar als die größte Bedrohung unserer Gesellschaft. Mitunter nicht ganz zu unrecht, denn kaum ein europaweites Problem ist so schwer fassbar wie das Drogenphänomen: Der Drogenhandel beachtet nun mal keine Grenzen und die unmittelbaren wie mittelbaren Auswirkungen des Drogenkonsums betreffen die unterschiedlichsten Wirtschafts- und Lebensbereiche. Daher hat die Europäische Kommission vor gut zehn Jahren die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht eingerichtet, deren Hauptaufgabe ist, so Margareta Nilson:
"Informationen zu sammeln, zu analysieren und dann wieder zu verbreiten beziehungsweise zugänglich zu machen. Das heißt wir sammeln Informationen über epidemiologische Daten, das heißt, wie viele nehmen was, und welche Konsummuster gibt es mit welchen Konsequenzen, vor allem Infektionskrankheiten und natürlich auch Drogentodesfälle, wie viele kommen ins Gefängnis und so weiter und so fort."
Die dezentralisierte EU-Behörde mit Sitz in Lissabon sammelt also sämtliche Daten und Fakten im Zusammenhang mit der Drogenproblematik in den einzelnen europäischen Ländern. Auf diesen mittlerweile sehr umfangreichen Informationspool können sämtliche zuständige Institutionen und Experten zugreifen und sich beispielsweise über Trends auf dem Drogenmarkt, die Beschaffenheit und Verbreitung neuer Drogen oder medizinische und rechtliche Problemlösungsansätze in anderen Mitgliedsländern informieren. Außerdem übernimmt die Drogenbeobachtungsstelle eine wichtige Funktion als Drehscheibe in der Zusammenarbeit zwischen der Polizei, der Justiz, den Zollämtern innerhalb und über die Grenzen hinweg. Und nicht zuletzt bilden die Berichte der Drogenbeobachtungsstelle die Grundlage für die Entwicklung einer europaweiten Drogenstrategie. Daher werden neben der reinen Datenerfassung noch weitere Informationen gesammelt, ausgewertet und analysiert, erklärt Margareta Nilson:
"Was wird vorbeugend gemacht, wie werden Drogenabhängige behandelt, was passiert in Gefängnissen, wie vermeidet man Infektionskrankheiten, wie vermeidet man Schäden durch Drogenkonsum und schließlich schauen wir auch, was macht die Drogenpolitik in den unterschiedlichen Ländern. Fast alle Länder haben inzwischen Drogenstrategien. Diese sammeln wir, vergleichen sie und gucken dann auch, wie die unterschiedlichen Mitgliedstaaten ihre Aktionspläne, ihre Strategien auswerten."Die bessere Beobachtung von Trends im Bereich der politischen Maßnahmen durch die Drogenbeobachtungsstelle hat auch auf nationaler Ebene einiges in Bewegung gebracht: Inzwischen haben bereits 22 von 25 EU-Mitgliedsländern eine nationale Drogenstrategie verabschiedet. Diese Strategien unterscheiden sich von Land zu Land, weisen jedoch gemeinsame Züge auf, wie beispielsweise die Fokussierung auf die Drogenlieferung oder die Beobachtung des Drogenmarktes. Die neuen EU-Mitgliedsstaaten, unter anderem auch die Tschechische Republik, die eine solche nationale Strategie angenommen haben, konzentrieren sich alle auf die Verbesserung der Behandlung und die Reduzierung von Risiken. Und befinden sich damit im Einklang mit der Drogenstrategie der EU. Erst kürzlich wurde vom Europäischen Rat eine gesamteuropäische Drogenstrategie verabschiedet. Außerdem wurde ein so genannter Aktionsplan ausgearbeitet, der in den Jahren 2005 bis 2008 umgesetzt werden soll und unter anderem, so Margareta Nilson von der Drogenbeobachtungsstelle, Folgendes zum Inhalt habe:
"Koordination, Reduktion der Nachfrage, also Prävention und Behandlung, Reduktion des Angebotes, also wie sieht man zu, dass nicht so viele Drogen reinkommen und verkauft werden, internationale Kooperation, denn die EU macht auch viel in anderen Teilen der Welt, wo Drogen angebaut werden und natürlich auch Informationsforschung und -evaluierung, denn diese Drogenaktionspläne werden auch ausgewertet und da hat die Drogenbeobachtungsstelle eine zentrale Rolle. Wir liefern die Daten, damit die Mitgliedsstaaten sehen können, wie dieser Aktionsplan umgesetzt wurde."
Eine Patentlösung für das Drogenproblem gibt es nun mal nicht und selbst einzelne Ansätze können nur dann zielführend sein, wenn die Zusammenarbeit zwischen den jeweiligen Institutionen verbessert wird. Man müsse die Drogenproblematik eben als eine übergreifende Sache sehen, das Netzwerk müsse funktionieren, meint Margareta Nilson, und erläutert diesen Zugang anhand des folgenden, ebenso einfachen wie häufigen Beispiels, nämlich dem eines Drogenabhängigen, der aufgrund einer Straffälligkeit in Berührung mit der Justiz kommt:
"In vielen Fällen versucht man dann, diese Person in die Behandlung überzuleiten und es gibt inzwischen in allen Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, eine Behandlung anzubieten und diese Person nicht ins Gefängnis zu schicken. Aber da müssen eben auch das Gesundheitswesen, die Justiz, die Polizei, die sozialen Behörden zusammenarbeiten, denn wenn diese Person dann aus der Behandlung kommt und keine Arbeit hat und keine Wohnung, wird sie sehr schnell wieder zurück in der Drogenszene sein und dann geht es darum, dass das soziale Netz sie auffängt."
Nicht nur in Tschechien, europaweit ist das Drogenproblem gewachsen, das Konsumverhalten jedoch hat sich verändert: Weg von den harten Drogen, wie Heroin oder Pervitin, hin zu den weichen Drogen, wie Cannabis oder Ecstasy. Trotz der generellen Zunahme des Drogenkonsums, kann die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht aber auch über erfreuliche Tendenzen berichten: Durch den Rückgang des problematischen Drogenkonsums habe sich auch die Zahl der Drogentoten verringert und es gebe nicht mehr so viele Neuinfektionen mit HIV. Allerdings warnt sie gleichzeitig vor neuen Drogen, deren Langzeitwirkungen noch nicht erforscht sind, wie beispielsweise Ecstasy, einem Amphetamin. Die so genannte "Tanzdroge" ist in einigen EU-Ländern, vor allem in Tschechien, auf dem Vormarsch und könnte europaweit - nach Cannabis - zur Droge Nummer 2 werden. Die Folgeerscheinungen des Ecstasy-Konsums dürfen, so Margareta Nilson von der Europäischen Drogenbeobachtungsstelle nicht unterschätzt werden:
"Ecstasy und diese Tanzdrogen, wie wir sie nennen, sind an eine bestimmte Kultur gebunden, und die meisten Leute nehmen diese Drogen während einer relativ kurzen Zeit. Aber man muss sehen, dass da natürlich eine Gefahr ist, dass sie auf andere Drogen umsteigen oder man darf ja nicht auf die legalen Drogen, zum Beispiel Alkohol, vergessen."
Nicht zuletzt deshalb arbeitet die Europäische Union auf eine zumindest massive Einschränkung von Alkohol und Nikotin hin.
Folgende Hinweise bringen Ihnen noch mehr Informationen über den Integrationsprozess Tschechiens in die Europäische Union:
www.integrace.cz - Integrace - Zeitschrift für europäische Studien und den Osterweiterungsprozess der Europäischen Union
www.euroskop.cz
www.evropska-unie.cz/eng/
www.euractiv.com - EU News, Policy Positions and EU Actors online
www.auswaertiges-amt.de - Auswärtiges Amt