Havel mahnt Paroubek: Kohletagebau nicht zu Lasten der Lebensqualität

Vaclav Havel

Es ist relativ still geworden um Vaclav Havel, den ehemaligen Präsidenten der Tschechoslowakischen Föderativen Republik (CSFR) und der 1993 gegründeten Tschechischen Republik (CR). Zumindest was seine Auftritte im Scheinwerferlicht der medialen Öffentlichkeit betrifft. Doch Havel nimmt nach wie vor aktiv Einfluss auf die gesellschaftlichen Prozesse in seinem Heimatland. Das wurde gerade dieser Tage wieder deutlich, als er sich in einem offenen Brief an den amtierenden Premierminister Jiri Paroubek wandte. In welcher Angelegenheit, dazu mehr von Lothar Martin.

Vaclav Havel
Vaclav Havel hat die tschechoslowakische bzw. tschechische Politik über 13 Jahre lang mitbestimmt. Unter anderem weil er wollte, dass sie quasi unter seiner Obhut eine klare unverwechselbare Handschrift trägt. Eine Politik, die darauf ausgerichtet ist, den Bürgern des Landes den Weg für ein menschenwürdiges Dasein zu ebnen. Diesbezüglich sieht Havel in Premier Jiri Paroubek jenen Typ Politiker, der dieses Leitbild weitgehend ausfüllen könnte. Doch Havels Bewunderung für den amtierenden Regierungschef hat erste Risse bekommen. Ihm missfällt zum Beispiel die Absicht Paroubeks, die 1991 per Regierungsbeschluss festgelegten Förderquoten für Braunkohle wieder aufzuheben. Eine solche Änderung hätte nämlich zur Folge, dass einige Ortschaften in Nordböhmen dem ökonomischem Druck ein weiteres Male weichen müssten und wegen der dann expandierenden Kohleförderung unter Umständen ganz von der Landkarte verschwinden würden. Die zwei Orte, die einer solchen Energiepolitik als erste zum Opfer fallen würden, sind Horni Jiretin und Cernice. Deshalb hat Havel in einem offenen Brief den Premier angemahnt, sowohl langjährigen Werten als auch dem historischen Erbe den Vorzug vor momentanen Vorteilen zu geben. Das sieht auch die große Mehrheit der Einwohner von Horni Jiretin so, die sich zum drohenden Niederriss ihres Ortes bereits im Frühjahr in einem Referendum geäußert hatte. Bürgermeister Branko Glavica zum Ergebnis der Volksbefragung, an der 76 Prozent der Einwohner teilgenommen haben:

"Und 96 Prozent der Befragten haben sich gegen den Niederriss der Gemeinde ausgesprochen. Die Stimmung hier war nicht gerade zum Besten bestellt. Viele haben nämlich mit dem Bau von Familienhäusern begonnen, während die Fördergesellschaft ihre Kohleförderung bis zu uns nach oben ausweiten wollte. Nach dem Referendum sind die Menschen jedoch sehr selbstsicher und glauben, dass die Gemeinde erhalten bleibt."

Womöglich ein Trugschluss, weiß auch Glavica, der darauf verwies, dass in der Vergangenheit allein in der Umgebung von Most / Brüx schon rund 90 Ortschaften der Braunkohleförderung zum Opfer gefallen sind. Paroubek hatte schließlich mehrfach die Kohleenergie zum wichtigsten Energieträger des Landes nach der Atomkraft erklärt. Doch nun hört sich seine Rhetorik schon etwas gedämpfter an. Auf Havels Kritik ließ der Premier über die Regierungssprecherin verlauten, dass im Falle eines Kabinettsentscheids für die Aufhebung der Förderquoten die örtlichen Bürger, Gemeinde- und Kreisverwaltungen das letzte Wort darüber hätten, ob Kohle in ihrem unmittelbaren Lebensraum abgebaut werden kann oder nicht. Für Vaclav Havel und die tschechischen Umweltschützer stößt es ohnehin auf Unverständnis, dass die nationale Regierungspolitik angesichts des voll belastbaren Atomkraftwerks Temelin immer noch auf den gleichzeitigen Ausbau der Kohlerförderung setzt. Der Vollendung des AKW Temelin lag nämlich seinerzeit das Versprechen zugrunde, im Gegenzug die Leistung der Wärmekraftwerke in Nordböhmen auf ein vernünftiges Maß herunterzufahren, erinnerte Havel die Politiker der Gegenwart.