Havel-Serie: Havel hat sich um Bildung des Rechtsstaats verdient gemacht
Wenn Václav Havel am kommenden Sonntag seinen Amtssitz als Staatspräsident auf der Prager Burg für immer räumen wird, dann wird man hierzulande wohl erst richtig spüren, welche Lücke er hinterlassen wird. Besonders die Vertreter der tschechischen Justiz werden gespannt sein, welchen Nachfolger er finden wird, denn für die meisten von ihnen ist Havel untrennbar mit der Herausbildung des hiesigen Rechtsstaats verbunden. Hören Sie dazu den folgenden Beitrag von Lothar Martin.
Seit der Gründung der eigenständigen Tschechischen Republik im Jahr 1993 hat Václav Havel insgesamt neun Änderungsvorschläge zu verschiedenen Gesetzen beim tschechischen Verfassungsgericht in Brno/Brünn eingereicht. In der Mehrheit mit Erfolg. Das Verfassungsgericht billigte zum Beispiel auf Vorschlag des Präsidenten die teilweise Aufhebung des Wahlgesetzes, des Gesetzes über Gerichte und Richter oder des Gesetzes über die Tschechische Nationalbank. "Mehrere Vorschläge betrafen jedoch auch das ganz normale Leben, zum Beispiel die Änderungen beim Gesetz zum Schutz gequälter Tiere," ließ sich der Vizevorsitzende des Verfassungsgerichtes Milos Holecek vernehmen.
Alle bisherigen Verfassungsrichter wurden durch Václav Havel ernannt. Am Dienstag wird er diese Aufgabe zum letzten Mal in seiner Amtszeit wahrnehmen. Dann wird Havel nämlich den ehemaligen Botschafter beim Europarat in Strassburg, Jirí Mucha, zum Verfassungsrichter ernennen. Mucha wird in dieser Funktion Vlastimil Sevcík ersetzen, der kurz vor dem Jahresende 2002 verstorben ist. Der von Havel vorgeschlagene Amtsnachfolger wurde am vergangenen Donnerstag mit großer Mehrheit vom Senat bestätigt.
Den Worten von Ombudsmann Otakar Motejl zufolge hat Havel eine unstrittige Rolle bei der Schaffung eines demokratischen Gerichtswesens eingenommen. "Ihre Unterschrift tragen auch die Entwicklung der tschechischen Justiz, das justitiable Konzept und die Entfaltung des Rechtsstaates," lobte Motejl den Präsidenten bei dessen feierlichem Abschied von den Vertretern der höchsten Gerichtsinstitute des Landes zu Beginn des Monats in Brünn. Wie sehr Havel inzwischen auch auf dem internationalen Gerichtsparkett gefragt ist, verdeutlicht eine jüngst in Moskau stattgefundene Pressekonferenz, von der Petr Voldan, der Russland-Korrespondent des Tschechischen Rundfunks, wie folgt berichtete: "Wie mir auf der Pressekonferenz nicht nur Larissa Bogorazova, eine Teilnehmerin der 1968 auf dem Roten Platz durchgeführten Demonstration gegen die Okkupation der Tschechoslowakei, bestätigte, sondern auch die Vorsitzende der russischen Helsinki-Gruppe, Ludmila Alexejeva, sei für sie und ihre Idee des ´Gerichts der Ehre und Moral in der Politik´ Václav Havel der geeignetste Partner, auch wenn er bald aus der Funktion des Staatspräsidenten ausscheiden wird."
Der ehemalige Dissident Václav Havel ist also auch als Staatspräsident zu einem Symbol für Ehre und Gerechtigkeit geworden. Nur seine mitunter übereilt vollzogenen Begnadigungen haben ihm diesen Ruf im Inland etwas angekratzt.