Havel-Übersetzer und Dolmetscher an der deutschen Botschaft in Prag: Joachim Bruss ist gestorben

Joachim Bruss

Joachim Bruss ist tot. Der Dolmetscher und Übersetzer verstarb am Montag im Alter von 77 Jahren. Bruss machte sich nicht nur einen Namen als Hofübersetzer der Werke von Václav Havel. Er war auch langjähriger Sprachmittler an der deutschen Botschaft in Prag und leitete später den Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Ein Nachruf.

Der plötzliche Tod von Joachim Bruss sorgt für Bestürzen. Bruss war nicht nur Dolmetscher und Übersetzer, sondern ehemals auch Leiter des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. Radio Prag International hat mit dem derzeitigen Geschäftsführer auf tschechischer Seite, Tomáš Jelínek, gesprochen. Wie wird er Joachim Bruss in Erinnerung behalten?

„Ich glaube, wie alle, die ihn gekannt haben, werde auch ich an ihn als einen sehr angenehmen Menschen denken. Er hatte einen sehr spezifischen, weisen Humor mit einer leichten Ironie. In seinem Umfeld hat er stets eine gute Atmosphäre verbreitet.“

Ulrich Joachim Bruss wurde am 31. Oktober 1945 in Wuppertal geboren. Er studierte Slawistik in Bonn. Tschechien lernte er zunächst während mehrerer Studienaufenthalte kennen – in der Zeit nach der Niederschlagung des Prager Frühlings 1968. Ab 1984 war Bruss Regierungsdolmetscher der Bundesrepublik. Außerdem widmete er sich dem literarischen Übersetzen aus dem Tschechischen: Bekannt wurde er vor allem durch seine Übertragungen der Texte Václav Havels. So übersetzte Bruss Essays und Theatertexte des Schriftstellers und späteren Präsidenten und nicht zuletzt auch dessen „Briefe an Olga“. Die Erfahrung mit seinem ersten Havel-Text beschrieb Bruss 2011 in einem Interview für Radio Prag International:

„Es war ein Interview, das Havel nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis einem französischen Journalisten gegeben hatte. Die Frankfurter Rundschau wollte es abdrucken. Ich habe den Text aus dem tschechischen Original damals in einer Nacht- und Nebelaktion ins Deutsche übersetzt. Das war 1982. Ich musste mir überlegen, ob ich meinen Namen darunterschreibe oder unter Pseudonym veröffentliche. Schließlich entschied ich mich, die Übersetzung mit meinem Namen veröffentlichen zu lassen, und es ist mir trotzdem nie etwas passiert.“

Auch als Dolmetscher traf Bruss regelmäßig auf Havel, den er persönlich gut kannte. 1990 wurde Bruss in Deutschland in den diplomatischen Dienst erhoben, und ab 1994 war er Leiter des Sprachendienstes der deutschen Botschaft in Prag. Den Posten hatte er bis 2010 inne.

In den folgenden sieben Jahren war Joachim Bruss deutscher Geschäftsführer des Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds. In dieser Rolle habe er die Institution entscheidend geformt, sagt Tomáš Jelínek:

„Joachim Bruss hat die deutsch-tschechischen Beziehungen vor und nach der Wende mitgeprägt. Von Anfang an hatte er sehr intensiv Teil an der Erfolgsgeschichte des Zukunftsfonds. 2010 intensivierte er dies als Leiter noch. Seine perfekten Kenntnisse der tschechischen Sprache haben geholfen, dass er seine Expertise und seine Kontakte einbringen konnte.“

Tomáš Jelínek schätzt dabei auch, dass Joachim Bruss offen für Neues war und so die inhaltliche Weiterentwicklung des Zukunftsfonds vorangebracht hat. Sein größter Verdienst sei aber vielleicht ein anderer: „Wie er als Mensch die Atmosphäre im Zukunftsfonds mitgeprägt hat, war für die Institution sehr hilfreich“, betont Jelínek.

Nach seinem Ausscheiden aus dem Zukunftsfonds im Jahr 2017 engagierte sich Joachim Bruss unter anderem als Verwaltungsratsmitglied des Prager Literaturhauses deutschsprachiger Autoren. Für seinen Beitrag zur Verständigung und zum kulturellen Austausch zwischen Deutschen und Tschechen wurde er mit dem Bundesverdienstkreuz ausgezeichnet.

Joachim Bruss ist am Montag in Budapest verstorben. Er wurde 77 Jahre alt.