Havel vor dem EU-Gipfel: „Den Aggressor beim Namen nennen!“

Václav Havel (rechts) im Tschechischen Fernsehen (Foto: ČTK)

Die Spitzenpolitker der EU wurden zu einem außerordentlichen Gipfel nach Brüssel gerufen. Auf der Tagesordnung steht der Konflikt zwischen Russland und Georgien. Die EU braucht einen einheitlichen Standpunkt. Wie schwer der zu finden sein wird, darauf haben die politischen Diskussionen allein in Tschechien einen Vorgeschmack gegeben.

Alexandr Vondra
Tschechiens Nachbar Polen nimmt zusammen mit den baltischen Ländern die schärfste Haltung gegenüber Russland ein. Es fordert auf dem EU-Gipfel Sanktionen gegen Russland und eine zügige Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Nato. Der tschechische Vizepremier für Europaangelegenheiten, Alexandr Vondra, hat großes Verständnis für die Haltung Polens:

„Wenn Russland tatsächlich Grün bekommt und nicht zur Einhaltung des Friedensplanes gedrängt wird, den es unterschrieben hat, dann könnte als nächstes die Ukraine an der Reihe sein. Russland hat begonnen, auf der Krim Pässe für Angehörige der russischen Nation auszugeben. Polen reagiert auf so etwas natürlich außerordentlich sensibel, denn es hat das größte Interesse daran, dass die Ukraine ein souveräner Staat bleibt.“

Vondra selbst sympathisiert mit einer zügigen Aufnahme Georgiens und der Ukraine in die Nato:

„Ich denke, dass wir mit der Vertagung der Aufnahme Georgiens in die Nato auf dem Gipfel in Bukarest Russland leider ein Signal gegeben haben, dass es freie Hand habe zur der Militäraktion gegen Georgien im August.“

Václav Havel im Tschechischen Fernsehen  (Foto: ČTK)
In diese deutliche Haltung der tschechischen Regierung hatte Präsident Václav Klaus Dissonanzen gebracht. Die Hauptschuld am Konflikt trage Georgien, hatte er wiederholt gesagt und geschrieben. Sein Amtsvorgänger, Václav Havel trat dem am Wochenende im Tschechischen Fernsehen entgegen.

„Den Aggressor beim Namen nennen“– das fordert der frühere tschechische Präsident Havel vom außerordentlichen EU-Gipfel in Brüssel. Das heißt: Russland als Aggressor klar benennen. Dem könne man auf dem EU-Gipfel nicht ausweichen, sagte Havel und fügte an:

„Wenn irgendein Bär einen Zwerg überfällt, dann muss man das wissen und dann muss das auch gesagt werden, um daraus etwas abzuleiten. Dass auch der Zwerg verschiedene falsche Schritte getan hat, das kann wahr sein. Das sollte politisch und historisch untersucht werden. Auch das muss man wissen. Aber es muss immer klar gesagt werden, wer der Aggressor ist und wer das Opfer.“

Postwendend kam die Antwort vom russischen Duma-Abgeordneten Sejmon Bagdasarow, der im Tschechischen Fernsehen live zugeschaltet wurde.

„Wenn Georgien nicht durch die USA unterstützt würde, dann hätte sich Herr Saakaschwili nicht in diese Auseinandersetzung gestürzt. Sie sprechen vom Bären und vom Zwerg. Ich sage Ihnen etwas anderes: Mikroben sind noch kleiner als Zwerge, und trotzdem können sie schreckliche Epidemien verursachen.“

Es scheint als sei man nun endgültig wieder da angekommen, wo vor knapp zwei Jahrzehnten die Rhetorik des Kalten Krieges aufhörte. Das wird auch die Verhandlungen auf dem EU-Gipfel erschweren. Man ist sich wohl auf allen Seiten bewusst, möglicherweise an einem Scheideweg der internationalen Beziehungen zu stehen.