Heimkindern in Tschechien fehlt Unterstützung im Erwachsenenalter

Illustrationsfoto: 12019, Pixabay / CC0

In Tschechien wachsen verhältnismäßig viele Kinder in Heimen auf. Wenn sie erwachsen werden, haben sie oft einen schweren Stand. Über dieses soziale Problem informierte am Mittwoch eine Konferenz in Prag.

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Von allen EU-Ländern gibt es in Tschechien die meisten Kinderheime pro Kopf der Bevölkerung. Gegenwärtig leben 6500 Kinder in diesen Heimen, weitere etwa 5000 Jugendliche verbringen ihre jungen Jahre in einer Jugendstrafanstalt. Nach ihrem 18. Geburtstag verlassen die Kinder das Heim, doch dann beginnen oft auch ihre Schwierigkeiten. Der 28-jährige Lukáš Dolejš kann das bestätigen:

„Als ich das Heim verließ, wurde es schwer für mich. Ich hatte im Grunde genommen nur eine Tasche und ein bisschen Geld bei mir, doch ich hatte weder eine Wohnung noch eine Arbeit.“

Dolejš, der seit seinem achten Lebensjahr im Heim lebte, zog es nach Prag. Ein Jahr lang lebte er auf der Straße oder bei Freunden und schlug sich mit Gelegenheitsjobs durch, bevor er eine feste Anstellung fand. Heute arbeitet er als Fachkraft in einem Café. Diese Arbeit bedeute ihm sehr viel, sagt Dolejš.

Doch nicht allen früheren Heimkindern gelingt die Integration in die Gesellschaft. Rund die Hälfte von ihnen lande am Rand der Gesellschaft, sagt die Vorsitzende der Hilfsorganisation „Mimo domov“, Klára Chábová. Diese jungen Menschen haben enorme Schulden, werden Mitglieder einer Gang oder leben auf der Straße. Ihnen fehle es an Hilfe, um sich in der Welt der Erwachsenen zurechtzufinden, erläutert Chábová:

Klára Chábová  (Foto: Tschechisches Fernsehen)
„Wir sehen ein großes Defizit in der Sozialarbeit ab dem Moment, in dem die Jungerwachsenen das Heim verlassen. Sie erhalten überhaupt keine Betreuung, weder von einer sozialen Einrichtung noch vom Kinderheim selbst, indem es sich mit einer Organisation für Sozialbetreuung in Verbindung setzt. Die ehemaligen Heimkinder sind also auf sich allein gestellt und wissen eigentlich nicht, was sie machen sollen.“

Wenn die Heimkinder draußen sind, hört auch die staatliche Fürsorge auf. Sozialarbeiter haben dann nicht mehr die Kompetenz, sie weiter zu besuchen oder ihnen zu helfen. Und einer gemeinnützigen Organisation wie „Mimo domov“, die sich während des Heimaufenthalts um die Freizeitgestaltung der Kinder kümmert, fehlt es einfach an Geld, um auch die Abgänger zu betreuen.

Ohne diese Unterstützung aber haben es die unerfahrenen jungen Erwachsenen schwer, sich in der neuen Welt zurechtzufinden. Dabei könnte ihnen eigentlich schon das Kinderheim dabei helfen, sich auf diesen Lebensabschnitt besser vorzubereiten, meint der Kinderrechtsschutzexperte Josef Smrž. Ideal wäre eine Zusammenarbeit mit ausgewählten Firmen, bei denen der spätere Heimabgänger eine Erwerbstätigkeit finden könnte. Mit einem Arbeitsvertrag in der Tasche hätten die Heimkinder dann schon einmal eine große Hürde überwunden, sagt Smrž:

Josef Smrž  (Foto: Archiv von Josef Smrž)
„Denn gerade die Suche nach einer Arbeit ist für sie sehr schwierig. Sie haben schließlich auch keine Vorstellung davon, was dazu alles erforderlich ist. Sie wissen theoretisch, dass sie einen Lebenslauf schreiben müssen. Eventuell haben sie auch davon gehört, sich beim Arbeitgeber vorstellen zu müssen. Doch dann beginnen schon die Probleme. Wenn sie gefragt werden, warum sie hier seien und was sie eigentlich wollten, wissen sie meist keine Antwort. Zudem können dabei auch wieder Dinge aus ihrer Familiengeschichte hervorgekramt werden, über die lange geschwiegen wurde. Dies kann dazu führen, dass sie zurückschrecken und die Flucht ergreifen. Die Flucht ist Ausdruck ihrer labilen Psyche.“

Nach Meinung von Smrž sollte sich der Staat mehr um die Heimkinder kümmern. Er könnte beispielsweise Betreuer für sie engagieren, wenn sie eines Tages das Heim verlassen. Und die Frage drängt sich auf, weshalb überhaupt so viele Kinder hierzulande in einem Heim leben. Nach Information von „Mimo domov“ sind nur zwei Prozent von ihnen Vollwaisen. Hier sollte die Politik für mehr Prävention in den Familien sorgen, findet Chábová.