Hochwasser verdrängt Iran-Krise von den Titelseiten
Die Themen des Medienspiegels in dieser Woche sind unter anderem. Das Hochwasser in Nordmähren, die Situation im Iran. Außerdem interessant – Václav Havel wird Regisseur.
Katrin Materna: Bedingt. Die Kommentatoren halten sich bislang eher zurück. Jiří Franěk von der Tageszeitung Právo geht aber davon aus, dass die Suche nach den Ursachen und den Schuldigen schon bald einsetzen wird. Er selbst geht von drei Faktoren aus: 1. „Das Wasser an sich – da kann man nichts machen. 2. Die Tatsache, dass viele Häuser und Gebäude an scheinbar unschuldigen Rinnsalen gebaut wurden. Auch da lässt sich im Nachhinein wenig dran ändern. Als dritten und entscheidenden Grund führt er Eingriffe in die tschechische Landschaft an. Der wird ihm zufolge jedoch das letzte sein, womit sich die Politik beschäftigt.“
Bisher also noch nicht viel über das Hochwasser. Du hast es bereits erwähnt, bis Mitte der Woche war es vor allem die Iran-Krise, mit der sich die Journalisten hier beschäftigt haben. Die iranischen Sicherheitskräfte sind mit aller Schärfe gegen Demonstranten vorgegangen, die dort wegen der vermuteten Manipulation der Präsidentenwahl auf die Straße gingen. Mehrere Menschen sind dabei zu Tode gekommen.Katrin Materna: Ja, Präsident Ahmadinedschad, der zum Sieger der Wahl erklärt worden ist, bezichtigt jetzt den Westen, sich in seine Belange einzumischen, weil westliche Politiker die Gewalt gegen die Demonstranten verurteilt und die Neuauszählung der Stimmzettel gefordert haben. Zbyněk Petráček von der Tageszeitung Lidové Noviny schreibt dazu, dass der Westen mit Iran verhandeln MUSS, und zwar unabhängig davon, ob dort gerade "der verbohrte Ahmadinedschad oder der etwas zugänglichere Mussawi" regiert. In beiden Fällen muss sich der Westen mit den atomaren Plänen Irans auseinandersetzen, denn die verfolgen beide Kontrahenten. Stellt sich folglich die Frage, auf wessen Seite man sich stellt. Petráček sieht hier eine Parallele zu der Haltung des Westens gegenüber dem Sowjetregime als es um den Prager Frühling ging. Er folgert: Genauso, wie sich damals der Westen entschieden hat, auf die Stabilität des Systems zu setzen, obgleich er eigentlich mit den Dissidenten symphatisierte, setzt auch die EU jetzt auf die Stabilität im Iran. Diese wiederherzustellen ist nur möglich, indem man den Wahlprozess überprüft, sagt stellvertretend für die Ratspräsidentschaft der tschechische Außenminister Jan Kohout. "Was ist aber schlimmer? EIN manipuliertes Wahlergebnis oder die Tatsache, dass jeder, der bei iranischen Wahlen kandidieren will, vom regimenahen Wächterrat zugelassen sein muss?" Und berechtigt uns die Feststellung, dass beide das Atomprogramm vorantreiben wollen zu der Annahme, sie seien so austauschbar wie 18 und 20 minus 2?
Interessanter Vergleich.
Katrin Materna: Jiří Sobota kommt in der Wochenzeitschrift Reflex zu folgendem Schluss: "Die Regierung Irans hat in jedem Fall die Grenze überschritten, die es ihr bis dato erlaubte, wenigstens dem Schein nach als rechtmäßiger Volksvertreter aufzutreten. Der oberste Führer des Landes, Ajatollah Ali Chamenei und dessen Anhänger stellen nunmehr in den Augen der Demonstranten nicht mehr dar als eine leere Struktur, die sich an die Macht klammert, um den Preis, die eigenen Leute zu töten. In einem komplizierten, dynamischen und intellektuellen Land wie Iran bedeutet das langfristig betrachtet zwangsläufig eine Niederlage.
Katrin, was hast du uns sonst noch mitgebracht?
Katrin Materna: Man könnte es ein weiteres Unterkapitel der Neverending story "Klaus und der Lissabonvertrag" nennen. Der Präsident hat ja nach dem letzten EU-Gipfel unter tschechischer Führung verlangt, dass der Vertrag erneut ratifiziert werden solle. Anlass waren die Garantien für Irland, die auf dem Gipfel beschlossen wurden. Michal Mocek von der Tageszeitung Právo schreibt dazu: "Am Lissabon-Vertrag ändert sich nichts, versichern die 27 politischen Führer Europas "ihren Bürgern" nach dem letzten EU-Gipfel. "Es ändert sich alles", behauptet der tschechische Präsident Klaus eigensinnig.Hat Václav Klaus nicht gleichzeitig diese Woche wiederholt, dass er nicht vorhabe, sich mit der Ratifizierung des Lissabon-Vertrages zu beeilen?
Katrin Materna: So ist es. Jiří Franěk, ebenfalls Právo, nennt in deshalb in seinem Kommentar "Der Herr Letzte" Hier heißt es: “Václav Klaus wird in Europa der letzte sein, der sich entscheidet, wie er mit dem Lissabon-Vertrag umgeht. Das ist keine Haltung mehr, sondern nur noch Trotz."
Die Kommentatoren und auch du haben sich diese Woche aber nicht nur mit Václav Klaus, sondern auch mit seinem Vorgänger, Ex-Präsident Václav Havel beschäftigt.
Katrin Materna: Genau. Und ausnahmsweise ging es dabei nicht um Politik. Václav Havel hat nämlich angekündigt, er werde sein Bühnenstück Odcházení, was ins Deutsche etwa mit „der Abgang“ übersetzt werden kann, verfilmen und dabei selbst Regie führen. Viele halten das für ein recht gewagtes Vorhaben. Unter ihnen Martin Weiss, Kommentator der Tageszeitung Lidové Noviny. Der schreibt: "Kaum einem Laien würde in den Sinn kommen, dass man einfach so vor die Kamera treten und in einem Film mitspielen kann. Wenn es um die Regie geht, mag die Sache weniger eindeutig sein. Der Laie kann der Vorstellung erliegen, dass das Regieführen kein Handwerk ist, dass man nur eine Gelegenheit bekommen muss, ans Werk gelassen zu werden. Es ist jedoch bemerkenswert, wenn sich ein Profi als Laie herausstellt. Václav Havel hat, sofern bekannt ist, nie den Anspruch erhoben, bei den Inszenierungen seiner Stücke im Theater selbst Regie führen zu wollen. Jetzt will Regisseur eines Filmes werden. Mit der eigenen Frau in einer tragenden Rolle. Ist das kein bisschen merkwürdig?
Immerhin ist die Frau in diesem Fall ja eine gefeierte Schauspielerin.
Katrin Materna: Weiss hat nichtsdestotrotz Zweifel. Seine Prognose: "Kann sein, dass alles letztlich gut ausgeht. Es kann aber auch sein, dass das Motiv von König Lear, das Havel in seinem Stück benutzt, eine ungeahnte Bedeutung erhält. Lear, dessen Geist im Alter getrübt ist…
Nun, da sind die Chancen ja wenigstens fifty-fifty. Weniger gute Aussichten hat die slowakische Billig-Airline SkyEurope. Die hat diese Woche Insolvenz anmelden müssen. Für viele tschechische Urlauber wird der Tripp mit der Fluggesellschaft wohl zu einer Zitterpartie.
Katrin Materna: Pavel Kohout geht in in der Zeitung Mladá Fronta Dnes der Frage nach, wie es sein kann, dass der Flugverkehr weltweit stetig zunimmt und trotzdem so viele Fluggesellschaften in Konkurs gehen. Seine Antwort: „Fluggesellschaften, allen voran die Billig-Airlines, werden zu Opfern des eigenen Erfolgs. Die Fluggastzahlen steigen zwar, aber das Umsatzniveau sinkt langfristig, die Gewinnmargen schrumpfen. Es liegt auf der Hand, dass der Rückgang der Ticketpreise nicht unendlich sein kann.“