Akteure von damals stellen sich den Fragen der Studenten von heute

Václav Havel, photo: CTK

Am Dienstag jährt sich der Beginn der Samtenen Revolution in der Tschechoslowakei zum zwanzigsten Mal. Die Schlüsselfigur der Ereignisse vom November 1989, die zum Zusammenbruch des kommunistischen Regimes im Land führten, war Václav Havel. Anlässlich des Jahrestags initiierte der Ex-Präsident am Samstag eine Konferenz über die Freiheit.

Foto: Milena Štráfeldová
Die Aula Magna der Philosophischen Fakultät der Prager Karlsuniversität drohte aus allen Nähten zu platzen. Auch wenn die Konferenz vor allem für die Studenten gedacht war, wollten auch viele ehemalige Studierende wieder mal das Symbol der Wende 1989 live erleben. In seiner einleitenden Rede erinnerte Ex-Präsident Havel an das Motto, das ihn seit der Revolution begleitet:

„Auf einer Demonstration im November 1989 auf dem Wenzelsplatz fühlte ich, dass ich etwas Beschwingtes sagen muss. Und da habe ich gesagt: ´Die Wahrheit und die Liebe müssen über die Lüge und den Hass siegen.´ Für diesen Satz werde ich seit zwanzig Jahren verspottet.“

Im Grunde gelte dieses Motto jedoch bis heute, so Havel. Mit der Erwähnung der Liebe und der Wahrheit habe er darauf hingewiesen, dass die Wahrheit eine persönliche Bürgschaft voraussetzt, sie ohne etwas Menschliches und Riskantes nicht existieren könne. Es freue ihn, dass eine Parole, die er einmal innerhalb einer Sekunde ausgedacht hatte, noch heute jemanden reize, betonte Havel.

Václav Havel  (Foto: ČTK)
In seiner Rede erwähnte der Ex-Präsident, dass es in der Welt immer noch Diktaturen gibt, vor denen man sich in Acht nehmen müsse. In diesem Zusammenhang kritisierte er auch Russland:

„Die Ära der totalitären Systeme ist nicht zu Ende. Es kann sein, dass sie in der klassischen Form, die wir aus dem 20. Jahrhundert kennen, vorbei ist. Aber es entstehen weitere, viel vollkommenere Methoden, die Gesellschaft zu beherrschen. Dies verlangt Wachsamkeit und Vorsicht. Sollte ich mit einem beschwingten Aufruf enden, würde ich sagen: Menschen, seid wachsam.“

Mit der in Tschechien einst oft von den Kommunisten gebrauchten Parole beendete Havel seinen einleitenden Beitrag, für den er Standing Ovations erntete.

Madeleine Albright  (Foto: ČTK)
Fast genauso stürmisch wie der Konferenzveranstalter Havel wurde vor allem einer seiner Gäste begrüßt. Die ehemalige amerikanische Außenministerin Madeleine Albright diskutierte mit den Studenten über die Freiheit.

„Die Demokratie ist sehr kompliziert. Die USA sind 200 Jahre alt und haben immer noch bestimmte Probleme. Aber ich bin optimistisch. An der Demokratie ist bedeutend, dass jeder darüber selbst entscheiden kann, was er machen wird. Dies ist das Wichtigste.“

Die Ex-Außenministerin kam während der Debatte auch auf die tschechische EU-Ratspräsidentschaft zurück:

„Ich war wirklich sehr traurig, als während des EU-Ratsvorsitzes die Regierung in Tschechien gestürzt wurde. Es gab doch in der EU für Tschechien eine Chance, sich mit etwas zu präsentieren. Und dann muss ich noch bemerken: so lange mit der Ratifizierung des Lissabon-Vertrags zu warten, darüber sind viele Leute erstaunt und sie verstehen es nicht. Man stellt die Frage warum?“

Madeleine Albright brachte die Hoffnung zum Ausdruck, dass sich in Tschechien bald mehr junge Menschen in der Politik engagieren werden.

Václav Havel und Petr Pithart | Foto: Milena Štráfeldová,  Radio Prague International
Unter den Diskussionsteilnehmern waren neben Václav Havel und Madeleine Albright auch der polnische Journalist und Dissident Adam Michnik, der französische Philosoph André Glucksmann oder der ehemalige Dissident und jetzige Vizepräsident des Senats des tschechischen Parlaments, Petr Pithart. Ist er als ehemaliger Regimegegner von etwas an der Entwicklung in Tschechien enttäuscht? Pithart sagte, er sei höchstens nur dadurch enttäuscht, dass ein Teil der Bevölkerung enttäuscht ist.

„Das, was sich hier abspielte, war eine antiutopische Revolution. Das Ziel war, wie im Westen zu sein. Wegen der Isolation haben viele aber nicht viel über den Westen gewusst. Dass die Leute aber auch dort resignieren, wo sie etwas erreichen können, das enttäuscht mich am meisten. Denn sie können beispielsweise Druck auf die Parlamentarier ausüben. Aber ich glaube, dass wir dies auch überwinden werden.“