„Ich wache hier früher auf als in Wien“ – Schriftstellerin Präauer über ihren Prag-Aufenthalt

Foto: Anna Koutská, Archiv des Prager Literaturhauses

Das Prager Literaturhaus deutschsprachiger Autoren hat trotz der Ferien am vergangenen Dienstag zu einer Lesung eingeladen. Die junge österreichische Schriftstellerin und Künstlerin Teresa Präauer las dabei aus ihrem Roman „Für den Herrscher aus Übersee“ und beantwortete Fragen aus dem Publikum. Präauer hält sich zurzeit als Stipendiatin des Literaturhauses in der tschechischen Hauptstadt auf.

Foto: Wallstein-Verlag
Frau Präauer, Sie haben gerade eine Lesung im Prager Literaturhaus gehabt. War das Ihre erste Lesung in Tschechien oder in Prag?

„Ja stimmt, es war meine Tschechien-Premiere. Ich freue mich hier zu sein und finde die Stadt einfach großartig. Ich freue mich auch, dass jetzt zwanzig Seiten meines Buches ‚Für den Herrscher aus Übersee‘ aus diesem Anlass ins Tschechische übersetzt worden sind.“

Sie verbringen zurzeit einen Monat in Prag als Stipendiatin des Prager Literaturhauses deutscher Literatur. Wie wird man eigentlich ein Stipendiat des Prager Literaturhauses. Haben Sie sich selbst beworben?

„Ich denke, man kann sich bewerben. Es gibt eine Kooperation mit dem Unabhängigen Literaturhaus in Niederösterreich. Wolfgang Kühn vom Unabhängigen Literaturhaus hat mich schon im letzten Sommer kontaktiert, als ich aber bereits unterwegs war. Er hat mich damit indes auf diese Möglichkeit aufmerksam gemacht, und beim zweiten Mal habe ich gerne zugeschlagen. Ich war natürlich schon ein paar Mal in Prag, auch mal länger in Krumau. Und ich versuche, mich in die tschechische Sprache hineinzudenken, mit allen ihren Konsonanten, aber sie ist auch sehr melodisch. Ich höre manchmal tschechische Musik, so wie Iva Bittová, die man ja auch in Wien, zum Beispiel im Klub Nachtasyl hören kann. Und es gibt ein paar Bindungen, die historisch gewachsen sind. Hoffentlich wachsen sie wieder oder wachsen weiter zwischen Österreich und Tschechien.“

Teresa Präauer  (links). Foto: Anna Koutská,  Archiv des Prager Literaturhauses
Wie sieht Ihr Aufenthalt hier aus, wie sehen die Tage eines Stipendiaten aus?

„Die gestaltet man eigentlich wie den Alltag im gesamten Jahr. Eigentlich wache ich hier früher auf als in Wien, weil ich direkt an der Vltava, also an der Moldau wohne und da die Sonne schon so früh bei den riesengroßen Fenstern hereinscheint. Ich stehe auf, versuche ein bisschen zu frühstücken und Kaffee zu trinken. Dann gehe ich in das von mir mittlerweile schon sehr geschätzte Café Rybka, trinke dort noch mal Kaffee, checke meine E-Mails - und dann schreibe ich und notiere meine Gedanken und spaziere durch die Stadt. Und am Abend gibt es pivo und nicht gerade knedlíky, sondern was mir so zwischen die Finger kommt.“

Prager Literaturhaus  (Foto: Archiv des Prager Literaturhauses)
Werden Sie von jemandem vom Literaturhaus betreut? Haben Sie in Prag Bekannte oder Freunde gefunden? Fühlen Sie sich nicht allein hier?

„Ich weiß, dass es im Literaturhaus Ansprechpartner gibt, wenn mir etwas fehlen sollte oder wenn ich Hilfe oder Unterstützung brauche. Aber grundsätzlich ist man auf sich gestellt, und das ist auch ganz gut. Auch das Alleinsein ist für die Arbeit sehr gut und für das Unterwegssein. Dann ist man einfach gezwungen, sich mehr zuzutrauen. Das ist eigentlich ganz schön. Ich genieße das jetzt.“

Gibt es die Möglichkeit, auch irgendwelche tschechische Autoren zu treffen? Inwieweit ist die tschechische Literatur für Sie ein Begriff?

Jaroslav Rudiš  (Foto: Šárka Ševčíková,  Archiv des Tschechischen Rundfunks)
„Das würde mich natürlich sehr interessieren. Ich habe auch die Frage gestellt. Es kam bisher nicht dazu, dafür ist vielleicht der Monat zu kurz. Ich habe einfach so versucht, Leute in den Pubs am Abend kennenzulernen. Jaroslav Rudiš wird natürlich immer wieder genannt, wenn man nach der tschechischen Gegenwartsliteratur fragt, ich werde mir jetzt auf jeden Fall ein Buch von ihm kaufen. Es gibt je ein Prag-Buch von ihm. Ansonsten wird man hier ja von Kafka fast erschlagen. Aber Gegenwartsliteratur würde mich sehr interessieren. Wenn mir jemand Namen nennen kann, lese ich sie gerne, wenn sie übersetzt sind.“

Teresa Präauer mit Natascha Grilj  (Foto: Petr Buček,  Archiv des Prager Literaturhauses)
Können Sie den Roman vorstellen, aus dem Sie in Prag gelesen haben?

„‘Für den Herrscher aus Übersee‘ ist vor zwei Jahren beim deutschen Wallstein-Verlag erschienen und ist mein Debütroman. Davor sind zwei andere Bücher mit Zeichnungen erschienen. Ich habe für dieses Buch einen sehr schönen Preis bekommen, den Aspekte-Preis für das beste Prosadebüt im deutschsprachigen Raum. Ich sage dies deswegen dazu, weil es mir ermöglicht hat, mit meinem Buch ziemlich viel unterwegs zu sein. Und um das Unterwegssein geht es auch in meinem Buch. Es geht um das Fliegenlernen und Abstürzen. Zwei Enkelkinder üben mit ihrem Großvater Selbiges, und was sie da so erleben, wird in einer hoffentlich genauen, poetischen, bilderreichen Sprache geschildert.“

Abu Dhabi  (Foto: Rüdiger Meier,  Wikimedia CC BY-SA 3.0)
Sie haben gesagt, Sie sind mit dem Roman oft unterwegs. Veranstalten Sie auch in nichtdeutschsprachigen Ländern Lesungen, wie jetzt in Prag?

„Natürlich seltener, aber ich bin dadurch nach Istanbul gekommen. Und die zwanzig Seiten, die es auf Tschechisch nun gibt, gab es vorher bereits auf Türkisch. Aber vielleicht erscheint auch das ganze Buch bald auf Türkisch. Istanbul war sehr spannend, es ist eine beeindruckende Stadt. Ich war in Abu Dhabi, sage jetzt aber nichts dazu, obwohl es natürlich interessant ist, etwas zu sehen, was einem sehr fremd ist. Und ich kenne jetzt eigentlich Deutschland sehr gut, besser als je zuvor.“

Autorenlesung im Prager Literaturhaus  (Foto: Petr Buček,  Archiv des Prager Literaturhauses)
Bei der Übertragung ins Tschechische ist man auf ein Problem gestoßen, und das ist der Erzähler des Romans. Das ist ein Kind, das in Ihrem Roman indifferent bleibt, man weiß nicht, ob es ein Mädchen ist oder ein Junge. Was würden Sie einem Übersetzer ins Tschechische raten? Wie soll er das Problem lösen? Denn im Tschechischen gibt es auch bei der Ich-Form für die Vergangenheit weibliche und männliche Formen?

„Also dieses Problem ist jetzt nicht so zentral, dass ich sagen würde, es macht den Roman aus. Es ist eher eine Randfrage für mich, die ich eben bewusst offen gelassen habe: Ist es ein Mädchen oder ein Bub, der hier spricht? Vielleicht gibt es auch so etwas wie eine neutrale Form, für das Wesen oder das Kindswesen im Tschechischen? Ein ‚Das“ für dieses Kind?“

Teresa Präauer mit David Stecher  (Foto: Petr Buček,  Archiv des Prager Literaturhauses)
Es gibt diese neutrale Form, aber man kann in ihr nicht als Ich-Erzähler erzählen…

„Grundsätzlich geht es darum, dass die Kinder in meinem Buch nicht unbedingt wie Kinder sprechen, sondern sehr altklug sind und fast belesen wirken, obwohl sie sich das Lesen erst beibringen müssen. Das ist für mich eigentlich so ein Spiel mit Wörtern, die man als Kind nicht verstanden und daher umso mehr geliebt hat.“

Sie kommen eigentlich aus der bildenden Kunst, haben zuerst Malerei studiert und erst später mit dem Schreiben angefangen. Stimmt das so?

Foto: Wallstein-Verlag
„Ja, ich habe deutsche Literatur und Sprache sowie Malerei studiert. Aber es stimmt, dass ich eigentlich bildende Künstlerin sein und werden wollte. Ich habe Ausstellungen gemacht, wie man das so während des Studiums oder danach macht, und war immer unzufrieden mit den Eröffnungsreden. Ich habe irgendwann beschlossen, dass ich das selbst machen muss. Das war so ein wenig ein Anstoß, von der Leserin zur Schreibenden zu werden und selbst die eigenen Bilder zu eröffnen.“

Spiegelt sich die Tatsache, dass sie bildende Künstlerin sind, in Ihrer Schreibweise wieder?

„Im neuen Buch zum Beispiel, das im August herauskommt – es heißt ‚Jonny und Jean‘ –, zeigt sich dies ganz visuell, und zwar sind zwischen den Kapiteln manchmal so einzelne Tuschspritzer. Aber in ‚Für den Herrscher aus Übersee‘ ist das nicht so konkret. Ich denke, es zeigt sich aber ganz stark, dass die Sprache eben von jemandem stammt, der die Welt sehr visuell begreift.“

Flohmarkt  (Illustrationsfoto: Anne-Claire Veluire,  Radio Prague)
Ihr Aufenthalt in Prag geht langsam zu Ende. Was werden sie von hier nach Hause mitnehmen?

„Was ich nach Hause mitnehmen soll… Ein paar konkrete Gegenstände. Ich gehe gern auf Flohmärkte und in Antiquitätenläden, und ich habe auch ein paar tschechische Bücher mit Abbildungen gekauft. Ich verstehe zwar nicht oder kaum, was drinnen steht, aber ich werde diese Bilder zerschneiden und neu zusammensetzen. Es wird dann auch etwas daraus entstehen, was mit meiner Literatur zu tun haben wird. Ich finde Prag eine unglaublich spannende Stadt, ich finde es schade, dass wir im deutschsprachigen Raum eigentlich wenig über Tschechien hören. Wenn man von Europa hört, dann von anderen Ländern. Mich interessiert aber Mitteleuropa einfach sehr, dass es ein stärkeres Interesse von beiden Seiten gibt und dass man sich auch als international begreifen kann.“

Wenn wir schon von Mitteleuropa sprechen: Man sagt häufig, dass Prag und Wien etwas gemeinsam haben. Haben Sie ein solches Gefühl, wenn Sie jetzt in Prag sind?

„Ja, durchaus. So wie die Bezirke benannt sind, vielleicht wie die Bausubstanz ist. Was mir schon hier stärker auffällt, ist diese Präsenz des Jugendstils in der Altstadt und im äußeren Bereich natürlich die Architektur der 1960er, 1970er und 1980er Jahre. Das spürt man in Wien nicht so stark. Wien ist dann doch oft barocker, oder das 19. Jahrhundert ist dort einfach sehr präsent. Es sind so viele internationale Touristen in Prag, und trotzdem habe ich den Eindruck, dass es schon auch noch sehr gemütlich ist. Es war gar nicht einfach für mich, ich bin in viele Galerien gegangen, um einfach etwas zu sehen. Zwar muss das überhaupt nicht meinen Sehgewohnheiten entsprechen - aber etwas, was mir so eine ordentliche Ohrfeige ins Gesicht gibt, das suche ich noch. Ich habe noch eine Woche Zeit.“