Im Nationalpark Böhmerwald: wild lebende Tiere aus nächster Nähe beobachten

Der Nationalpark Böhmerwald hat in dieser Wintersaison zwei neue Beobachtungsstellen eingerichtet. Naturfreunde können von dort aus vor allem das Edelwild bei seiner Nahrungsbeschaffung beobachten. Die Beobachtungsstellen gehören zum so genannten „Zoologischen Programm“, mit dem die Nationalparkverwaltung den Besuchern das Leben der Wildnis näher bringen will.

Besucher bekommen die Möglichkeit, wilde Tiere in freier Natur zu beobachten – das ist ein Trend in allen Nationalparks der Welt. Auf der tschechischen Seite des Böhmerwaldes gab es das bisher jedoch nicht. Der Nationalpark bietet zwar Wanderungen unter Führung eines Fachmanns an, aber wilde Tiere dabei zu treffen, das war bisher purer Zufall. Deshalb hat die Nationalparkverwaltung beschlossen, drei Beobachtungsposten einzurichten - einen für den Sommer und zwei für den Winter. Bei Letzteren handelt es sich um einfache hölzerne Bauten, die sich in den so genannten Winterwildgehegen befinden, sagt der Leiter des Zoologischen Programms im Nationalpark Böhmerwald, Miloš Juha.

„Der Nationalpark verfügt über 14 Winterwildgehege. Ihr Ziel ist es, die Tiere - vor allem Hirsche - mit genügend Nahrung zu versorgen und dadurch die Schäden an Waldungen zu vermeiden. Das übermäßig vermehrte Hirschwild beißt nämlich im Winter aufgrund des Futtermangels den Jungwuchs ab; infolge dessen können sich die Wälder nicht auf natürliche Weise erneuern. Wenn der Schnee kommt, locken wir die Tiere in die Wintergehege. Dort gewöhnen sie sich an das bereitgestellte Futter. Die Größe dieser Gatter beträgt zwischen 5 und 50 Hektar - je nach den örtlichen Bedingungen. Das Wild sammelt sich regelmäßig an einem Futterplatz, wo es nicht von den Touristen gestört wird. Wenn die optimale Zahl der Tiere erreicht ist, wird das Wildgehege gesperrt. Die optimale Zahl sind einige Dutzend, im größten Gehege nahe dem Dorf Srní /Rehberg überwintern aber sogar bis zu 150 Hirsche.“

Wer an einer Wildbeobachtung im Nationalpark teilnehmen möchte, der sollte sich vorher anmelden. Den Termin bestellt man per E-Mail oder telefonisch und danach erhält man einen Vorschlag für die Zeit und den Ort des Treffens. Die Höchstzahl der Teilnehmer für eine Beobachtung beträgt 30 Leute. An dem vereinbarten Treffpunkt werden sie dann von einem Mitarbeiter des Nationalparks abgeholt und zum Beobachtungsposten begleitet. Die Interessenten bekommen dabei einige Informationen über die Tiere und den Nationalpark sowie wichtige Hinweise für die Beobachtung.

„Es handelt sich natürlich um sehr scheue Tiere, die bei jeder kleinen Störung weglaufen. Deshalb muss jeder Beobachter möglichst still sein und sich vor schnellen Bewegungen hüten. Bei der zweistündigen Beobachtung ist es nicht erlaubt, die Beobachtungsstation zu verlassen. Das Fotografieren ist nur in eingeschränkt möglich. Jeder Teilnehmer sollte ausreichend warm gekleidet sein - die Beobachtungsposten sind etwa ein Kilometer vom Treffpunkt entfernt und nur zu Fuß abseits der touristischen Wege erreichbar. Die Stationen sind jedoch mit einer stillen Gasheizung ausgestattet, die während der Beobachtung für eine angenehme Temperatur sorgt.“

Foto: Archiv Radio Prag

Die Errichtung von touristischen Beobachtungsstellen stellt die erste Etappe des so genannten Zoologischen Programms des Nationalparks Böhmerwald dar. In der zweiten Etappe wird eine Station für behinderte Tiere auf einer Fläche von zirka sieben Hektar nahe Vimperk / Winterberg aufgebaut. Dort sollen die Tiere tierärztliche Betreuung erhalten; zudem soll ein großes Gehege für die Genesung aufgebaut werden. Geplant ist, dass Besuchern auch dort Einblick in das Leben der Wildtiere gewährt wird. Ein weiterer Schritt des Zoo-Programms sind Eulenvolieren in Borová Lada / Fercheihaid. Sie sollen an einer Seilkonstruktion mit hölzernen Stützen aufgehängt werden. An den Volieren vorbei soll dann ein Besucherlehrpfad führen.

Mit dem Aufbau all dieser Anlagen soll schon im nächsten Jahr begonnen werden. Das größte Projekt des Nationalparks sind jedoch sieben Besucherzentren. Von dort können die Besucher zu Rundgängen von etwa 1,5 bis 3 Kilometer Länge aufbrechen und unterwegs verschiedene Tiere in ihren Ausläufen beobachten. Etwas Ähnliches gibt es bereits seit einigen Jahren in der Nähe von Neuschönau im Nationalpark Bayerischer Wald. Miloš Juha:

„Unser Ehrgeiz liegt nicht darin, das bayerische Freitiergelände zu übertrumpfen. Unsere Anlagen werden deutlich kleiner sein und sind immer auf bestimmte Tierarten spezialisiert. Wir beabsichtigen nur solche Tiere zu präsentieren, die für den Böhmerwald immer typisch waren: Bären, Luchse, Hirsche, Wölfe oder Fischotter. Die großen Ausläufe bieten ihnen naturnahe Lebensbedingungen und womöglich werden wir die Gehwege mitten hindurch führen. Jeder Besucher muss aber in Betracht ziehen, dass er sich an die Tiere anpassen muss und nicht umgekehrt. Ein wichtiger Bestandteil jedes Zentrums wird auch ein Passivhaus mit geschlossenem Abwassersystem, Solarenergienutzung und anderen umweltfreundlichen Technologien sein. Wir haben schon die Standorte für diese Besucherzentren ausgewählt. Wir erwarten aber noch heftige Diskussionen mit den angrenzenden Gemeinden und örtlichen Bürgerinitiativen.“

Am attraktivsten sind für die Öffentlichkeit selbstverständlich jene Tiere, die in freier Natur nur noch selten anzutreffen sind: Luchse, Bären, Wölfe oder Wildkatzen. Ihre Zucht in den großen Ausläufen kann auch zur Rückkehr in die freie Wildbahn beitragen. Ein Vorbild dazu gibt es schon: Der Luchs galt in Böhmen seit 1835 als ausgerottet, in den 70er Jahren des 20. Jahrhunderts kehrte er jedoch erstmals wieder in den Böhmerwald zurück und ist dort mittlerweile wieder beheimatet. Jaromír Bláha von der Umweltorganisation Hnutí Duha (Bewegung Regenbogen):

„1970 wurden ein paar Luchse im damals neu gegründeten Nationalpark Bayerischer Wald in die Natur entlassen. Der Eiserne Vorhang bedeutete zwar für die Menschen eine unüberwindbare Hürde, die Tiere unterlagen jedoch dem politischen Druck nicht. Obwohl keine genauen Zahlen zur Verfügung stehen, sind die Luchse wahrscheinlich schon bald auch auf böhmischem Gebiet erschienen. 1982 haben dann auch die tschechischen Behörden diese Tierart erneut in die freie Wildbahn geschickt. Es waren 18 Luchse aus der Slowakei, die im Böhmerwald ausgesetzt wurden. Es ist ihnen offensichtlich gut ergangen: Für die zweite Hälfte der 90er Jahre hat man die Population der Luchse auf 150 Stück geschätzt und ab und zu tauchen sie auch tief im tschechischen Landesinneren auf. Der Luchs ist in Tschechien gesetzlich geschützt und seine Jagd streng verboten. Trotzdem sank seine Population in den letzten Jahren infolge von Wilderei. Ungeachtet dessen gilt die Wiedereinführung des Luchses im Böhmerwald als eine der erfolgreichsten weltweit. Etwas Ähnliches ist auch in Slowenien gelungen.“

Ob auch der Wolf oder Bär in die freie Wildbahn zurückkehren darf, das lässt sich heutzutage noch nicht sagen. Die Naturschützer sind dafür, verschiedene Vorurteile stehen ihnen jedoch im Wege. Inzwischen muss man sich also mit künstlichen Ausläufen für die Tiere zufrieden geben.

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Autor: Jakub Šiška
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