„Immer mutig und unglaublich menschlich“ – Petr Drulák über Jiří Dienstbier

Jiří Dienstbier

Welche Bedeutung hatte Jiří Dienstbier als Politiker, und wie war er als Mensch? Petr Drulák ist Leiter des Instituts für internationale Beziehungen in Prag und hat mit Dienstbier zusammengearbeitet, obwohl er sein Sohn sein könnte.

Jiří Dienstbier  (Foto: ČTK)
Herr Drulák, am Samstag ist Jiří Dienstbier gestorben, der erste tschechoslowakische Außenminister nach der Samtenen Revolution. Welche Bedeutung hat er gehabt als Außenminister und für das Ansehen der Tschechoslowakei?

„Jiří Dienstbier war zusammen mit Václav Havel eines der Gesichter der neuen tschechoslowakischen Außenpolitik nach der Wende. Er war ein anerkannter Dissident, einer der führenden Köpfe bei den Dissidenten im Bereich der Außenpolitik. Er war jemand, der den neuen demokratischen Staat auf der internationalen Ebene sehr gut vertreten hat. Mit Dienstbier hat auch eigentlich die tschechische Rückkehr nach Europa angefangen. Es ging um die Annäherung zu den multilateralen Organisationen wie zum Beispiel zur Europäischen Gemeinschaft und zum Europarat. Aber er hat auch sehr viel auf der bilateralen Ebene geleistet, besonders was die Beziehungen zu Deutschland und zu Österreich anbetrifft. Ich glaube, er war eine der wichtigsten Personen für die Versöhnung zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland.“

Da muss man wohl sagen, dass er mutig war?

„Menschlich war Jiří Dienstbier immer mutig. Das hat er schon in den 70er Jahren bewiesen, als er die Charta 77 unterschrieben hat und dann deswegen in den kommunistischen Gefängnissen gelitten hat. Aber er war auch politisch mutig. Er hat mehrmals in seinem politischen Leben Standpunkte vertreten, die unbeliebt waren – und trotzdem hat er für diese Standpunkte gekämpft.“

Dienstbier war nach seinem Rücktritt als Außenminister im Jahr 1992 auch weiter in der Politik aktiv. Unter anderem war er UN-Sonderberichterstatter für Menschenrechte im ehemaligen Jugoslawien. Wie würden Sie diese spätere Tätigkeit beurteilen?

„Das war genau einer der Momente, in denen Dienstbier Standpunkte vertreten hat, die eher unpopulär waren. Seiner Meinung nach war die westliche Gemeinschaft unfair gegenüber Serbien, und er wollte größeres Gleichgewicht in die Frage bringen. Das hat ihn in vieler Augen und bei vielen Menschen ziemlich unbeliebt gemacht, aber er hat seine Prinzipien energisch vertreten.“

Sie haben Jiří Dienstbier gekannt, obwohl zwischen ihnen etwa eine Generation Altersunterschied liegt…

„Ja, ich habe ihn kennengelernt, als ich Student war. Er hat damals eine Nichtregierungsorganisation gestiftet – den tschechischen Rat für internationale Beziehungen. Und er hat mir damals angeboten, für diese Organisation zu arbeiten. Für mich war das eine großartige Erfahrung, nicht nur beruflich, sondern auch menschlich. Es war immer eine Freude, mit jemandem wie Jiří Dienstbier zusammenzuarbeiten. Er war unglaublich menschlich, offen und aufrichtig. Für mich war das eine große Schule für das weitere Leben.“