Innenminister mischt sich in Verkehrspolitik ein – und düpiert damit Fachleute

Verkehrsexperten aus Verbänden und Ministerien brüten derzeit über einer Novelle der tschechischen Straßenverkehrsordnung. Innenminister Ivan Langer quält hingegen, dass ihm die Polizeibeamten fehlen. Nun hat Langer handstreichartig zwei Gesetzesvorschläge entworfen und vom Kabinett absegnen lassen. Allerdings hat er damit sowohl Versicherungen als auch den Autoklub der Tschechischen Republik gegen sich aufgebracht.

Innenminister Ivan Langer  (Foto: ČTK)
Man könnte fragen, warum nicht vorher jemand auf diese Idee gekommen ist. Denn die Rechnung ist bestechend einfach. Nur bei 15 Prozent der Verkehrsunfälle, zu denen die Polizei fährt, gibt es ernste Sachschäden, Tote, Verletzte oder Schäden Dritter. Der Rest betrifft vor allem die Versicherungen. So die Überlegungen von Ivan Langer. Deswegen hat der Innenminister vorgeschlagen, dass die Polizei nur noch zu Unfällen mit hohem Schadenswert ausrückt. Derzeit liegt die Grenze bei 20.000 Kronen, auf Vorschlag Langers will die Regierung sie aber auf 250.000 Kronen – umgerechnet 10.000 Euro erhöhen. Doch da schreien die Versicherungen auf:

„Das wäre sich eine gute Nachricht für Versicherungsbetrüger, weil sich für sie damit der Spielraum zum Betrug weitet“, sagt ironisch Václav Bálek, Sprecher der Versicherung Česká pojišťovna.

Mittlerweile hat die Regierung dem Druck nachgegeben und schlägt nun eine Grenze von 100.000 Kronen vor. Während die Versicherungen damit leben könnten, stößt das diesmal auf Proteste beim tschechischen Autoklub. Václav Špička ist dort Fachmann für Verkehrssicherheit:

„Selbst wenn der zweite Vorschlag mit 100.000 Kronen durchkommt, würde immer noch bei sehr vielen Verkehrsunfällen eine unabhängige Instanz fehlen. Denn es ist der Polizist, der beurteilt, wer die Schuld trägt.“

Für bedenklich hält Špička zudem Weiteres. Wer bei einem Schaden unter dem Limit die Polizei herbeiruft, der soll nun für die Kosten des Einsatzes zahlen:

„Das ist problematisch, denn vor Ort den Schaden zu schätzen ist eine übermenschliche Aufgabe. Das kann nicht mal ein Gerichtsexperte oder ein erfahrener Automechaniker.“

Doch damit nicht genug. Diese Woche segnete die Regierung gleich einen weiteren Vorschlag Langers ab. So sollen die Pkw-Haftpflichtversicherungen auch über die Zahl der Strafpunkte der Fahrer unterrichtet werden. Laut den tschechischen Medien ist dies ein Entgegenkommen gegenüber den Versicherungen. Denn bisher orientieren sich diese nur an der die Zahl der gemeldeten Unfälle. Nun ist es der Datenschutzbeauftragte, der mit der Idee nicht einverstanden ist. Aber auch die vermeintlichen Nutznießer, die Versicherungen, sind nicht sonderlich überzeugt: Für ihn sei der Kraftwagen und nicht der Fahrer interessant, sagte ein Versicherungsfachmann, der seinen Namen nicht nennen wollte, gegenüber der Presseagentur ČTK. Zurückhaltend ist auch der Autoklub:

„Die Eintragungen im Strafregister entsprechen nicht der Schwere der Verkehrsverstöße“, wirft Václav Špička ein. Genau das soll unter anderem in der Novelle der Straßenverkehrsordnung geändert werden.

Wie nun Ivan Langer und die tschechische Regierung auf die Einwände reagieren werden, das ist die eine Frage. Die andere lautet: Was passiert im Parlament mit den Vorschlägen zur Verkehrssicherheit. Denn mit dem Autofahren ist es wie mit dem Eishockey: Jeder Tscheche - und das gilt auch für die Parlamentarier - sieht sich bei dem Thema als Fachmann. Und das hatte bereits die Straßenverkehrsordnung von 2006 in einigen Punkten bis zur Unkenntlichkeit entstellt.