Integration in katholischer Pfarrei: Ukrainische Geflüchtete feiern Ostern in Tschechien

Swetlana (links) aus der Ukraine in der Pfarrgemeinde Stará Bělá

Seit Beginn des Krieges in der Ukraine finden Geflüchtete, die nach Ostrava / Ostrau kommen, Hilfe in der römisch-katholischen Pfarrgemeinde Stará Bělá. Einige Betroffene sind direkt in der Pfarrei untergebracht, die meisten aber bei Familien oder auch in städtischen Wohnungen. Die Geistlichen besorgen alles, was die Zugezogenen dringend benötigen: Kleidung, Lebensmittel oder auch Anmeldeformulare für den Schulbesuch. Zudem werden Ausflüge in den Zoo oder Fußballspiele organisiert – und nun auch ein gemeinsames Osterfest.

Vojtěch Vlček  (Mitte) | Foto: Andrea Čánová,  Tschechischer Rundfunk

72 Geflüchtete aus der Ukraine haben in der Gemeinde Stará Bělá inzwischen ein vorübergehendes Zuhause gefunden. Es sind ausschließlich Frauen und Kinder, für die Pfarrer Bohuslav Novák und sein Hilfskoordinator Vojtěch Vlček in der Umgebung der Nepomuk-Kirche Unterkünfte organisiert haben. Damit ende die Unterstützung aber natürlich nicht, berichtet Novák im Gespräch für Radio Prag International:

„Die Hilfe hat mehrere Ebenen. Zum einen gibt es jene Menschen, die direkt bei Familien untergebracht sind. Sie sind gut versorgt und haben auch schon den staatlichen Finanzzuschuss erhalten. Sie sind also fast selbständig. Am Sonntag haben wir in der Kirchenkapelle eine Kleiderbörse veranstaltet, bei der vor allem Kindersachen verteilt wurden. In den Pfarreiräumlichkeiten gab es zudem Spielzeug und Schulutensilien.“

Foto:  Pfarrgemeinde Stará Bělá

Auf Fotos ist zu sehen, dass die Besucher noch Zweige mit Weidenkätzchen in den Händen hielten, während sie im Anschluss an die Palmsonntags-Messe die Bankreihen abliefen. Dort wurden die Kleidungsstücke – der Größe nach sortiert – angeboten, auf dem Boden waren zahlreiche Schuhpaare ordentlich aufgereiht. Eine andere Aufnahme zeigt einen Jungen im blauen Anorak, der lächelnd einen Beutel voller Legosteine im Arm hält. Pfarrer Novák fährt fort:

„Dann gibt es Menschen, die eigenständig wohnen, also nicht in Familien oder über die Gemeinde. Diese unterstützen wir je nach Bedarf. Sie können sich bei uns melden, und dann organisieren wir alles zu jeder Zeit. Wir haben ein Spendenkonto extra für die Ukrainehilfe eingerichtet. Von dem Geld, das dort eingeht, kaufen wir, was die Menschen brauchen.“

Hilfe von der Lebensmittelbank

Foto: Pfarrgemeinde Stará Bělá

Dies betrifft häufig die grundlegendsten Versorgungsgüter. So ist auf der Website der Pfarrei auch von einer umfangreichen Lieferung der Lebensmittelbank zu lesen. Dazu Novák:

„Es gab die eher unangenehme Situation, dass uns einige Mütter angerufen haben, weil sie kaum noch etwas zu essen hatten. Unser Koordinator hat sofort reagiert und über die Lebensmittelbank eine Spende von 150 Kilogramm Nahrungsmitteln organisieren können. Diese hat er dann an die Familien verteilt, die unterversorgt waren.“

Am Palmsonntag konnte das Helferteam den Geflüchteten zudem Einkaufsgutscheine für einen Supermarkt überreichen – 71 Stück mit einem Einzelwert von je 1000 Kronen (etwa 40 Euro). Diese unermüdliche Initiative der eingesessenen Gemeindemitglieder werde dankbar aufgenommen, so der Priester. Die Atmosphäre unter den Zugezogenen beschreibt er so:

Einkaufsgutscheine für die Geflüchteten | Foto:  Pfarrgemeinde Stará Bělá

„Seit dem ersten Tag sind sie überraschend bescheiden und still. Und am liebsten würden sie ständig für uns aufräumen und putzen. Sofort haben sie sich den Aktivitäten der Pfarrei angeschlossen und den Leuten aus der Gemeinde die Arbeit abgenommen. Fast alle suchen natürlich auch eine Arbeitsstelle. Für etwa zehn Frauen ist schon etwas gefunden worden. Von den Familien, die ich inzwischen kennengelernt habe, geht Bescheidenheit, Fleiß und Ruhe aus. Da gibt es wirklich keine negative Ausnahme.“

Und die Sprachbarriere? Novák lacht und sagt, dass dies mit den Kindern leichter sei, als mit den Erwachsenen:

Bohuslav Novák | Foto:  ČT24

„Mit Kindern kann man sich immer irgendwie verständigen, durch einfache Begriffe oder das Zeigen auf Dinge. Das geht schon irgendwie. Die meisten von ihnen gehen hier bereits zur Schule, und am Nachmittag treffen sie sich in der Pfarrei mit den Mitschülern zum Fußball oder anderen Spielen. Untereinander verstehen sie sich. Mit den Erwachsenen ist es manchmal etwas schwieriger. Aber zum Glück haben wir den Online-Übersetzer, der immer irgendwie hilft.“

Ostereier für die Kinder

Vor allem an die Kinder richtet sich auch das Osterprogramm, das Pfarrer Novák für seine Gemeinde vorbereitet hat. Das Treffen am Palmsonntag sei bereits der Auftakt für die Feiertage gewesen:

Kirchenzeitschrift ‚Duha‘ | Foto:  Pfarrgemeinde Stará Bělá

„Dort habe ich sogar versucht, die Besucher auf Ukrainisch zu begrüßen, und dann die Heilige Messe abgehalten. Dabei waren gerade auch die Kinder eingeladen. Die Kirchenzeitschrift ‚Duha‘ hat aktuell eine tschechisch-ukrainische Spezialnummer herausgegeben. Diese haben wir in der Kirche an etwa 20 junge Besucher verteilt.“

Am Ostersonntag kommen die Menschen erneut in der Kirche von Stará Bělá zusammen, und dann gibt es Ostereier für alle Kinder – einheimische wie zugezogene. Somit werden die Feiertage gemeinsam und in eher fröhlicher Atmosphäre begangen. Alle Geflüchteten seien zwar orthodoxe Katholiken, erzählt Novák. Aber nur ein Teil von ihnen würde dies auch aktiv praktizieren. Damit spielten die religiösen Rituale und das nun anstehende Osterfest nicht unbedingt die wichtigste Rolle bei der Integration der Menschen in die neue Umgebung. Ausschlaggebend seien vielmehr Schulplätze für die Kinder und Arbeitsmöglichkeiten für die Mütter.

Foto:  Pfarrgemeinde Stará Bělá

Und natürlich die zwischenmenschlichen Kontakte. Schon bei dem ersten Gemeindetreffen mit den neuen Nachbarn im März hatte Novák dazu aufgerufen, die Pfarrei als gemeinsamen Treffpunkt zu nutzen. Nichtsdestotrotz hätten aber auch die Messen ihren integrativen Effekt, betont der Pfarrer:

„Die Gottesdienste in der Ukraine laufen etwas anders ab. Sie sind umfangreicher, es gibt mehr Gesang, und darum dauern sie auch länger. Bisher haben wir aber positive Reaktionen auf unsere Gottesdienste bekommen. Wir übersetzen die Texte der Heiligen Messe ins Ukrainische, damit alle folgen können. Das gilt jetzt auch für die recht lange Passion für den Palmsonntag und Karfreitag.“

Foto:  Pfarrgemeinde Stará Bělá

Und es gebe noch weitere Unterschiede zwischen den kirchlichen Traditionen:

„Interessant ist, dass die Ukrainer es von ihren Andachten her gewohnt sind, viele Kerzen anzuzünden. Dafür gibt es in ihren Kirchen auch spezielle Kerzenständer. Solche haben wir nicht, und darum fragen die Besucher, wo sie die brennenden Kerzen hinstellen können. Zu jeder entzündeten Flamme beten sie dann für die einzelnen Mitglieder ihrer Familien, sowohl für die lebenden, als auch für die verstorbenen.“

Dieses Ritual hat besonders in Zeiten des Krieges, in dem die Ehemänner und Väter der geflüchteten Frauen und Kinder aktiv kämpfen, eine große Bedeutung. Darum solle auch in der Kirche von Stará Bělá ein Platz für die zahlreichen Kerzen gefunden werden, sagt der Geistliche. Für die Verarbeitung der schrecklichen Erlebnisse und eintreffenden Nachrichten aus der Ukraine biete er zudem immer das Gespräch an:

Foto:  Pfarrgemeinde Stará Bělá

„Jeden Tag verfolgen die Geflüchteten das Geschehen. Eine ältere Frau, die bei uns in der Pfarrei wohnt, hat mir gerade erzählt, dass sie die ganze Nacht nicht schlafen konnte nach den Nachrichten über Vergewaltigungen von Kindern. Dies sind traumatische Erfahrungen, und darum sind die Menschen auch sehr dankbar, dass wir sie aufgenommen haben.“

Dennoch hätten sie den Wunsch, unbedingt nach Hause zurückzukehren. Allerdings wisse heute noch niemand, wann dies möglich werde, ergänzt Pfarrer Novák nachdenklich.

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